Munizipalität, links daneben der Parkplatz auf dem wir stehen |
Unser erster Tagesprogrammpunkt sah vor, Informationen betreffend Einfuhr unseres Fahrzeugparkes nach Russland einzuholen. Hierzu lotste ich Lorenz trotz kniffligen Kartenmaterials auf Anhieb direkt vor den Haupteingang der Russischen Botschaft. Dort versuchte Lorenz mit Handskizzen und den beiden einzigen Wörtern Russisch, die er kennt (das Wort für LKW und das Wort für Motorrad) den Angestellten sein Anliegen vorzutragen. Obwohl sich alle reichlich bemühten und sogar noch eine auf ein Visum wartende Dame netterweise übersetzungstechnische Unterstützung leistet, eine abschliessende Antwort konnte nicht gefunden werden bzw. der russische Zöllner wird uns in Kürze dann durchwinken oder halt nicht. On verra!
Stadtmauer |
Per Zufall wohnt eine ehemalige Klassenkameradin von Lorenz in der gleichen Strasse. Wie es der Zufall wollte, war die gesamte Familie zu Hause und sie nahmen unseren unangekündigten Besuch mit Freude auf. Nach fast 30 Jahren erkannten die Beiden sich auf Anhieb und es wurde ein Abendessen gleichentags vereinbart.
Also fuhren wir auf der Suche nach einem geeigneten Standplatz Richtung Innenstadt und wurden an der ersten, wenig optimalen Gelegenheit weggewiesen, was unser Glück war, denn auf dem Gelände der Munizipalität fanden wir einen idealen Platz. Wegen des hier um eine Woche verschobenen orthodoxen Osterwochenendes war er komplett leer und wir stellten uns mitten drauf. Der Parkplatz ist kostenpflichtig: eine Stunde kostet 2 Lari (CHF 0.80), zwei Stunden drei und ein ganzer Tag 10, also umgerechnet 4 Franken. Der Parkplatzwächter in seinem Häuschen war interessiert an unserem Gefährt und meinte, es sei absolut kein Problem, hier zu stehen.
Natürlich konnten wir uns nicht wie auf einem Campingplatz oder in der freien Natur benehmen, z.B. die Campingstühle aufstellen und draussen frühstücken. Aber das machte nichts, denn der Platz mitten in der Stadt, in Gehdistanz zur Altstadt, gleich am Fluss Mkvari gelegen, bot dafür jeglichen sonstigen Komfort.
Ein erster Gang in die Stadt, auf der Suche nach einem Restaurant um unseren Hunger zu stillen, folgte alsogleich und wir assen bei strahlendem Sonnenschein in einem dunklen Raum unter einem schrecklichen Ölgemälde mit einer georgischen Landschaft, das auf die Rückseite eines Schaffells gemalt und mit Darmschnüren in einen wuchtigen Rahmen gespannt war. Wir wollten uns gar nicht vorstellen, welches Getier sich in dem Fell tummelte und womöglich auf unser Essen zu fallen drohte.
Alt und Neu |
Ich kann mich nicht an die Namen der Gerichte erinnern, Katchapuri, die feinen mit Käse gefüllten Fladenbrote, waren dabei, dazu ein seltsames Rinds-Suppenfleisch mit vielen Knochen und einer dazu servierten deftigen Knoblauch-Zitronen-Sauce sowie einer Schale mit fein gewürztem Hackfleisch. Da wir nicht mehr fahren mussten, gönnten wir uns ein lokales Bier, das ich als Bier-Banause nicht von unseren Lagerbieren unterscheiden konnte.
Nach dem Essen trennten wir uns und ich ging mit der Kamera am Gurt in die Altstadt, wo mir der krasse Unterschied zwischen heruntergekommenen, baufälligen und zerfallenen Häusern neben fein herausgeputzten und schön restaurierten, teilweise mit modernen Elementen ergänzten Gebäuden auffiel. Der Glanz der scheinbar ehemals wunderschönen Stadt beginnt wieder aufzugehen und die Menschen scheinen den Wert einer pittoresken Altstadt erkannt zu haben. Je schöner die Häuser wurden, desto mehr Touristen drängten sich in den engen Gassen. In einigen Strassen waren die Restaurants so eng aneinander gebaut, dass ein Durchkommen fast unmöglich war. Ich schoss einige Fotos, die aber wegen der vielen Menschen und der grossen Helligkeitsunterschiede bei dem strahlend schönen Wetter nicht viel hergaben.
Uhrturm bei einem Theater |
In Tiflis wird viel Wert auf künstlerische Dekoration gelegt. Überall finden sich Skulpturen und Gebäude sind kunstvoll verziert. Daneben stehen viele teilweise sehr alte Kirchen, von denen ich einige von Innen betrachten konnte, in anderen drängten sich die Gläubigen zu Hunderten hinein und hinaus, während drinnen Liturgien gesungen und Gebete gesprochen wurden. Der Aufmarsch an hohen Geistlichen, Sicherheitspersonal und offensichtlich wichtigen Persönlichkeiten war sehr gross. An einer der ältesten Kirchen blieb ich länger stehen und genoss den harmonischen Gesang der Geistlichen und beobachtet die Menschen.
Im Jazz-Café |
In einem Jazz-Café in der Nähe des Meidan-Platzes genehmigte ich mir einen feinen türkischen Café und profitierte vom dort kostenlosen WLAN. Ein paar Nachrichten an die Lieben zu Hause, eine Email und die Überprüfung von Bank- und Kreditkartenkonto konnte ich dort endlich erledigen.
Mother of Georgia |
Am Abend machten wir uns frisch, luden das Motorrad ab, zogen die Motorradkleidung über die übriggebliebenen sauberen Kleider und fuhren zu Barbara und ihrer Familie mit vier Kindern im Alter von etwa 3 bis 10 Jahren (ich weiss ehrlich gesagt nicht genau, wie alt Sarah, Noah, Theo und Marta sind), die uns bereits freudig erwarteten. Sie führten uns in ein Restaurant in der Altstadt mit einem grossen Hof und einem interessant gestalteten Innenbereich, das wir als «alternativ» bezeichnen würden und wir konnten an einem langen Tisch drinnen zu acht Platz nehmen. Barbara und ihr Mann Gigi, ein George, bestellten die feinsten Speisen und es wurde aufgetragen, dass uns die Ohren wackelten.
Restaurant am Abend |
Auberginen-, Randen- und Spinatmus, verschiedene Fleischbällchen, die obligaten Katchapuri, Bratkartoffeln mit Zwiebeln so fein wie wir sie hier noch nie gekostet hatten, eine Art Hamburger mit Fladenbrot, Sösschen, ein feiner lokaler Wein, Bier, eine hausgemachte Limonade und vieles mehr stand bald auf dem Tisch. Wir assen, erzählten, erhielten viele nützliche Informationen, Lorenz und Barbara konnten sich über die Klassenkameraden updaten und alte Geschichten hochleben lassen.
Es war ein grossartiger Abend und wir wurden anschliessend von Gigi durch das Gewirr von Gassen und Einbahnstrassen zurück an unseren Standplatz gelotst.
Auf dem Parkplatz war mittlerweile die lokale Motorradjugend am Ausprobieren ihrer Fahrkünste, so gingen wir in einer der Buvetten am Fluss ein Bier trinken bis der Spuk auf dem Platz vorbei war. Zufrieden und wohlgenährt legten wir uns dann schlafen.
Präsidialresidienz mit Kuppel |
Skatepark bei der Munizipalität |
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