Voraussichtliche Reisedaten

Freitag, 12. April 2019

11. April 2019 | Deva (RO) – Ploiesti (RO) | 364 km

unterwegs bei Brasov
Den ersten Teil der Fahrt von Deva bis Brasov fuhr ich, einiges davon auf der Autobahn, die wiederum nur teilweise auf dem Navi verzeichnet war, den Rest auf sehr gut ausgebauten Landstrassen. Das ging mehrheitlich sehr gut – bis auf den einen Bahnübergang, den ich unterschätzt hatte und ihn mit zu grosser Geschwindigkeit anfuhr. Als ich realisierte, dass der Übergang in schlechtem Zustand war, war es leider schon zu spät: ein starker Schlag, ausgelöst durch grosse Niveaunterschiede, brachte das ganze Fahrzeug zu Zittern...ein normaler PKW hätte wahrscheinlich einen Achsbruch davongetragen. Bei unserem stabilen Muni war zwar kein Schaden zu verzeichnen, aber gut war das nicht. «Liebe Mobiliar, leider kam der Bahnübergang unvermittelt aus dem Nichts auf uns zu und schlug unbarmherzig auf die Achse, so dass sie neben den Geleisen liegenblieb, wo sie auch dem Zugverkehr nicht nützlich sein konnte, also liessen wir sie einfach liegen», hätte die entsprechende Schadensmeldung tönen können.

Rumänien ist ein Land grosser Gegensätze.
eine der vielen Schafherden
Bei regnerischem Wetter, das wir heute über lange Strecken hatten, sehen die Frühlingslandschaften etwa ähnlich trostlos aus wie unser Jura – bei Sonnenschein leuchten die überall blühenden Bäume und teilweise farbig gehaltenen Häuser und plötzlich aus allen Häusern hervortretenden, teilweise in traditioneller Kleidung auftretenden Mütter und Töchter schlicht grossartig aus.
Neben modernen Prunkbauten mit Glasfassaden und vielen neuzeitlichen Industriegebäuden erscheinen viele einfache und oft heruntergekommene Häuser und Siedlungen.
Gross sind die Unterschiede auch bei den Menschen: einige sind kaum von den Leuten in unseren Städten mit gestylten Kleidern und gepflegter Erscheinung zu unterscheiden – andere treten in
Buchenwald am Bratosea-Pass
abgenutzter, schmutziger Kleidung, zottigem Haar und ungepflegten Zähnen auf. Die Schere zwischen «arm» und «reich» sind hier besonders frappant.
Neben modernsten Fahrzeugen sind auf den Strassen Autos, LKWs und Pferdefuhrwerke zu sehen, bei denen man sich fragt, wie die überhaupt noch fahren.

Bratosea-Passhöhe
Was fast überall auffällt ist das offensichtliche Unvermögen der Bevölkerung, mit Abfall umweltschonend umzugehen: eine Kehrrichtabfuhr scheint nicht zu existieren, stattdessen wird jeglicher Abfall einfach neben der Strasse, an Bächen und Flüssen, in Geländevertiefungen und einfach überall sorglos weggeworfen. Das sieht bisweilen trostlos aus und erstaunt uns, denn die Landschaft, die Wälder und Bäche sind sehr schön und vielfältig. Berge von Plastikabfall, abgeschrotteten Autos, einfach allem was der Mensch in seiner masslosen Konsumwut nicht mehr braucht, wird weggeworfen. Da ist noch grosses Entwicklungspotential vorhanden!

Besonders haben mich die vielen Schafherden entlang unserer Route, viele kleine Bachläufe, grossartige Buchen- und Birkenwälder und die vielen Insekten und Vögel gefreut. Gerade in den Tälern von Brasov hinauf zum Bratosea-Pass und hinunter nach Ploiesti ist die Landschaft malerisch und wunderschön. Diese Strecke haben wir durch Zufall entdeckt, weil wir einem Wegweiser gefolgt sind, der die LKW um ein Dorf geleitet hat und wir offensichtlich und zum Glück den Abzweiger zurück auf die grosse Hauptroute nach Bukarest verpasst haben. Auf den Serpentinen hinauf zur auf etwa 1200 m.ü.M. gelegenen Passhöhe hatte ich als Beifahrer beste Sicht auf eine grossartige Waldlandschaft, wo teilweise immer noch Schnee lag. Im Tal suchte sich ein Bach
seinen Weg durch Waldauen zwischen den Buchen, viele Vögel flogen umher und machmal zogen Nebelschwaden geisterhaft zwischen den Bäumen vorbei.
Die Steigungen konnten wir manchmal nicht schneller als mit 30 bis 40 km/h befahren, was das Betrachten umso schöner machte.

Am Abend suchten wir einen sicheren Platz zum Parken und Übernachten, den wir auf dem Parkplatz eines «Restaurant Rustic», einem der vielen Grossrestaurants, die scheinbar vor allem für Hochzeiten und Feste gebucht werden, fanden. Die Serviertochter, die ich im sonst leeren Gastraum antraf, verstand meine Sprache nicht, aber mit Gesten und etwas Mimik konnte ich ihr unser Anliegen, vor ihrem Restaurant das Fahrzeug abzustellen und darin für eine Nacht zu schlafen, irgendwie verständlich machen – nach kurzer Rücksprache mit dem Chef, den ich nicht zu Gesicht bekam, verkündete sie mir mit einem knappen «Yes» dass wir uns einrichten dürfen.

Rumänien bietet natürlich noch viel mehr als wir in der kurzen Zeit und auf unserem direkten Weg wahrnehmen können. Mir macht es grosse Lust, auch dieses Land später einmal in Ruhe und mit viel Zeit zu bereisen, denn es hat eine lange und bewegte Geschichte, die viel mehr als «Roma», «Ceaușescu» und «Dracula» beinhaltet. Siebenbürgen, die Walachei, viele Kirchen und Klöster, eine reiche Kunstgeschichte, spannende Gegebenheiten, grossartige Landschaften und nicht zuletzt die Verwandtschaft der Rätoromanischen und Rumänischen Sprache sind nur einige Highlights.

Bahnübergang: Wärter kurbelt die Schranke hoch
Was das Lastwagenfahren angeht, wo ich mit meinen etwas über Tausend Kilometern noch zu den blutigen Anfängern gehöre, mache ich jeden Tag Fortschritte und Lorenz ist ein geduldiger und sehr guter Mentor dabei. Er kann mir ohne vorwurfsvoll zu sein und scheinen klare Anweisungen und Tipps geben, von denen ich gerne profitiere und die manch einem «normalen» Autofahrer ebenfalls sehr gut tun würden. So erhöht sich die Zuverlässigkeit und Verkehrssicherheit mit jedem Streckenabschnitt, den ich hinter dem Steuer sitze und ich geniesse das Vertrauen und die wohlwollende Anleitung sehr.

Am besten an den bisher fünf Reisetagen, an denen wir insgesamt rund 2200 km gefahren sind, ist dass wir so viel lachen. Es ist toll, wie locker, tolerant, witzig, geistreich, abwechslungsreich, liebevoll, zuvorkommend, freundschaftlich und gut wie miteinander umgehen.

Nachtlagerplatz bei Ploiesti
Es gäbe noch so vieles zu erzählen, vom grossen Akku der nicht so geladen werden will wie wir es gerne hätten, vom Parfümverkäufer an der Autobahnraststätte, den uns zuwinkenden Menschen am Strassenrand, den LKWs mit Pannen an den schwierigsten Stellen, der manuell bedienten Schranke am Bahnübergang, den abenteuerlichen Verständigungsversuchen, von Normalem und Aussergewöhnlichem, von unseren abwechslungsreichen Gesprächen und natürlich von unserer fast schon kulinarisch hochstehenden Verpflegung (das ist kein Witz!)...aber dazu fehlt Zeit und Platz...und ausserdem will ich nicht langweilen oder über Gebühr langfädig auftreten. Schliesslich verbringen wir die meiste Zeit im Cockpit unseres Muni und geniessen das Fahren und Reisen in vollen Zügen.

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