Als wir aufstanden – ich blieb extra so lange liegen, bis Lorenz von alleine aufwachte – waren die anderen LKWs schon längst über alle Ebenen (Berge hat's in der Gegend keine) und wir durften deren Überreste (ich gehe aus hygienischen Gründen nicht auf Details ein) vergegenwärtigen. Schnell war ein Tee gekocht, ich rauchte eine Zigarette und setzte mich bei Nieselregen ans Steuer. Es dauerte nicht lange, bis unser Abenteuer schon hätte zu Ende sein können: der Regen nahm zu, die Strassen wurden schlechter und in einer kurzen Sekunde der Unaufmerksamkeit und zu wenig vorausschauendem Fahren provozierte ich eine Schrecksekunde. Beim Anbremsen vor einer Kurve kam der Muni leicht ins Schleudern und es war mehr Glück als Verstand, dass wir nicht am Stassen-Absatz hängenblieben und im Graben gelandet sind.
Überhaupt habe ich auf den Kilometern durch Ungarn, die ich alle selber am Steuer gesessen hatte, viel gelernt...so eine Schrecksekunde bringt einen abrupt auf den Boden der Realität.
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Hinter Szeged schlug ich vor, ein Szegediner Gulasch zu essen, was es bestimmt hier in der Originalform geben müsste…es ist aber auch mit grossem Hunger gar nicht so einfach, auf einer fest vorgeschriebenen Strecke mit einem so grossen Fahrzeug überhaupt ein Restaurant zu finden. Man kann nämlich nicht einfach in eine Seitenstrasse fahren, von der man nicht weiss, ob man mit einem Wendekreis von gefühlten 20 Metern wenden kann. Ausserdem sind rund 12 Meter lange und 2.50 m breite Parkplätze relativ selten.
Gulaschsuppe in Szeged |
Aber wir wurden fündig und genossen in einem Restaurant, das direkt an der Hauptstrasse lag, der örtlichen Schule auch als Mittagstisch dient und mit etwa 50 grossäugig staunenden Kindern und deren Lehrkräften besetzt war, eine grossartige Gulaschsuppe, und das, obwohl der gemeinsame Sprach-Nenner zwischen uns und dem sympathischen Kellner aus etwa 2 Wörtern Deutsch und 4 Wörtern Englisch bestand. DAS ist Reisen in Reinform, abseits der Komfortzone und macht ungemein Spass
LKW-Kolonne an der Grenze |
50 km nach Szeged standen wir schon an der rumänischen Grenze, der ersten, an der wir kontrolliert wurden. Zum Glück hatten wir eine Landstrasse dorthin genommen, auf der LKWs über 20 Tonnen nicht zugelassen sind und kamen so sehr zügig über die Grenze. Lorenz erstand an der Tankstelle gleich dahinter eine 7-Tages-Vignette, die uns die Benutzung aller für unser Fahrzeug freigegebenen Strassen erlaubt und ich versuchte vergebens dem selbsternannten Chef-Fensterputzer beizubringen, dass unsere Fensterscheiben genügend sauber sind. Er wollte nicht hören und hatte dann Mühe mit der Tatsache, dass ich weder ungarisches noch rumänisches Geld im Portmonnee hatte und ihm auch keine Euro-Note geben wollte, sondern er sich mit 1 Euro 40 in gelbem und rotem Kleingeld begnügen musste. Jänu.
Diskrepanz zwischen Anzeige und Realität |
Als wir auf die A1 Richtung Bukarest einbogen wurden wir uns unseres Glücks erst bewusst: die Schlange von LKWs, die der Abfertigung am Zoll harrten, war elend lang – auf beiden Seiten der Grenze. Also zogen wir locker und mit zügigen 80 km/h Richtung Hauptstadt los...nur leider fand unser Navi keine Strasse, sondern wir fuhren laut dem digitalen Orientierungshelferlein quer durch eine grüne Wiese. Das kam uns sehr seltsam vor, denn die Autobahn, auf der wir uns in flottem Tempo fortbewegten, war in tadellosem Zustand und keine einzige Baustelle störte das Vorwärtskommen. «Vielleicht wäre ein Software- und Karten-Update des Navigationsgeräts vor der Reise gar nicht schlecht gewesen», meinte ich salopp zu Lorenz, der mit einem Blick antwortete als wollte er fragen: «Ach, die kann man updaten?»
perfekte Autobahn in Rumänien |
Die sanfte, rasche Fahrerei hatte schon bald ein Ende und wir wurden am Ende des fertiggestellten Autobahnabschnitts auf Landstrassen aus der Ceaușescu-Ära geleitet. Lorenz meisterte die regennassen, deformierten Fahrbahnen jedoch mit Bravour. Nach langen Kilometern gab es endlich wieder ein fertiges Teilstück, auf dem wir den ersten Rastplatz anfuhren und gerade noch einen halblegalen Standplatz für die Nacht fanden. Da wir keine Gelegenheit fanden einzukaufen verpflegten wir uns aus unserem Vorrat, den wir aus der Schweiz mitgenommen hatten: Japanische Miso-Suppen, feines Sauerteigbrot, harte Eier, Salsiz und eine Resttomate vom Salat von gestern. Dazu die mittlerweile zur Gewohnheit gewordenen Grinsegesichter zufriedener Fernfahrer gemischt mit der wohligen Müdigkeit nach einem ereignisreichen Tag.
Abendessen aus der Vorratskiste |
Zum Abschluss des Tages erlebten wir einige interessante Rangiermanöver zu spät gekommener Chauffeure und deren seltsames Toilettenverhalten, das wir vielleicht einmal in einem «Grüsel-Blog» ausführlich behandeln werden – selbstverständlich nicht ohne zartbesaitete LeserInnen vorzuwarnen. Man muss schon hartgesotten sein, um die dunkleren Seiten des Lebens auf der Landstrasse mit Humor nehmen zu können – und wir lassen uns bestimmt nicht beirren und verhalten uns auch in derart stilloser Umgebung immer noch wie guterzogene Gentlemen. Das ist Ehrensache, finde ich.
Nach dem vierten Reisetag bin ich so begeistert wie zu Beginn und freue mich auf jeden Kilometer, jede Challenge, jedes Erlebnis, auf die vielen unterschiedlichen Landschaften und die hoffentlich noch häufiger werdenden Begegnungen mit interessanten Menschen.
https://spotwalla.com/tripViewer.php?id=1d51c5cafbb932218d&hoursPast=0&showAll=yes
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