Voraussichtliche Reisedaten

Sonntag, 28. April 2019

27. April 2019 | Tiflis (GE)

Heute war ein Stadttag angesagt.

Wir setzten uns Richtung Altstadt in Bewegung und bummelten durch die Gassen der Stadt. Ich zeigte Lorenz ein paar Orte, die ich am Vortag entdeckt hatte, dabei entdeckten wir neue Orte und sahen viele interessante Dinge, die uns entweder zum Staunen oder zum Schmunzeln brachten.
Da waren die Polizisten am Meidan, die scheinbar wahllos Autos aus dem Verkehr zur Seite wiesen und kontrollierten, dabei immer wieder mit einer Lautsprecheranlage lautstark auf georgisch Anweisungen gaben und schaurig wichtig taten.
Oder die vielen jungen Georgier, die verzweifelt versuchten, ihre Flyer für Touren durch die Stadt oder in entlegene Teile des Landes an Touristen zu verteilen, welche diese bei nächster Gelegenheit bestenfalls in einen Abfallkübel, oft jedoch achtlos auf den Boden fallen liessen.
Wir entdeckten auch Altstoffsammelstellen für PET-Flaschen, Aludosen, Papier und Brot, die an ungünstigen Orten versteckt aufgestellt waren. Eine ausländische Organisation stellt diese auf – offiziell wird Müll in den Städten eingesammelt und irgendwo deponiert. Kehrrichtverbrennungsanlagen existieren in Georgien nicht.
Und wir machten viele russische Touristinnen mit aufgespritzten Lippen und offensichtlich silikonvergrösserten Brüsten in ihren knappen lackglänzenden Minis aus, die auf altstaduntauglichen Stilettos ihren schmerbäuchigen Männern hinterher tippelten. Der geneigten Leserschaft sei verraten, dass wir trotz aller moralischer Bedenken Ivan mit Halbglatze und Plattfüssen ein klein wenig beneideten.
Oder wir suchten verzweifelt nach einer der nicht existenten öffentlichen Toiletten um uns des Drucks der Blase zu erleichtern.

Xoff nach dem Coiffeurbesuch
Unser erklärtes Tagesziel war, einen Barber-Shop oder Coiffeur zu finden, wo wir unsere Haare waschen und schneiden lassen konnten und wo auch unser wild wachsendes Gebüsch im Gesicht eine Form erhalten sollte und dann «Bart» genannt werden könnte. Das Schild am Eingang in einen weiten Flur liess Grosses erahnen und eine sympathische und hübsche junge Georgierin empfing uns mit einem Lächeln. Sie erklärte der des Englischen nicht mächtigen Coiffeuse unsere Wünsche und ich begab mich zuerst in deren Obhut. Schnell stellte sich heraus, dass die beleibte Mama noch nicht lange Schere und Kamm in den Händen zu haben pflegte und dass sie von Männerhaarschnitten und erst recht vom Rasieren nicht viel Ahnung hatte. Nach rund 20 Minuten verliess ich mit hinten-und-auf-der-Seite-kurz-und-oben-etwas-länger, sowie mit der Tendeuse kurz geschnittenen Barthaaren den Ort des Verbrechens, schob meine Sisalmütze zum Schutz vor den Blicken der vielen Touristen über den gelverklebten Stufenschnitt, machte gute Miene zum bösen Spiel und schickte Lorenz hinein auf die Schlachtbank. Auch er zückte nach Verlassen des Etablissements unschuldig und breit grinsend seinen Sonnenhut.

Mother of Georgia
Nach dieser Erfahrung war Nahrungsaufnahme angesagt. Nach einem Takeaway-Kebab mit anschliessendem Kaffee zwecks Toilettenbenutzung im Touristenzentrum stiegen wir gefühlte Tausend Stufen hinauf zu «Mother of Georgia», einer metallisch glänzenden Riesenstatue einer Titanin mit Schwert in der Hand, die stolz und hehr über der Stadt steht, nur um zu realisieren, dass wir auch mit dem Muni hätten hochfahren können. Der Weg führte uns durch malerische, an den Steilhang gehängte Quartiere, wo findige Bewohner Cafés und Obststände führen um den von den Strapazen gebeutelten Touristen eine Erfrischung zu offerieren.










Touristen auf der Krete
Oben, auf der Krete eines Hügelzuges am westlichen Ende der Altstadt, wo noch Reste der alten Stadtbefestigung erhalten sind, bieten die gleichen Souvenirverkäufer wie an jedem touristisch interessanten Ort der Welt den genau gleichen ortsunabhängigen Schrott an, von Heiligenbildchen, Plastikkalaschnikows und Strickwaren über Gläser mit den immergleichen Konfitüren und Honigen bis zu den ultimativ hässlichsten Ohrringen und Halskettchen, die man in derselben Assortierung auch auf Kreta, beim Vatikan und im Death Valley findet. Und immer ist da einer, der auf seiner Gitarre einen Song von Robby Williams schrammt oder ein Amy Winehouse-Verschnitt, die versucht ein paar Batzen zu verdienen.

Dort oben hatten wir aber trotz der touristischen Ablenkung eine grossartige Sicht auf die Stadt, konnten die Sehenswürdigkeiten geografisch einordnen und unsere nächsten Schritte planen.

Besondere Erwähnung verdient die in Form architektonischer Verbrechen zutage tretende Perversion allzu reicher Oligarchen. Der eben abgetretene Regierungschef Georgiens ist ein besonders leuchtendes Beispiel dafür. Er liess nicht nur hinter dem Präsidentenpalast eine allen formalen Regeln spottende Basilika zu seinen eigenen Ehren errichten, sondern baute sich gegenüber, auf der gleichen Krete wie «Mother of Georgia», eine Villa die jeden Architekten und Stadtbildsachverständigen das Grauen lehrt.

Obwohl eine Seilbahn uns den Weg zurück ans Ufer des Mkvari erleichtert hätte, nahmen wir den Rückweg lieber unter die Füsse und genossen das Eintauchen in die Häuserflut langsam und unmittelbar.

Jetzt, Ende Nachmittag, machten wir uns frisch, nahmen die sorgfältig verpackten Anzüge heraus und pimpten uns so richtig auf. So hergerichtet gingen wir abermals in die Stadt, diesmal aber gediegen zuerst in eine Wein-Bar, um einen Apéro zu nehmen. Dort, inmitten Hunderter Weinflaschen, erfuhren wir, dass allein in diesem Geschäft über 800 verschiedene georgische Weine verkauft werden, dass in Georgien seit 6000 Jahren Wein angebaut wird und dass dieser traditionell in grossen, im Erdboden eingelassenen Ton-Amphoren gereift und gelagert wird.

In der nächsten Wein-Bar, die an einer unscheinbaren Tür mit dem Slogan «Come In – It'sCool Insisde» warb, erhielten wir eine Käseplatte von verschieden aussehenden, jedoch sehr ähnlich schmeckenden Käsesorten zu je einem der vielen georgischen Weine aufgetischt.

Jetzt fehlten nur noch ein kleiner Salat, etwas Rauch-Rohschinken und ein paar neue Bratkartoffeln mit einer Preiselbeersosse in einem weiteren, an der Touristenmeile gelegenen Restaurant, um unsere Mägen zu befriedigen und uns bettschwer zu machen. Eine Partie Backgammon im Muni rundete den perfekten Abend ab und wir verliessen den Tag auf unserem tollen Standplatz mit zufriedenem Gemüt.

Dir Fotos von diesem Tag sind Handyfotos, da ich Dussel vergessen hatte, die SD-Card in die Kamera zu stecken...;)

26. April 2019 | Tiflis (GE)

Munizipalität, links daneben der Parkplatz auf dem wir stehen
Unser erster Tagesprogrammpunkt sah vor, Informationen betreffend Einfuhr unseres Fahrzeugparkes nach Russland einzuholen. Hierzu lotste ich Lorenz trotz kniffligen Kartenmaterials auf Anhieb direkt vor den Haupteingang der Russischen Botschaft. Dort versuchte Lorenz mit Handskizzen und den beiden einzigen Wörtern Russisch, die er kennt (das Wort für LKW und das Wort für Motorrad) den Angestellten sein Anliegen vorzutragen. Obwohl sich alle reichlich bemühten und sogar noch eine auf ein Visum wartende Dame netterweise übersetzungstechnische Unterstützung leistet, eine abschliessende Antwort konnte nicht gefunden werden bzw. der russische Zöllner wird uns in Kürze dann durchwinken oder halt nicht. On verra!
Stadtmauer

Per Zufall wohnt eine ehemalige Klassenkameradin von Lorenz in der gleichen Strasse. Wie es der Zufall wollte, war die gesamte Familie zu Hause und sie nahmen unseren unangekündigten Besuch mit Freude auf. Nach fast 30 Jahren erkannten die Beiden sich auf Anhieb und es wurde ein Abendessen gleichentags vereinbart.








Also fuhren wir auf der Suche nach einem geeigneten Standplatz Richtung Innenstadt und wurden an der ersten, wenig optimalen Gelegenheit weggewiesen, was unser Glück war, denn auf dem Gelände der Munizipalität fanden wir einen idealen Platz. Wegen des hier um eine Woche verschobenen orthodoxen Osterwochenendes war er komplett leer und wir stellten uns mitten drauf. Der Parkplatz ist kostenpflichtig: eine Stunde kostet 2 Lari (CHF 0.80), zwei Stunden drei und ein ganzer Tag 10, also umgerechnet 4 Franken. Der Parkplatzwächter in seinem Häuschen war interessiert an unserem Gefährt und meinte, es sei absolut kein Problem, hier zu stehen.
Natürlich konnten wir uns nicht wie auf einem Campingplatz oder in der freien Natur benehmen, z.B. die Campingstühle aufstellen und draussen frühstücken. Aber das machte nichts, denn der Platz mitten in der Stadt, in Gehdistanz zur Altstadt, gleich am Fluss Mkvari gelegen, bot dafür jeglichen sonstigen Komfort.

Ein erster Gang in die Stadt, auf der Suche nach einem Restaurant um unseren Hunger zu stillen, folgte alsogleich und wir assen bei strahlendem Sonnenschein in einem dunklen Raum unter einem schrecklichen Ölgemälde mit einer georgischen Landschaft, das auf die Rückseite eines Schaffells gemalt und mit Darmschnüren in einen wuchtigen Rahmen gespannt war. Wir wollten uns gar nicht vorstellen, welches Getier sich in dem Fell tummelte und womöglich auf unser Essen zu fallen drohte.




Alt und Neu
Ich kann mich nicht an die Namen der Gerichte erinnern, Katchapuri, die feinen mit Käse gefüllten Fladenbrote, waren dabei, dazu ein seltsames Rinds-Suppenfleisch mit vielen Knochen und einer dazu servierten deftigen Knoblauch-Zitronen-Sauce sowie einer Schale mit fein gewürztem Hackfleisch. Da wir nicht mehr fahren mussten, gönnten wir uns ein lokales Bier, das ich als Bier-Banause nicht von unseren Lagerbieren unterscheiden konnte.






Nach dem Essen trennten wir uns und ich ging mit der Kamera am Gurt in die Altstadt, wo mir der krasse Unterschied zwischen heruntergekommenen, baufälligen und zerfallenen Häusern neben fein herausgeputzten und schön restaurierten, teilweise mit modernen Elementen ergänzten Gebäuden auffiel. Der Glanz der scheinbar ehemals wunderschönen Stadt beginnt wieder aufzugehen und die Menschen scheinen den Wert einer pittoresken Altstadt erkannt zu haben. Je schöner die Häuser wurden, desto mehr Touristen drängten sich in den engen Gassen. In einigen Strassen waren die Restaurants so eng aneinander gebaut, dass ein Durchkommen fast unmöglich war. Ich schoss einige Fotos, die aber wegen der vielen Menschen und der grossen Helligkeitsunterschiede bei dem strahlend schönen Wetter nicht viel hergaben.

Uhrturm bei einem Theater
In Tiflis wird viel Wert auf künstlerische Dekoration gelegt. Überall finden sich Skulpturen und Gebäude sind kunstvoll verziert. Daneben stehen viele teilweise sehr alte Kirchen, von denen ich einige von Innen betrachten konnte, in anderen drängten sich die Gläubigen zu Hunderten hinein und hinaus, während drinnen Liturgien gesungen und Gebete gesprochen wurden. Der Aufmarsch an hohen Geistlichen, Sicherheitspersonal und offensichtlich wichtigen Persönlichkeiten war sehr gross. An einer der ältesten Kirchen blieb ich länger stehen und genoss den harmonischen Gesang der Geistlichen und beobachtet die Menschen.

Im Jazz-Café
In einem Jazz-Café in der Nähe des Meidan-Platzes genehmigte ich mir einen feinen türkischen Café und profitierte vom dort kostenlosen WLAN. Ein paar Nachrichten an die Lieben zu Hause, eine Email und die Überprüfung von Bank- und Kreditkartenkonto konnte ich dort endlich erledigen.









Mother of Georgia
Am Abend machten wir uns frisch, luden das Motorrad ab, zogen die Motorradkleidung über die übriggebliebenen sauberen Kleider und fuhren zu Barbara und ihrer Familie mit vier Kindern im Alter von etwa 3 bis 10 Jahren (ich weiss ehrlich gesagt nicht genau, wie alt Sarah, Noah, Theo und Marta sind), die uns bereits freudig erwarteten. Sie führten uns in ein Restaurant in der Altstadt mit einem grossen Hof und einem interessant gestalteten Innenbereich, das wir als «alternativ» bezeichnen würden und wir konnten an einem langen Tisch drinnen zu acht Platz nehmen. Barbara und ihr Mann Gigi, ein George, bestellten die feinsten Speisen und es wurde aufgetragen, dass uns die Ohren wackelten.
Restaurant am Abend
Auberginen-, Randen- und Spinatmus, verschiedene Fleischbällchen, die obligaten Katchapuri, Bratkartoffeln mit Zwiebeln so fein wie wir sie hier noch nie gekostet hatten, eine Art Hamburger mit Fladenbrot, Sösschen, ein feiner lokaler Wein, Bier, eine hausgemachte Limonade und vieles mehr stand bald auf dem Tisch. Wir assen, erzählten, erhielten viele nützliche Informationen, Lorenz und Barbara konnten sich über die Klassenkameraden updaten und alte Geschichten hochleben lassen.
Es war ein grossartiger Abend und wir wurden anschliessend von Gigi durch das Gewirr von Gassen und Einbahnstrassen zurück an unseren Standplatz gelotst.

Auf dem Parkplatz war mittlerweile die lokale Motorradjugend am Ausprobieren ihrer Fahrkünste, so gingen wir in einer der Buvetten am Fluss ein Bier trinken bis der Spuk auf dem Platz vorbei war. Zufrieden und wohlgenährt legten wir uns dann schlafen.











Präsidialresidienz mit Kuppel

Skatepark bei der Munizipalität




Samstag, 27. April 2019

19. - 25. April 2019 | Batumi (GE) - TIFLIS (GE) | 807 KM

Ab Batumi hatten wir kein WLAN, deshalb hier eine Zusammenfassung. Wir befinden uns jetzt in Tiflis und Lorenz versucht gerade, auf der Russischen Botschaft in Erfahrung zu bringen, ob das Gerücht, man dürfe nicht drei Fahrzeuge die auf den gleichen Halter eingelöst sind nach Russland einführen.

19. April | Batumi (GE) – Poti (GE) | 93 km

Batumi Altstadt
In Batumi starteten wir nach dem Frühstück im riesigen Esssaal des Euphoria-Hotels, das mir mehr wie eine Massenabfertigung vorkam denn als gemütliches Essen, und fuhren der Schwarzmeerküste entlang nordwärts.
Da es mir nicht gelungen war, die Karten von openstreetmap.nl auf unser Garmin Navigationsgerät zu laden, mussten wir mit der sehr ungenauen 1:650'000er Landkarte vorlieb nehmen. Als erstes suchten wir den Eco-Camping «La Belle Verte», den ein Freund einer Freundin eines Freundes aus der Sek. Oberwil betreibt. Wir waren uns bewusst, dass der Campingplatz, der eine sehr schon Webseite hat (http://campbatumi.com/home.html), mit grosser Wahrscheinlichkeit ausserhalb der Saison geschossen ist. 

Batumi
Aber wir wollten es trotzdem versuchen. Leider fanden wir jedoch weder die richtige Strasse, noch konnten wir uns durchfragen, da niemand dieses scheinbar recht neue Projekt kannte. Ausserdem wurden die Strassen immer kleiner und waren mit unserem grossen Fahrzeug schlicht nicht mehr befahrbar: die Stromkabel hingen zu tief über der Strasse, Bäume wuchsen von beiden Seiten auf die Fahrbahn und eine Wendemöglichkeit wurde immer unwahrscheinlicher. 




Japanische Reisegruppe in Batumi
Tabak aufe einem Markt in Batumi
Also brachen wir die Übung ab und suchten uns nach schon etwa 60 km Entfernung von Batumi einen Platz um die Nacht zu verbringen. Als wir uns eingerichtet hatte und in unseren Betten lagen, kam eine Polizeistreife und wies uns sehr freundlich weg, weil es an dem grossen Platz scheinbar nicht sicher sei. Sie geleiteten uns bis zur Gemeindegrenze und wiesen uns an, noch ein par Kilometer weiter zu fahren. Sie wollten uns offensichtlich nicht auf ihrem Gebiet haben. Aber wir fanden einen anderen Platz, etwas weniger gross und direkt an der Strasse.








Markt in Batumi

Batumi aus der Ferne

Tragflächenboot auf Reede im Hafen


20. April 2019 | Poti (GE) – Tskaltubo (GE) | ?? km

Kuatisi

Kutaisi

Kutaisi 
Nachtplatz bei Poti

Gasleitungen entlang der Strasse

Typisches Haus

Autobahn zwischen Poti und Kautaisi

Unfall am Bahnübergang
Wir wurden wir vom Pressluft-Schrauber des dort in einer Baracke ansässigen Automechanikers geweckt und zogen weiter. Jetzt gings ins Landesinnere. Unser Weg führte uns durch das sehr breite Schwemmdelta und Tal des Flusses Rioni über Samtredia nach Kutaisi.

Unterwegs wurden wir durch einen Unfall an einem Bahnübergang, wo ein abenteuerlich beladener Laster mit seiner Fracht in der engen Kurve über die Geleise einen Kühl-Auflieger eines grosen Lastenzugs aufgeschlitzt hatte, aufgehalten. Sofort bildete sich eine lange Schlange auf beiden Seiten, viele Männer gestikulierten und diskutierten, die Polizei nahm den Unfall auf und allzu Eilige suchten sich einen weg auf einer parallel zur Bahnlinie verlaufenden Piste im Morast.
Ich nutzte den rund dreiviertelstündigen Zwangshalt zu Fotografieren.

In Kutaisi besuchten wir einen grossen Markt, der sich in mehreren eingeschossigen Gebäuden über etwa 400 Meter hinzog. Dort findet man alles, was zum täglichen Leben, für den Hausbau, die Reparatur eines Fahrzeugs oder zur Unterhaltung notwendig ist. Ein Gewusel von Menschen in den engen Gassen zwischen den Ständen, viele Farben, Gerüche, dazu eine Sprache, von der ich kein einziges Wort verstehe.

Wir beschlossen anschliessend spontan, einen Bogen nordwärts über Tsageri zu machen, wo uns eine «Historic Bamboo Bridge» anzog, welche offensichtlich nicht (mehr) existiert und folgten dann den unterwegs aufgetauchten Hinweisschildern zur «Prometheus Cave». Viele Geschichten der griechischen Mytholgie spielten in Georgien, was mir nicht bewusst war. Der Weg zur Grotte war sehr gut ausgeschildert, so dass wir den Parkplatz problemlos fanden. Da wir etwa um 17 Uhr dort ankamen, entschlossen wir uns, vor Ort zu übernachten und die Grotte am folgenden Tag zu besichtigen.
Die sehr freundlichen Angestellten im Besucherzentrum wollten uns anfänglich im Garten übernachten lassen, hatten aber offensichtlich meine Aussage, wir hätten einen Camping-Car missverstanden und zogen ihr Angebot zurück, als wir mit dem Muni auf den Vorplatz fahren wollten.
So richteten wir uns nach Torschluss auf dem Parkplatz davor ein, kochten uns feine Rösti mit Spiegelei und spielten darauf ein paar Partien Backgammon.



21. April 2019 | Tskaltubo (GE) – Tsageri (GE) | etwa 155 km

Als wir auf dem Parkplatz der Prometheus-Grotte aufwachten und die Köpfe zum Shelter hinaus streckten, kamen gleich zwei Georgier auf uns zu, die gerade ein paar Touristen hergefahren hatten. Sie waren an unserem Fahrzeug interessiert und wir wollten von ihnen Informationen zu den bergigen Grenzregionen zu Russland, die wir in den nächsten Tagen befahren wollten. Ein angeregtes Gespräch, teilweise auf Deutsch, entwickelte sich und wir wurden positiv bestärkt, die laut ihren Aussagen absolut problemlose Gegend zu bereisen. In den Bergen liege bestimmt noch Schnee, aber die Strassen seien aper.




Handorgel und Lastwagen


neuer Schliesser



Lichtmalerei in der «Love Cave»





Historical Bridge?
Nach unserem Frühstück – mir schmeckt der Honig von Stefan Felber aus Biel-Benken besonders gut hier in Georgien – begaben wir uns zum Visitor-Center der Prometheus-Grotten und schlossen uns gleich einer grossen Gruppe Besucher an. Der Führer, der Englisch und Russisch sprach, erklärte zuerst, dass die Grotte nichts mit Prometheus zu tun habe, sondern dass es sich beim Namen nur um einen touristischen Locknamen handle.
Die etwa 1 km lange Grotte war mit farbigen Lichtern ausgeleuchtet und bietet einige schöne Tropfsteingebilde, ist aber längst nicht so spektakulär wie die französischen und spanischen Grotten, die ich schon besucht hatte. Wir hatten es aber sehr gut und blieben am Ende der Besuchergruppe, so dass wir ein paar lustige Fotos schiessen konnten.

Nach der Führung redeten wir ein wenig mit dem Führer, der eigentlich Meteorologe ist und neben seinem Führerjob noch als Fluglotse arbeitet. Er sagte, dass er umgerechnet 85 $ im Monat verdiene und damit einigermassen zurecht komme. Er hielt grosse Stücke auf die Schweiz, weil wir eine stabile Regierung hätten und weil unser Wirtschaftssystem grossartig sei. Wir erwiderten, dass dieser Reichtum nur dadurch zustande kommen könne, weil die Schweizer zu einem Teil davon profitieren, dass in anderen Ländern Rohstoffe billige abgebaut und Produkte günstige hergestellt werden könnten, was er meiner Meinung nach nicht ganz verstand.

Schon bald nach dem Losfahren waren wir in Tsageri, wo wir einkaufen wollten. In einem kleinen Laden (die heissen hier «Market») kauften wir Gemüse und Teigwaren, in einer Metzgerei zwei Stücke Schweinefleisch von 800 Gramm. Alles zusammen kostete umgerechnet ein paar Franken. Die scheinbar gute Idee, dem sehr freundlichen Metzger ein Saggmässer zu schenken, wurde für uns zu einem Boomerang, denn er gab mir zum Dank gleich noch einmal etwa gleich viel Fleisch mit.

Unmittelbar nach Tsageri bogen wir ostwärts ab und fuhren eine steile Serpentinen-Passstrasse hinauf, die unser Muni mit Bravour teilweise nur im zweiten von sechs Gängen schaffte. Oben auf der Passhöhe angekommen, hungrig wie die Bären, richteten wir unsere Küche auf der ausgeklappten Hackklappe des Anhängers ein und staunten nicht schlecht, als wir das Fleisch auspackten: auf zwei Stücken waren Fliegeneier! Das seltsam geschnittene Fleisch wollten wir aber nicht wegwerfen. So schabten wir die Eier ab, ich zerteilte die Stücke in Ragout-grosse Stücke, schnitt die gädrigen Teile weg und wir setzten ein Schweinsragout auf, gewürzt mit einer Gewürzmischung von Lorenz' Bruder Valentin und liessen das Ganze fast eine Stunde kochen. So würden auch weitere Eier oder anderes Ungeziefer mitgekocht und es könnte uns nichts passieren, dachten wir.

Das einfache Ragout schmeckte dann auch sehr gut, das Fleisch war gut essbar und wir waren danach gut genährt. Auch Stunden später merkten wir keine Beschwerden. Wahrscheinlich sind wir schlicht ein wenig verwöhnt von der perfekten Qualität schweizerischen Fleisches.

Jetzt war schon 17 Uhr und wir beschlossen, gleich hier auf der Passhöhe zu übernachten. Lorenz packte seine Quetschkommode (Handorgel) aus und spielte draussen auf dem Parkplatz ein paar wunderbare Melodien, ich nahm meine Kamera und schoss ein paar Fotos von ihm und der spektakulären Landschaft. Vor allem die Flusstäler sind hier viel interessanter als bei uns, denn die Flüsse sind nicht in einen engen Kanal gezwängt, sondern mäandrieren in einem sehr breiten Bett. Die heute seit langem wieder einmal sichtbare Sonne unterstützte mich bei meinen Foto-Versuchen und tauchte die Landschaft in ein schönes Licht.
Danach reparierte Lenz die Haken für die Heckleiter und montierte Innen eine Schliesse für die Tür, ich entwickelte die vielen Fotos von heute und half ihm ein wenig. Unterdessen lief der Generator, was uns ermöglichte, den Shelter aufzuheizen und Akkus für die Kameras zu laden.

Leider war die Bordbatterie nicht genug stark aufgeladen dass wir eine warme Dusche hätten nehmen können. Lorenz wagte es trotzdem – ich bin bei kaltem Wasser lieber schmutzig. Lol



22. April 2019 | Tsageri/Pass (GE) – Oni (GE) | 80 km

Der Platz auf dem Pass bei Tsalgeri war ideal um die längst überfällige Schmiersession durchzuführen. Lorenz versorgte alle Schmiernippel mit der notwendigen Portion Schmierfett aus der Fettpresse während ich ihm mit Handgriffen, guten und witzigen Kommentaren und auch einfach durch auf-dem-Campingstuhl-sitzen beiseite stand.
Muni verliert an einem Filter, der an einem Punkt oberhalb der Ölwanne angebracht ist, Öl, was nicht besorgniserregend sein sollte, aber wir halten die Situation unter Beobachtung. Grundsätzlich sind wir sehr zufrieden mit dem guten Zustand des Fahrzeugs.

Nachtplatz in One
Die Talfahrt vom Pass gestaltete sich sehr einfach und problemlos. Im Gegensatz zur Steigung, die wir am Vortag gemeistert hatten, war sie gemässigt steil und die Anzahl Haarnadelkurven war bedeutend geringer. Je weiter wir ins Tal und in die Zivilisation zurück kamen, desto mehr Leute sahen wir an diesem sonnigen und warmen Tag in ihren Gärten und Rebbergen arbeiten. Hier wird viel Wein angebaut, die Reben scheinen zum Teil sehr alt zu sein und sind sehr unterschiedlich gepflegt. Viele Rebberge sind frisch mit Pfosten und dazwischen gespannten Drähten ausgerüstet, andere müssen an alten, morschen Pfosten ohne Hilfe hochwachsen.

Unsere Route führte uns über gute, verkehrsfreie und schön in die Landschaft gelegte Strassen. In den oft engen Tälern sind vielerorts Spuren von massivem Steinschlag in Form von eingeschlagenem Asphalt und Trümmern am Strassenrand sichtbar, an einigen Stellen mussten wir über offensichtlich kürzlich erst heruntergekommene Gesteinsbrocken und Schutt fahren. Oft ist in den Dörfern nur an einer engen Stelle der zweispurigen Fahrbahn ein Durchkommen möglich, so tief hängen die Stromleitungen und Äste über der Strasse.
Die Menschen in den Agglomerationen blicken oft erst mit grimmigem Blick auf das seltsame und offensichtlich seltene Fahrzeug, das ihnen entgegenkommt. Mit unserem Gruß per Handzeichen und dem freundlichen Tröten wechselt ihr Gesichtsausdruck aber meist in ein freundliches Lachen, viele grüssen mit der Hand zurück. Frauen reagieren auf uns nur sehr selten, während die Männer oft interessiert hochschauen wenn wir heranbrausen.

Es kommt nicht selten vor, dass uns Fahrzeuge relativ lange folgen müssen, bis wir sie vorbei fahren lassen können oder bis sie sich zu überholen getrauen. Unsere Geschwindigkeit ist innerorts oft unter 40 km/h, ausserorts fahren wir wegen der Schlaglöcher und Unenbenheiten selten schneller als 60 km/h. In viele Dörfern sind die gleichen schwarz-gelben Verkehrberuhiger über die Strassen verbaut, die wir auch aus unseren Breiten kennen, was uns jeweils zum Abbremsen zwingt.

Da wir nur über eine sehr ungenaue, grosse Karte verfügen müssen wir oft nach dem Weg fragen und bekommen immer zuverlässige und freundliche Hilfe.

In Ambrolauri, einer kleinen Stadt, hielten wir beim prominent an der Einfallsstrasse gelegenen Tourist-Information und traffen auf eine sehr gut Deutsch sprechende Angestellte, die uns erklärte, wir sollten doch in Oni, unserer nächsten Destination, auf der Polizeistation eine Erlaubnis für das Befahren der Strasse an die bergige Grenzregion zu Russland und die abtrünnige Provinz Süd-Ossetien holen. Ambrolauri verfügt über einen kleinen, ganz neuen Flugplatz mit einer Feuerwehrstation, die leider nicht besetzt aussah.

Wir entschieden uns, in eines der Restaurants gleich bei der Tourist-Information zu gehen und etwas zu essen. Dort lernten wir drei aufgestellte, freundliche junge Männer kennen, denen ich Zigaretten drehte und die uns dann zu einem Glas Wein einluden. Im Gespräch, das sich schwierig gestaltete, weil wir uns nicht wirklich verstanden und mit Gesten, verschiedenen Sprachen und ein wenig Ausdruckstanz durchschlugen, wurden Familie, Beruf, Kenntnisse über Länder und viel anderes angesprochen. Lorenz holte das Fotoalbum aus dem Muni, das wir für solche Momente zusammengestellt hatten. Als er Fotos von seiner Feuerwehrtätigkeit zeigt, waren die Drei plötzlich alle Feuerwehrmänner, wobei sie alle lachten. Wir waren offensichtlich für sie ein Grund der Erheiterung. Bei den Fotos meiner Modellschiffe waren sie sehr erstaunt und beeindruckt, unsere Frauen gefielen ihnen offensichtlich und auch von unseren Kindern waren alle begeistert.

Der Gesprächsstoff ging uns aber relativ schnell aus und so assen wir unser Essen dann am Nebentisch in Ruhe, während die Drei sich noch weiter köstlich amüsierten und wir aus den Gesprächsfetzen klar erkannten, dass sie über uns sprachen. «Sweizarijez», Schweizer, war eines der häufigsten Wörter.

Den Rest der Strecke bis Oni legten wir in kurzer Zeit zurück – wieder auf verkehrsarmen Strassen und durch zivilisationsabsente Landschaften wo Mischwälder dominierten und sich die Flüsse in einem sehr breiten Bett ihren Lauf selber wählen dürfen.

In Oni entschieden wir uns, bei einer stillgelegten Tankstelle zu halten, liessen den Muni gleich gegenüber von einem freundlichen jungen Mann für umgerechnet 4 Franken mit dem Hochdruckreiniger waschen und bereiteten die längst überfällige Montage der zweiten, grossen Weltkarte auf die linke Shelter-Seitenwand vor. Der von mir organisierte Montagekleber wurde mit einer Presse aus den Kartuschen auf die Rückseite der laminierten Karte gespritzt und mit einem Zahnspachtel verteilt. Dann klebten wir sie auf die Seitenwand, während der Fotoapparat im Hintergrund alle 5 Sekunden ein Foto für eine Timelapse-Sequenz knipste.
Mitten im Montieren hielt plötzlich eine Polizeistreife neben uns und zwei freundliche Gendarmen kamen auf uns zu. Sie waren interessiert am Fahrzeug, an unseren Plänen und an unserer Arbeit, begutachteten alles und gaben uns bereitwillig Auskunft über die geplante Route. Per Telefon wurden wir mit einer Englisch sprechenden Person auf dem Revier verbunden, die klar stellte, dass der Grenzübergang zu Russland, den wir eh nicht passieren wollten, da unser Visum erst ab 1. Mai gilt, geschlossen sei und die letzten Kilometer unpassierbar seien.
Zur Sicherheit gab mir einer der Polizisten die Telefonnummer des Reviers und die Zwei verabschiedeten sich freundlich mit Händedruck nachdem sie uns versichert hatten, dass wir an diesem Platz übernachten könnten. Sie vergassen wohl absichtlich, uns mitzuteilen, dass sich genau hier der lokale Drogenumschlagsplatz befand – kurz nach ihrem Abziehen und während wir im Dorf den dringend benötigten Zucker für unseren Tee besorgten, fuhr ein Minivan vor und ein paar zwielichtige Gestalten wickelten ihre Geschäfte ab. Sie liessen sich durch unser Auftauchen und das Parken des Muni vor ihren Augen nicht stören und sollten an diesem Abend mindestens noch einmal vorbei kommen. Scheinbar ist auch in dieser scheinbar einfachen und in unseren Augen rückständigen Region der Konsum von und der Handel mit Drogen üblich, was uns negativ überraschte. Die herumliegenden Spritzen bestätigten unsere Vermutung.

Der Kauf des Zuckers gestaltete sich relativ schwierig, da ich mich nicht verständlich machen konnte. Die Frauen in den verschiedenen kleinen Läden, die ich fragte, konnten sich alle keinen Reim auf meine Erklärungsversuche machen...erst als ich auf einer Cola-Flasche auf den Inhaltsangaben den Zucker hervorhob, verstand eine mein Begehren. Ich hätte auch selber auf «Sachari» kommen können. Hätten wir Internet, wäre das Problem schnell gelöst gewesen, da Google und translated hätte…;)

Dank des Sonnenscheins konnte ich heute endlich wieder einmal duschen, denn das Wasser im Boiler war heiß.



23. April 2019 | Oni (GE) – Shovi (GE) | 31 km

Eine sehr kurze Etappe stand heute auf dem Plan. Wir fuhren nur von Oni das Tal hinauf so weit wir konnten und wollten an die russische Grenze gelangen, die dort zusammen mit der Grenze zur abtrünnigen Provinz Süd-Ossetien fällt.

Hier hinten im Tal stiessen wir auf viele Hotels und Herbergen, von denen die meisten in einem desolaten Zustand waren. Einige schienen aber auch in Betrieb und dementsprechend gepflegt. Viele der Ruinen waren erst gar nicht fertig gebaut worden – aus welchem Grund erschloss sich uns nicht. Es könnte gut sein, dass sie kurz vor dem Zusammenbruch der Sowietunion begonnen worden waren und dann im Rohbau verlassen wurden.


Frühlingsboten auf 1200 m.ü.M.

Hotelruine aus den 90ern


Sulfatquelle
Am Ende der befestigten Strasse führte eine Naturstrasse weiter, die wir mutig befuhren, aber schon nach wenigen Metern den Rückwärtsgang einlegen mussten, weil sie sehr schmal und von Bäumen beidseits der Strasse überwuchert wurde.
Wir entluden zum ersten mal das Motorrad und Lorenz (ich hatte Angst vor allfälligen Hunden, die mich anfallen könnten) bestieg die BMW und machte sich auf den Weg, die Strasse zu erkunden. Wir hatten vereinbart, dass ich mich nach spätestens drei Stunden zu Fuss auf die Suche nach ihm machen sollte, wenn er nicht zurückkehrte. Die voraussichtliche Strecke betrug höchstens 20 km, was auch bei schlechten Strassenverhältnissen in dieser Zeit hin und zurück zu bewältigen wäre. Auch bei einem kleinen Unfall, wenn er noch hätt gehen können, wäre er in dieser Zeit wieder am Ende der geteerten Strasse.

In der Zwischenzeit startete ich den Generator, um Akkus zu laden, und machte mich auf einen kleinen Fotowalk in der unmittelbaren Umgebung.
Gleich neben unserem Standplatz lag ein kleiner Brunnen, dessen Wasser eine feuerrote Ablagerung hinterliess. Leute aus der Gegend kamen mit Flaschen und füllte sie auf und tranken auch gleich ab der Quelle aus Bechern. Das Wasser war leicht kohlensäurehaltig und laut Aussage einer jungen Frau, die Englisch sprach, sehr sulfatreich. Es muss sich um eine Art Heilquelle handeln, die bekannt ist.

Lorenz kam schon nach etwa 45 Minuten zurück und erzählte, dass er gar nicht weit gekommen sei, denn die Strasse sei nur etwas mehr als Kilometer weiter schneebedeckt. Er hatte ein altes Hotel, ganz in Holz gebaut, verlassen und baufällig, gefunden, von dem er ein paar Fotos gemacht hatte. Wie wir später realisierten wurde es offensichtlich von Liebespaaren aus der Gegend für ihre Schäferstündchen genutzt, zumindest fuhr ein junges Paar in einem modernen BMW hinauf und kam erst nach etwa zwei Stunden zurück.

Ich erkundete anschliessend noch ein bisschen die Gegend mit meiner Kamera und fand einen dieser verlassenen, baufälligen Rohbauten, der offensichtlich einmal ein grosses Hotel hätte werden sollen. Swimmingpool, mehrere Stockwerke, grosszügige Anlage...alles total zerfallen und brüchig. Dahinter verbarg sich ein neueres Hotel das scheinbar in Betrieb war, allerdings in der Zwischensaison unbewohnt.

Lorenz bereitete ein feines Mittag-Abendessen zu: es gab mit echten Tomaten angereicherte Päckli-Tomatensuppe mit einem reichhaltigen Salat, dem typischen Weissbrot und einer guten Portion von Valentins Trockenfleisch, das wir so gern haben.

Nach dem Essen entschlossen wir uns, gleich hier zu bleiben, denn es war bereits nach 17 Uhr und die Suche nach einem geeigneten Platz für die Nacht hätte bestimmt bis in die Dämmerung gedauert. Ausserdem standen wir bereits an einem idealen Platz, zwar mitten auf der Strasse, die aber nirgendwo hinführte und allfällig des Weges kommende Fahrzeuge konnten problemlos passieren.
Auf unseren Campingstühlen genossen wir die Abendsonne und zogen uns in den Shelter zurück, als es allzu kühl wurde. Wir spielten ein paar Partien Backgammon, ich entwickelte die Fotos und bereitete einen USB-Stick mit Musik aus meiner iTunes-Library für die Weiterfahrt vor, wir besprachen die morgige Etappe und schnabulierten Kekse mit Schweizer Schokolade, die ich mitgebracht hatte.



24. April 2019 | Shovi (GE) – Shaori Reservoir (GE) | 85 km

Am Morgen, nach dem Frühstück, füllten wir unseren Wassertank mit dem sulfathaltigen Mineralwasser auf. Dazu benutzten wir eine Tauchpumpe und einen langen Schlauch, legten ein Becken unter den Quellaustritt und starteten den Generator für den benötigten Strom. Mit etwas Zirkeln und Ausprobieren gelang es uns, den Wassertransport einigermassen speditiv zu gestalten und füllten rund 300 Liter in den Tank, der halb leer war. Das heisst, wir hatten in den vergangenen zweieinhalb Wochen nur 300 Liter Wasser verbraucht!


Xoff ma Böötle

Nachtplatz am Shaori Reservoir

Nachtaufnahmenexperiment

Ausblick am Morgen

Blick auf Tkibuli
Danach setzten wir uns auf derselben Strecke wie am Tag zuvor zurück nach Oni in Bewegung und nahmen dort in einem Restaurant gleich das Mittagessen ein: Kachapuri, ein mit Käse gefülltes Fladenbrot und Shashlik, die wir von den Fotos draussen ausgewählt und der Wirtin mit Gestikulieren und Mimik verständlich gemachten hatten. Drinnen war es kalt, so dass wir das Warten auf unser Essen – sie warfen extra für uns die Küche und den Grill im Hof an! - draussen beim Gespräch mit interessierten Männern und einer Zigarette verbrachten. Mit Hilfe von Tante Google, die einer der Männer auf seinem Handy hatte, konnten wir uns einigermassen verständigen. Der Gesprächsinhalt war vor allem technischer Natur: sie wollten allerlei über unser Fahrzeug wissen. Einer der Männer war bei der Grenzpolizei und versicherte uns, dass der Grenzübertritt nach Russland am grossen Grenzübergang nördlich von Tiflis kein Problem sein würde.
Das Essen war sehr lecker und wir machten uns gestärkt auf den weiteren Weg.

In Ambrolauri kauften wir in einem «Market» und an diversen kleinen Ständen und in einer Bäckerei ein und fuhren weiter Richtung Tkibuli. Am Ortsausgang besuchten wir die Feuerwehrstation.

Die Strasse über den Höhenzug südlich von Ambrolauri stieg steil an und oben machten wir gegen halb sieben an einem Stausee Halt für die Nacht. Der lauschige Platz war wieder menschenleer und ich konnte erstmals mein Modellboot hervorholen und ein paar Runden drehen. Da gleich neben unserem Standplatz ein grosser Wassereinlauf lag, der einen reissenden Bach in den See produzierte, war das Spielen besonders lustig.
Nach Einbruch der Nacht versuchten wir uns in Nachtfotografie und Lichtmalerei, was sehr lustig war und erstaunlich gute Resultate erbrachte.



25. April 2019 | Shaori Reservoir (GE) – Tiflis (GE) | 256 km

Das erste Highlight des heutigen Tags war das Frühstück bei schönstem Wetter und absolut blauem Himmel von der Heckklappe des Anhängers. Lorenz hatte die blendende Idee, das Brot, das wir am Vortag in Ambrolauri gekauft hatten, im kleinen Backöfelchen aufzubacken, was es knusprig und warm machte. Dazu gab's Quittenkonfitüre von Elisabeth, Lorenz' Mutter, eine Banane, eine Orange und natürlich meinen unverzichtbaren Schwarztee mit Milch und viel Zucker.

Der Hund, der wie alle Hunde in den vergangenen Nächten, ruhig neben unserem Muni geschlafen hatte, versuchte so mitleiderregend wie möglich auszuschauen, um auch etwas abzubekommen. Aber wir blieben wie auch in der Vergangenheit hart und assen unser Essen selber. Da wäre eh nichts bei gewesen, das einem Hund hätte schmecken können.

Als ich fragte, ob er den Lastwagen mit Anhänger rückwärts aus dem Feldweg fahren wolle, antwortete Lorenz, er nähme jetzt die Handorgel hervor und übe ein wenig, während ich mit dem Muni manövriere. Also setzte ich mich ans Steuer und versuchte, den Muni samt Anhänger rückwärts etwa 100 Meter zu manövrieren, was mir auch leidlich gelang. Das ist gar nicht so einfach und ich musste nur zweimal vorwärts setzen, um den Anhänger in eine Position zu bringen, die es mir ermöglichte, weiter zurück zu setzen.

Danach fuhren wir dem Stausee, an dem wir geschlafen hatte, entlang und trafen an der Brücke, die am Südende über das Wasser führte, einen sehr gut Englisch sprechenden Forstwächter, der dort aufpasste, dass niemand Holz unerlaubt aus dem Wald mitnahm. Er erklärte uns, dass dies ein grosses Problem sei, denn die Leute seien sehr arm in dieser Gegend und würden sich so viel sie konnten aus der Natur holen, was selbstredend schlecht für den Baumbestand und die anderen natürlichen Ressourcen sei. Mit ihm konnten wir sehr gut reden, ihm Fragen stellen und auch ein wenig diskutieren. Er war sehr kritisch eingestellt und liess wenig Gutes an den verschiedenen Regierungen, unter denen er schon in Georgien gearbeitet hatte. Sein Englisch hatte er in den USA gelernt, wo er vor 15 Jahren studiert und gearbeitet hatte.
Laut seiner Ansicht begehe die Regierung den grössten Fehler, indem sie gut ausgebildeten jungen Menschen keine guten Jobs gebe und sie damit quasi zum Wegzug nach Russland oder in andere Staaten zwinge, wo sie gut verdienten und mit allerlei Vergünstigungen geködert würden.

Vom Shaori Reservoir auf rund 1200 m.ü.M. hinab nach Tkibuli, das auf einer Hochebene auf rund 600 Metern Höhe liegt, führt eine gewundene Passstrasse, die ich fahren konnte, nachdem der Wächter uns versichert hatte, dass die Versicherung, die wir an der Grenze im Gegensatz zu den Informationen die wir von den Versicherungsverkäufern erhalten hatten, für beide gelte. Hätten wir das schon früher gewusst, hätte ich auch fahren können. Damit hätte ich Lorenz entlasten können, der bisher den Fahrerjob alleine gemacht hatte.

Von Tkibuli über Zestafoni bis etwa 50 km vor Tiflis fuhr ich. Die Strasse, notabene Hauptverkehrsachse in Ost-West-Richtung ist in einem ziemlich schlechten Zustand, so dass ich immer wieder Schlaglöchern und Bodenunebenheiten ausweichen musste, die unser Fahrzeug mit seinen Blattfedern viel schlechter wegsteckt als die moderneren Lastwagen mit ihren Luftfederungen. Etwa 100 km waren als Autobahn in tadellosem Zustand ausgebaut.

Wir kamen sehr nahe an der Grenze zu Süd-Ossetien vorbei, die an einer Stelle nur wenige Hundert Meter an der Autobahn entfernt verläuft. Es waren aber keine Spuren einer Grenzsicherung oder gar einer Militärpräsenz zu vernehmen.

In Tiflis, wo wir auf der russischen Botschaft Informationen zu befürchteten Schwierigkeiten wegen unserer drei Fahrzeuge in Erfahrung bringen und eine Klassenkameradin von Lorenz aus seiner Gymnasiumszeit besuchen wollen, fanden wir in einem Vorort einen Platz, wo wir den Muni hinstellen und die Nacht verbringen können. Ein einfaches Abendessen und wieder mein obligater Schwarztee mit Milch und viel Zucker schloss den Tag ab.


21. Juli 2019 | Basel | Danke!

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