Voraussichtliche Reisedaten

Mittwoch, 8. Mai 2019

7. und 8. Mai 2019 | Stepantsminda (GE) - Владикавказ (Wladikawkas) (RU) – Георгиевск (Georgiyevsk) (RU) | 55 km – 258 km

Als ich am Abend des 6. Mai auf meinem Abendspaziergang durch Stepantsminda war und von einer Regenfront (wen wundert's?) überrascht wurde, flüchtete ich in Shorena's Bar und ass dort das Abendessen, das ich eigentlich im Shelter zubereiten wollte. Der Chef de Service und eine seiner Mitstreiterinnen, die mich ins Herz geschlossen hatte, begrüssten mich freudig und zeigten mir stolz wie Bolle die neue, auf etwa siebenhundertgrämmigem Hochglanzkarton gedruckte Karte mit vielen Bildern und – wie ich später herausfinden sollte – unverschämt hohen Preisen. Bereits auf der ersten Seite entdeckte ich in der englischen Übersetzung Fehler, so war z.B. das Wort «Hauptgericht» mit «Mine Meal» statt «Main Dish» übersetzt. Ich werd' den Lehrer in mir wahrscheinlich Zeit meines Lebens nicht los und triggere immer auf die Fehler. Das ist nicht nur für meine Umwelt schwierig, sondern macht auch mir manchmal echt Mühe. Ich unterliess es tunlichst, sie auf die Fehler aufmerksam zu machen.
Leider klappte an diesem Tag einiges in der Küche nicht, so dass die Chefin, eben Shorena, hinten bei der Küche ein Machtwort sprechen musste, das ich beim Rauchen nach dem Essen mitbekommen habe ohne ein Wort zu verstehen. Der Tonfall war jedoch unmissverständlich.

Anhänger aufladen
Kaum war ich zurück im Muni und hatte eben begonnen, in dem tollen Buch «Atlas eines ängstlichen Mannes», das mir der Rektor meiner Schule zum Abschied geschenkt hatte (ob er mich so ängstlich eingeschätzt hatte oder ob er es mir wegen seiner offensichtlichen Qualitäten geschenkt hat, weiss ich nicht) zu lesen, da fuhren auch schon Lorenz, Zurab, der Vater, und ein Freund mit dessen Abschleppwagen vor und wir luden den Anhänger samt Motorrad auf, zurrten alles fest und machten ein Siegesfoto. Es war schon kurz nach 22 Uhr und Lorenz beschloss, die beiden nicht mit dem lottrigen Auto und dem aufgeladenen Anhänger in stockdunkler Nacht über den Pass nach Tiflis zurückfahren zu lassen, sondern sie zu einem Abendessen und einer Hotelübernachtung einzuladen. Aber das erzählte er schon selber. Meine Idee, sie ins Shorena's zu führen, brach Zurab ab als er die Preise sah. So gingen wir in ein anderes Resto, das aber auch keine Begeisterungsstürme bei den beiden hervorrief, was ich aus ihrer steinernen Mine schloss.

Adieu Anhänger, adieu Motorrad
Die Nacht, in der Vorfreude auf unsere Abreise am nächsten Tag, war kurz und das erste Aufwachen, als Lorenz die beiden Anderen verabschiedete, sehr angenehm. Nach unserem Frühstück – natürlich mit meinem obligaten Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker – machten wir uns reisefertig, legten alle notwendigen Dokumente für die Ausreise aus Georgien und die Einreise in Russland griffbereit und fuhren los. Ein bisschen mulmig war es mir schon, aber das war vollkommen unbegründet, denn wir flutschten regelrecht über die Grenze.



Welcome in Russia
Erleichtert und mit der notwendigen Versicherung für das übriggebliebene Fahrzeug für ein ganzes Jahr in Russland ausgerüstet tuckerten wir auf dem russischen Teil des «Georgian Military Highway», der ennet der Grenze in einem viel besseren Zustand war, gen Wladikawkas. Die rund 50 Kilometer waren zügig geschafft und wir fanden – einmal mehr – einen perfekten Standplatz nahe des Stadtzentrums. Dass wir dabei mindestens ein Dutzend Lastwagenfahrverbote missachteten will ich gar nicht erwähnen. Diese Fahrverbote wären in der Schweiz für uns kein Problem, da sie sich nur auf Lastwagen zum Sachentransport beziehen...wie die Lage hier in Russland ist haben wir aber noch nicht in Erfahrung bringen können.

Die erstenKilometer in Russland
Auch der erste Versuch, etwas in einem russischen Restaurant zu essen, gelang auf Anhieb obwohl die Serviertochter und wir uns verbal überhaupt nicht verstanden. Wir zeigten einfach mit dem Finger auf die uns lecker erscheinenden Speisen und erhielten neben der Limonade – wie sich herausstellte ein sehr süsser Erdbeer-Sirup – zwei tolle Salate.

Wladikawkas in Farbe
Ich machte mich danach auf eine Erkundungstour durch die Stadt, die sehr schön hergerichtet und geschmückt war. Die gusseisernen Brückengeländer und andere Verzierungen waren farbig angemalt und viele der Gebäude scheinbar in jüngster Vergangenheit zumindest aussen ebenfalls farbig gestrichen worden zu sein. Ein wenig erinnerte es mich an Schweden, wo ebenfalls eine grosse Farbenvielfalt in den Ortschaften anzutreffen ist.
Wladikawkas ist berühmt für seine Fussgängerzone, eine der ältesten in der ehemaligen Sowietunion. Aber auch die Promenade entlang des Terek, des Flusses der oberhalb Stepantsmindas entspringt, ist sehr schön gestaltet und zeugt von der alten Tradition des Flanierens in dieser Stadt. Die bewaldete Uferzone, mit Gras und vielen Tulpen zwischen den Bäumen, wird rege benutzt und die Menschen treffen sich dort zum Plaudern, zum Sein, um sich zu treffen und wohl auch einfach um auszuspannen.
Leider war die leuchtend blaue Kirche nicht offen, so dass ich sie nur von Aussen fotografieren konnte. Und die beiden Sicherheitsmänner, die vor einer anderen Kirche mit alten Uniformen und noch älteren Kalaschnikows aufpassten wollten gar nicht fotografiert werden...aber das hatte ich eigentlich gar nicht anders erwartet. Ein tolles Foto hätte es bestimmt gegeben.

an der Uferpromenade

Park an der Uferpromenade

Tulpen an der Uferpromenade

blaue Kirche, die leider geschlossen war

seltsame Architektur auch hier

Strassenkunst - wer gewinnt?

Kirche ohne Wachpersonal

Inneres der Kirche, wo ich das Wachpersonal nicht fotografieren durfte

im Kinderparadies
In der Nähe der Uferpromenade befindet sich eine Art Vergnügungsviertel für Kinder mit einem Riesenrad, das gerade in Revision war, einem schönen Karussell, einer ulkigen Unterseeboot-Bahn und vielen leuchtend farbigen kleinen Fahrgeschäften. Dort scheinen Mütter und Grossmütter mit ihren Kleinen die Freizeit zu verbringen – auch viele junge Russen flanieren gern durch dieses Gebiet, wo sie Imbissstuben und Restaurants frequentieren.





Kinder- und Mütterparadies


















Fussgängerzone
viel zu viel Platz in der Fussgängerzone
Fussgängerzone mit Tram
Der echte Hammer ist aber besagte Fussgängerzone! Eine sehr breite Strasse mit einem mit Bäumen und vielen Blumen besetzten Grünstreifen, auf dessen beiden Seiten uralt anmutende Strassenbahnen auf lottrigen Geleisen versuchen, nicht aus der Bahn geworfen zu werden, ist vollkommen autofrei. Eigentlich ist der verfügbare Platz zu dieser Jahreszeit viel zu gross, so dass die Menschen, die sich darauf aufhalten, fast ein wenig verloren erscheinen. Es herrscht eine friedliche, schöne Stimmung und die vornehmlich jungen Leute sind gut drauf, lachen viel, palavern und geniessen das schöne und erstaunlich warme Wetter.
































Wandmalerei in der Unterführung
Am Abend gingen Lorenz und ich in einer Seitenstrasse dieser Fussgängerzone im «Wish You Were Here» essen, das ganz auf Pink Floyd ausgerichtet ist und überall mit Memorabilita der grossen Popgruppe dekoriert ist. Hier half uns Tante Google mit Übersetzen und wir bestellten Rinds- und Geflügelstroganov mit Kartoffeln an einer Pilz-Rahm-Sosse. Das belgische Bier – sie scheinen keine Bierbrauer zu sein, die Russen – schmeckte vortrefflich und ich fühlte mich richtig gut.




Onkel Lenin am Abend


8. Mai 2019 Wladikawkas (RU) – Georgiyevsk (RU)

Heute ging's dann weiter. Nach ein paar Worten mit den Arbeitern der Grossbaustelle hinter unserem Standplatz warfen wir den Muni an und brausten auf perfekten Strassen Richtung Norden. Die Gegend, vor ein paar Jahren mit dem Tschetschenienkrieg, dem Massaker von Beslan, das wir nur um wenige Kilometer umfuhren, und einigen anderen Krisenregionen noch in aller Munde und als gefährlich eingestuft, bietet weite, grüne und fruchtbare Landschaften, sehr gute Verkehrsbedingungen und äusserst freundliche Menschen.

Wie erwartet begann jetzt die Zeit der Polizeikontrollen. Wir begannen deshalb, Buch zu führen über deren Häufigkeit – heute wurden wir zwei Mal angehalten, weil die Beamten unser Fahrzeug genau sehen wollten ohne die Kontrolle unserer Ausweise oder der Zulassung des Fahrzeugs auch nur in Betracht zu ziehen. Einmal aber wurden wir herausgenommen und mussten unseren Muni verlassen und uns in sicherem Abstand aufhalten, damit sie mit einem Röntgengerät der Superklasse das Fahrzeug scannen konnten. Was sie genau suchten wissen wir nicht, nehmen aber an, dass es um versteckte Menschen, Waffen oder Sprengstoff geht, was wir alles logischerweise nicht mitführen. Alle Beamten waren sehr freundlich und hatten grosse Freude an den zwei Reisenden aus «Schwyzaria», die durch ihre Gegend fahren und noch so weit reisen wollen.

heutiger Standplatz
Der Standplatz für die Nacht von heute fanden wir an der Strasse Richtung Elista: ein schrottplatzähnliches Grundstück, wo wir den dort Anwesenden Russen fragten, ob wir eine Nacht bleiben dürften, was er uns bereitwillig zugestand...wir stehen hinter den Bergen von Metall, alten Lastwagen, Masten, Karren und allem möglichen anderen Schrott, werden allerliebst von vier Hunden bewacht, von denen mich einer, der grösste, schon ins Herz geschlossen und hat genossen die Abendsonne.





neuer Freund?
Jetzt sitze ich im Campingstuhl, einer «Hardeggerperle» Krauchtaler Bier mit Eiswürfeln – ja, wir haben heute zum ersten Mal die Eismaschine angeworfen, die ich besorgt hatte! - und einem kleinen Snack auf dem Campingtisch und dem Computer auf dem Lap und schreibe diesen Blog...wie grossartig ist DAS denn!

















Farbenspiel am Nachtplatz

Blech und Stahlseil neben Muni

Schrottromantik in Schwarzweiss






















































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