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Donnerstag, 30. Mai 2019

30. Mai 2019 | Samarkand (UZ) | Amir Timur und Ulug'Bek, zwei grosse Namen

Es war schon um 8 Uhr heiß, als ich in der näheren Umgebung einen Laden suchte um Zucker, Wasser und Zigaretten zu kaufen und einen Tee zu trinken. Im Café, das ich fand, bereitete eine Frau frittierte Spezialitäten zu, die die Einheimischen zum Frühstück assen und mir so kurz nach dem Aufstehen eher Abscheu wegen des Frittierölgeruchs erzeugten. Ich kann mir nun vorstellen, was meine Schülerinnen und Schüler, die morgens um 7.30 Uhr schon nach Frittiertem rochen, wohl zum Frühstück gegessen hatten. Hier trinken die Männer im Café wirklich Kaffee...Nescafé, wohlgemerkt...in Original Nescafé-Tassen. Da ziehe ich den Schwarztee definitiv vor, auch wenn's keine Milch dazu gibt...dafür rühre ich umso mehr Zucker hinein...hihi.

Noch heisser war es, als wir etwas später in ein Taxi stiegen und uns in die Innenstadt mit ihren Sehenswürdigkeiten fahren liessen. Es gibt hier zwei Arten von Taxis: die legalen und die illegalen. Der Preis ist der selbe: 5000 Min Som, was etwa -.65 CHF entspricht. Bei den illegalen werden einfach alle Plätze mit verschiedenen Fahrgästen belegt...Sammeltaxis würden wir sagen. Bei diesen kann eine Fahrt dann auch etwas länger dauern, wobei der Preis ja gleich bleibt.

Gur-Emir-Mausoleum
Wir stiegen beim Gur Emir-Mausoleum aus, das in einem Park liegt, der scheinbar in kürzester Vergangenheit angelegt und gestaltet wurde. Zumindest liess die Anlage das vermuten, denn die Wege waren ganz frisch asphaltiert und die Grünflächen saftig grün mit einem satten Rasenteppich bewachsen und gut gepflegten Bäumen bepflanzt.

Das Reich Timurs
Das Mausoleum ist dem grossen Herrscher Timur oder Temur ibn Taraghai Barlas (auch bekannt unter dem Namen Tamerlan, was von «Timur der Lahme» kommt. Dieser Name, den er im Arabischen trägt, rührt von der Lähmung, resp. Immobilität seiner rechten Extremitäten, deren Ursprung von Verwachsungen am Knie und an der Schulter sowie einer Pfeilverwundung an der rechten Hand kommen) gewidmet, der von 1336 bis 1405 gelebt und ein riesiges Reich erobert hatte, dessen Zentrum Samarkand war. 1394 erstreckte sich sein Reich überTeile des heutigen Iraks mit Bagdad,denIran,Aserbaidschan,Usbekistan,Armenien,Georgien, Syrien und dieTürkei.Vier Jahre später eroberte er Delhi. 1402 besiegte er das osmanische Heer vernichtend und erlangte auch in Europa Berühmtheit.

Keramikornamente überall
Er hatte sich auf die Fahne geschrieben, das Reich Dschingis Khans (13. Jahrhundert) wieder aufleben zu lassen und wieder herzustellen. Deshalb nannte er sich selber «Gurkani», was Schwiegersohn bedeutet und darauf hinweisen sollte, dass er eine Nachfahrin von Dschingis Khan geheiratet und sich somit in die Familie des grossen Herrschers eingefügt hatte.
Auf seinem letzten Feldzug gegen das Kaiserreich China in der Ming-Dynastie verstarb er aber schon in der Stadt Shymkent nach einer durchzechten Nacht wohl an einer Alkoholvergiftung. Als Herrscher war er brutal und tyrannisch, zeichnete sich aber auch als grosser Kunst- und Literaturförderer aus.

Innenraum des Mausoleums
Das Mausoleum gilt als das herausragendste Beispiel der sogenannten doppelschaligen Kuppel, die von den Timuriden entwickelt worden war. Es war schon vor dem Tod Timurs in Auftrag gegeben worden und ursprünglich für dessen Lieblingsenkel Muhammad Sultan gedacht, der 1402 in der Schlacht von Angora gefallen war. Es war Vorbild für die Grabmäler Humayuns in Delhi und den Tadsch Mahal in Agra, die von den grossen Moguls, den Nachfahren Timurs, später erbaut worden sind.





Stalaktitbogen am Eingangsportal
Das Gebäude ist von Aussen sehr imposant und besticht durch seine farbigen Fliesen und die kunstvoll geformte Kuppel. Im Innern ist Timurs Sarkophag aus dunkelgrünem Nephrit-Stein neben den Grabstätten anderer Familienmitgliedern und wichtigen Persönlichkeiten aus dem Umfeld des Herrschers platziert, darunter der wenig erfolgreiche Herrscher und herausragende Wissenschafter Ulug'Beg, nach dem ein Asteroid und ein Mondkrater benannt sind und der das berühmte Observatorium von Samarkand sowie eine der drei Medresen am Registan, den ich weiter unten beschreibe gegründet hat. Er berechnete mit zwei Kollegen das siderische Jahr mit einer Abweichung von nur 58 Sekunden zum heute geltenden Standard!

Es wurde nach dem 2. Weltkrieg von russischen Fachleuten restauriert und erstrahlt heute nach weiteren Restaurationen in grossartigem Glanz.

der Registan-Platz

Ulug'Bek-Madrasa
Von diesem Mausoleum ist es ein nur wenige Minuten dauernder Fussmarsch bis zum Registan, einem der schönsten Plätze Mittelasiens. Dieser grosse Platz war das Zentrum des antiken Samarkand und ist auf drei Seiten von den schönsten Gebäuden eingegrenzt, die ich je gesehen habe. Die drei Medresen, Schulen für islamische Wissenschaften, wurden Anfang 15. und Anfand und Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut. Die älteste, die links auf dem Platz stehende Ulug'bek-Madrasa war im 15. Jahrhundert eine der angesehensten Universitäten in der gesamten muslimischen Welt. 

Blick in einen der Innenhöfe
Wie die drei anderen besteht sie aus einem zweistöckigen Gebäude um einen grossen Innenhof. Darin befinden sich eine Moschee, Lehrräume und die kleinen Zimmer der Studenten, die heute zum grössten Teil als Verkaufsräume für Souvenirs, Stoffe und allerlei andere Waren sowie Cafés und Imbissstuben dienen. Einige sind «original» eingerichtet und sollen einen Eindruck von der ursprünglichen Nutzung vermitteln. 






kunstvolle Verzierung von Minarett und Kuppel
Besonders bemerkenswert ist die Gestaltung und Verzierung der Moschee, deren Stalaktitbogen, Wände und Decken mit goldenen Kacheln ausgestaltet sind und ein wunderbares warmes Licht erzeugen. Ornamente und kaligrafische Schriftzüge, Reliefschriften und kunstvoll gearbeitete Keramikbänder fügen sich zu einem überwältigenden Gesamtbild zusammen und liessen mich ehrfürchtig verharren.






Innenhof mit Baumbestand
Die Innenhöfe von zwei der drei riesigen Gebäude sind mit schattenspendenden Bäumen bepflanzt, wo sich heute die Touristen in Ruhe auf Bänken der umwerfenden Schönheit widmen können.










Gärtnerinnen vor imposanter Kulisse
Wie muss es sich wohl angefühlt haben, in einer der drei Universitäten studieren zu können oder dürfen! Ob die Studenten die gleiche – oder gar noch eine grössere! - Begeisterung empfanden, die ich heute gefühlt habe, als ich voller Ehrfurcht und Freude durch die Portale, die Korridore, die Innenhöfe, unter den goldenen Kuppeln und in die kleinen, engen Wohnräume geschlendert bin?






Moschee in einer der Medresen
Verkaufsstand in einem Torbogen
Wie haben sich wohl die Handelsreisenden einer Karawane gefühlt, als sie nach vielen Hundert Kilometern durch trockenes, ödes und lebensfeindliches Land plötzlich vor all der Pracht dieser Gebäude standen, ihre röhrenden Kamele um die Last der Handelswaren erleichterten, sie zum Wasser führten und von der Schönheit der Architektur wahrscheinlich schier erschlagen wurden?
Was für eine Ehre muss es für Gelehrte gewesen sein, hier zu dozieren und zu realisieren, dass Schönheit oft unerklärlich und nicht zu begründen ist?

Xoff, der kleine Tourist vor grosser Kulisse
Innenhof der Medrese mit den Tigern
Ornamente überall
Ein wenig verliert das Ensemble an entrückender und verzückender Pracht durch die den Bedürfnissen heutiger Touristenhorden angepasste Umgebung, das oft achtlos erscheinende selfieorientierte Dokumentieren und in einer Erledigungsmentalität vollzogene Abschreiten eines von der Anlage vorgegebenen imaginären Pfads durch Menschen, die wahrscheinlich mit der gleichen wohlkontrollierten Begeisterung durch eine der in unmittelbarer Umgebung geplanten klimatisierten Super-Malls schlendern würden. Natürlich gibt es auch sehr viele BesucherInnen, die den Feinheiten, der herausragenden Schönheit und überhaupt dem im historischen Zusammenhang erstaunlichen Komplex mit ehrfürchtiger und tiefergriffenem Respekt begegnen, auch wenn sie - wie wir - angesichts der drückenden Hitze in Flipflops und Hippie-Shorts daherkommen. Und natürlich konnten auch wir es nicht lassen, vor der zeitlosen Schönheit ein Erinnerungsbild von uns unvollkommenen, unrasierten und vom Stadtbummel verschwitzten Individuen zu machen.
Kuppel-Inneres
zweiter Innenhof
Front mit den Tigern
Raum eins Studenten im 19. Jahrhundert
Verkaufsstand
Im unweit von Registan entfernten Hostel Bahodir, das alljährlich auch einigen Teams der Mongol-Ralley als Unterkunft dient, trafen wir darauf Vreni und Werner aus Nidwalden und Philipp aus Deutschland, die seit wir sie in Tiflis kennengelernt hatten, zusammen mit ihren Motorrädern unterwegs gewesen waren. Im dicht begrünten schönen Innenhof des liebevoll eingerichteten Hostels tranken wir Tee, tauschten uns über die Erfahrungen der vergangenen Wochen aus, besprachen mögliche Gemeisamkeiten der bevorstehenden Route über den Pamir-Highway und ich erhielt Hilfe beim Stellen des e-Visum-Antrags für Tadschikistan. Philipp wird noch weiter acht (!) Wochen in Usbekistan weilen und Vreni und ihr Vater Werner nehmen mit ihren Ducati-Motorrädern – also eigentlich einer Condor mit ihrem Ducati-Motor und einer waschechten Ducati Geländemaschine – die gleichen 1200 km in Angriff wie wir es vor haben.Vorher geniessen wir aber, bis die Bestätigung unserer Visa-Anträge eingetroffen ist, die heisse und lebendige Stadt Samarkand und decken uns mit Lebensmitteln und anderen notwenigen Dingen ein.

Morgen möchte ich einen der grössten Basars Usbekistans besuchen und mir weitere antike Sehenswürdigkeiten ansehen...ich werde wie gewohnt berichten und Euch vielsilbig auf dem Laufenden halten.

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