Voraussichtliche Reisedaten

Dienstag, 21. Mai 2019

21. Mai 2019 | Арал (Aral) (KZ) | 106 km

Das war ein Salztag!

typische Salzpfanne
Angefangen hat der Tag – neben dem Frühstück mit dem obligaten Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker – mit der Fahrt in die Stadt Aral, vorbei an den ersten Salzpfannen. Die gibt es hier – ich habe es schon einmal geschrieben – überall...sie sind ein Zeichen von verdunstetem Wasser, das in dieser Gegend immer rarer wird und sich wohl nur noch bei starkem Regen in den Geländevertiefungen sammelt und dann relativ schnell verdunstet. Viele solcher Vertiefungen weisen leichte Salzspuren in Form von weissen Rändern auf, andere sind komplett weiss wie die hier gezeigte.



Quartierstrasse in Aral
Aral ist eine kleine Stadt, erst 1905 als Fischerdorf gegründet, und hat heute rund 30'000 Einwohner, von denen die meisten in der Industrie und in der Salzgewinnung arbeiten, wenige haben eigene Geschäfte oder Werkstätten. Der Tourismus ist schwach vertreten.
Das war nicht immer so.
Bis vor 40 Jahren war Aral eine Hafenstadt, es hatte eine Werft, eine Fischverarbeitungsfabrik, Russen kamen her um auf dem See Schifffahrten zu unternehmen und die Stadt blühte, obwohl sie nie gross war.
Die Pläne der Sowjets, im Süden Baumwolle sowie Rohstoffe (eine Art Viskose, meinte der weiter unten vorgestellte Shalil) für ihre Raketenantriebe im nur 200 km entfernten Baikonur anzubauen und dafür das Wasser des Aralsees zu nutzen, führten dazu, dass der Wasserpegel immer tiefer sank und ab 1980 der See massiv an Volumen verlor. So sind heute vom Hafen nur noch zwei Kranen, die zerfallene Fischfabrik, ein paar Gebäude und ein leeres Hafenbecken zu sehen. Von See keine Spur. Salzränder und Salzpfannen hat es dafür umso mehr.

Sand- neben der Steinpiste
Durch den Rückgang des Sees blieben die Schiffe einfach irgendwo in der heutigen Steppe liegen – und das wollten wir sehen! Ich kenne Fotos von verrosteten Schiffsrümpfen im Grasland und wollte sehr gern auch solche sehen. Also schlugen wir nach dem dringend notwendigen Geldwechsel die Drittklassstrasse Richtung Жаланаш (Zhalanash) ein, die schon bald in eine Piste überging. Leider war es keine Sand- sondern eine Steinpiste, die sehr, SEHR holprig war und weder langsam noch schnell einigermassen angenehm zu befahren war. Teilweise lag neben der Stein- eine Sandpiste, die aber sehr ausgefahren war und auch nicht besonders komfortabel zu befahren war. Da wir nicht sicher wussten, ob die Strecke, die wir gewählt hatten, wirklich zu Schiffswracks führen würde, kehrten wir nach wenigen Kilometern um und entschlossen uns, erst einmal in Aral Informationen bezüglich der Schiffswracks einzuholen.

In einem einfachen Restaurant, wo wir mangels Russischkenntnissen wieder einmal Mühe mit der Speisekarte hatten, half uns ein anderer Gast in gebrochenem Deutsch und sehr gutem Englisch und bestellte für uns eine Vorspeise und Fisch (der sicher nicht aus dem Aralsee kam). Nach dem feinen Mal sprachen wir ihn an um in Erfahrung zu bringen, wo wir diese Schiffswracks sehen könnten. Er meinte, die Richtung sei gut gewesen...die Piste führe nach etwa 50 km in Жаланаш (Zhalanash) zu ein paar Wracks. Die anderen liegengebliebenen Schiffe seien zum grössten Teil abgewrackt und als Altmetall verkauft worden...das Rohstoff-Sammeln ist hier sehr beliebt wie wir auf der Piste in der Nähe des alten russischen Militärflugplatzes gesehen hatten. Dort hatte es viele Grabungslöcher und zwei Männer waren daran, Eisen- und Stahlschrott, den wahrscheinlich die Russen dort haben liegen lassen (Aluminium liessen sie liegen, weil das nicht viel bringe), aus dem Boden zu holen. Das Gelände sah aus wie die wilden Minen in Cober Pedy (oder wie immer man diesen Ort in Australien schreibt, wo glücksuchende Privatmineure nach Opalen suchen).

Khalil, Lorenz und das Fischermuseum
Der freundliche Amateur-Touristen-Guide hiess Zhalil und bot uns an, uns das Fischermuseum zu zeigen, das gleich neben «seiner» Baustelle eines grossen Hotels liege. Dort könnten wir auch ein paar Schiffe sehen.
Er stammte aus Almati, der kulturellen Hauptstadt Kasachstans, war erst wenige Monate in Aral und genoss es sichtlich, sein gutes Englisch anzuwenden und etwas anderes zu tun als die Baustelle eines neuen Hotels zu leiten. Leider war das Museum geschlossen – es war ja auch Mittagszeit.
Trotzdem bestiegen wir den dort aufgestellten und präsentierten Fischkutter und Zhalil zeigte uns vom Achterdeck aus den ehemaligen Hafen, über den man dort einen guten Überblick hat.
Blick auf den ehemaligen Hafen von Aral
Er meinte auch, dass mitten im See eine Insel gewesen sei, wo die Sowjets ein Laboratorium für biologische Waffen betrieben hätten – die Gegenmittel dazu seien in der Gegend von Aqtöbe hergestellt worden. Von ihm haben wir auch Informationen zum Militärflugplatz, den wir vorher auf der Piste gesehen hatten, erhalten. Heute ist nur noch der Turm sichtbar, auf dem sich immer noch der Radar dreht.
Er wusste auch, dass hier eine Hektare Land etwa 20 US$ kostet, vorausgesetzt es hat Wasser auf dem Land...sonst sei sie nicht so teuer. Der Staat behält sich allerdings vor, allfällige Bodenschätze abzubauen, ausser man verfüge über die Expertise, dies selber zu tun.
Als wir ihn auf das Salz ansprachen meinte er, es gebe ganz in der Nähe eine grosse Abbaustelle, von der er den Direktor kenne und uns sicher einen Besuchstermin organisieren könne. Da dieser telefonisch über Mittag nicht erreichbar war, schrieb er uns Namen und Telefonnummern auf und schickte uns ins etwa 20 km entfernte Жаксыкылыш («Schaksikilisch», heute Aralsulfat), wo die Firma Araltys jeden Tag nach seinen Aussagen 80 Tonnen Salz gewinnt und es direkt vor Ort verarbeitet. Schon vom Dorf aus sahen wir den weissen «See» dahinter, auch im Dorf selber war fast alles weiss vom Salz. Sogar der Sportplatz der Schule war ein Salzfeld!

Fussballplatz im Dorf Жаксыкылыш
Das Dorf Жаксыкылыш ist ausschliesslich von Arbeitern der Salzwerke bewohnt – scheinbar hat Araltys gleich das ganze Dorf mit dem Salzsee zusammen gekauft. Tante Google lotste uns zielsicher zum Verwaltungsgebäude von Araltys, wo wir bis 15 Uhr warteten bevor wir die Belegschaft mit unserem Anliegen, die Salzgewinnung zu besichtigen, behelligten. Bereits an der Eingangstür fragte uns ein Sicherheitsbeamter nach unserem Anliegen und führte uns, nachdem er gesehen hatte, dass wir Namen und Privattelefonnummern von Vize- und Direktor besassen, vor das Zimmer des Vizedirektors, der aber gerade keine Zeit hatte. Die Frage, ob wir Spione seien, beantworteten wir mit einem lauten Lachen und abwinkenden Handbewegungen. Also wurden wir ins Vorzimmer des Direktor geführt, nahmen dort kurz Platz und sassen ein paar Minuten später dem Direktor gegenüber, der leider unser auf Englisch vorgebrachtes Anliegen nicht verstand, uns aber nach einem kurzen Telefonat mit Shalil, unserem Kontaktmann in der Stadt, die Erlaubnis erteilte, das Abbaugebiet zu sehen. Die Verarbeitung in der Fabrik könnten wir jedoch nicht anschauen, denn er könne nicht wissen, was wir mit den Informationen machten. Die Fabrik interessierte zumindest mich nicht wirklich...Verpackungsmaschinen, Salzsäcke am Fliessband und solches Zeugs weckt in mir kein grosses Interesse, zumal solche Prozesse auf der ganzen Welt in etwa gleich sind.

Fahrer, Газ und Xoff auf Salz
Er rief einen Sicherheitsangestellten, den er uns für den Ausflug zu den Salzfeldern zur Seite stellte, und Lorenz überreicht ihm ein Saggmässer, das er promt mit einem Gegengeschenk, einer Agenda und einem exklusiven Kugelschreiber für jeden von uns, beantwortete. Wir verabschiedeten uns mit dem typischen besonders herzlichen Händedruck, bei dem der «mächtigere», also er, dem anderen mit der linken Hand den Händedruck umschliesst und stiegen zu unserem Fahrer und Sicherheitsbeamten in den geländegängigen Газ, einen Lada-ähnlichen Jeep-Verschnitt, und brausten los. Der sehr freundliche pensionierte ehemalige Polizist chauffierte uns über eine Piste, über Salzfelder und holprige Strassen etwa 10 km weit zum Abbaugebiet. Unterwegs rief er seinen Sohn, einen Englischlehrer, mitten im Unterricht an um ihn mit Lorenz reden zu lassen, da er selber fast kein Englisch sprach.

Salz, 1,5 m dick
Wir kamen nach kurzer Fahrt an einem unwirklichen Ort mitten im Weiss eines riesigen Salzsees an, wo auf einer kleinen Anhöhe ein paar Hütten, ein zerlegter Bagger, ein Lastwagen und diverses Material standen. Angestellte schauten uns verdutzt nach als wir mitten auf das Weiss fuhren, ausstiegen und ich Fotos zu schiessen begann, während unser Fahrer (wir haben seinen Namen nicht erfahren...haben allerdings auch nicht danach gefragt..wie dumm!) erklärte, dass die Salzschicht hier rund anderthalb Meter dick sei und ein grosser Fräser diese abtrage und dann in die bereitstehenden Eisenbahnwagen befördere. 


Eisenbahnlinie auf Salz
Das Salzfeld sei noch 40 km weit genauso dick – also können sie noch viele Jahre hier Salz abbauen. Und es gebe noch viele solcher Salzfelder in Kasachstan...dieses ist verkehrsmässig sehr günstig gelegen. Gewerbsmässig wird hier seit 75 Jahren Salz gewonnen – zu Beginn noch von Hand und mit Kamelen als Transportmittel. Heute werden Eisenbahnschienen direkt auf's Salz verlegt und der ganze Prozess ist mechanisiert.

Das Salz schmeckt sehr gut – und ist erstaunlicherweise sehr salzig...hihi.




Salzimpression mit Spuren

Besonders beeindruckend waren für mich kleine Orkane, die in der Ferne Salz-Säulen-Windhosen in den Himmel haben aufsteigen lassen. Die besonders schönen dieser Windhosen sahen wir während der Fahrt zum Salzfeld, deshalb konnte ich sie nicht fotografieren.

Muni vor Hotelneubau
Nachdem wir zum Firmensitz im Dorf zurückgefahren worden waren, fuhren wir zurück nach Aral, wo wir es mit den Museen noch einmal versuchen wollten und parkten den Muni direkt vor Shalils Hotelneubau. Das Fischermuseum war leider immer noch geschlossen und auch mit Klopfen an Tür und Fenstern hatten wir keinen Erfolg und gingen zum Historischen Museum nur wenige Strassen weiter. Hier hatten wir Erfolg und konnten die Exponate bestaunen. Neolithische Steinklingen, Versteinerungen, verschiedne Exponate aus kürzerer Vergangenheit wie Utensilien der nomadischen Kasachen, typische Schmuckstücke und ein kleines Silberschmied-Atelier, eine Jurte, Wassersäcke, Steinmühlen und vieles mehr.
Ausstellungsraum im Historischen Museum
Ein grosser Teil der Ausstellung war den Persönlichkeiten der Region gewidmet, auch die politischen Kreise waren in Personenkult-ähnlicher Manier präsentiert und natürlich durften die Helden aus Kriegen, Freiheitskämpfen, Raumfahrt, Wirtschaft, Geschichte, Fischerei und Industrie nicht fehlen, wie auch die wichtigen Köpfe der kasachischen Geschichte bis hin zum eben abgetretenen Präsidenten Naserbajew waren grossflächig ausgestellt.





Kasachische Fauna
In einem letzten Raum stand, hing und lag die kasachische Fauna ausgestopft oder in Formaldehyd eingelegt herum...leider in keinem sehr guten Zustand.

Überhaupt war die gesamte Ausstellung moderner Museumspädagogik nicht genügend und hätte seit längerem eine Auffrischung nötig, was mit einem Eintrittspreis von 100 Tenge (ca. 12 Rappen) selbstredend nicht finanziert werden kann, zumal wir wahrscheinlich am heutigen Tag die einzigen Besucher waren.
Der Besuch hat sich aber meines Erachtens sehr gelohnt, vermittelte er mir doch ein Bild der Art, wie Geschichte hier betrachtet wird ohne dass ich viel von den Beschriftungen in russisch/kasachisch verstanden hätte.

Als wir auf dem Weg zurück zum Muni an einem Fussgängerstreifen warteten kam ein kleiner Junge – er war vielleicht 6 oder 7 Jahre alt – und streckte uns wortlos die Hand zum Gruß hin, welchen wir natürlich herzlich erwiderten. Er strahlte und ging seines Wegs. Mir hüpfte das Herz vor Freude – so süss!

Wir entschlossen uns, die Stadt zu verlassen und uns einen Platz zum Übernachten zu suchen. Da war es bereits 18 Uhr und angesichts der rund 200 km langen Distanz bis zur nächsten grösseren Ortschaft beschlossen wir, auf einen Lastwagenplatz gleich in der Nähe zu fahren. So können wir unser Fahrzeug in einem geschützten Rahmen hinstellen. Die Variante wäre gewesen, irgendwo im Nirgendwo ein paar Kilometer auf einer Piste von der Strasse weg zu fahren, denn hier in der wüstenähnlichen Steppe gibt es keinen Schutz vor Blicken von der Strasse her und man ist überall ausgestellt – nach der unschönen Erfahrung in Wolgograd, die uns immer noch ein wenig im Nacken sitzt, wollten wir unser Glück nicht herausfordern und zogen es vor, dort zu schlafen wo wir uns sicher fühlen.

Wir haben heute übrigens die 9000 km-Marke auf unserer Reise überschritten!

Wir wurden mit einem schönen Sonnenuntergang belohnt und genossen ein einfaches aber feines Abendessen im Restaurant der Raststätte.




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