Entgegen unseres Vorhabens konnten wir heute in Ermangelung des notwendigen Sonnenscheins für die Trocknung keinen Waschtag einschalten, sondern nahmen den Weg Richtung Актобе in Angriff – natürlich nicht ohne unser Frühstück mit dem obligaten Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker für mich…;)
Über die lange Strecke von über 450 km, die alle ich am Steuer gesessen habe, gibt es nicht viel zu sagen. Die Strasse war in kasachischer Präzisionstradition perfekt und das Land typisch kasachisch flach mit der etwa immergleichen Vegetation.
Soweit die Kurzzusammenfassung – aber ich wäre nicht ich, könnte ich nicht einiges erzählen von den kleinen Unterschieden, ein paar Besonderheiten angereichert mit einigen persönlichen Gedanken.
Kasachische Steppe, Kalkberge und der typische Himmel |
Zuerst möchte ich bemerken, dass sich die Verkehrsteilnehmer entgegen unserer Befürchtungen sowohl in Russland als auch und vor allem in Kasachstan sehr genau an die Regeln und die Beschilderung halten. Sie fahren alle sehr diszipliniert und gelassen – kein Hupen, kein ungeduldiges Benehmen, kein Händeverwerfen und Kopfschütteln. Es ist um einiges angenehmer hier zu fahren als zu Hause in der Schweiz. Das hätte ich nicht gedacht und bin immer wieder sehr positiv überrascht. Es gibt auch sehr wenige Verkehrsunfälle, jedoch stehen immer wieder Autos am Strassenrand, Männer bücken sich über den Motorraum oder schrauben an einem Rad, oft liegen Reifen oder ganze Räder am Strassenrand...das sind meist die Folgen der unbefestigten Nebenstrassen, denke ich. Auf den Parkplätzen an den grossen Überlandstrassen finden sich meist Rampen, die man benutzen kann um unter das Fahrzeug zu schauen und allfällige Schäden zu begutachten oder zu reparieren...so eine muss ich morgen fotografieren und im Blog zeigen.
Ausserdem habe ich das Gefühl, dass die wenigsten Fahrzeuge hier Serviceheft-gepflegt sind und es oft an der notwendigen Wartung mangelt. Auch sind viele Fahrzeuge um einiges älter als bei uns, denn die Leute können es sich nicht leisten, immer wieder neue Fahrzeuge zu kaufen. Hier wird ein Auto quasi totgefahren bevor ein neues Gebrauchtes gekauft wird.
Eine weitere Besonderheit der grossen Überlandstrassen, die ich noch fotografieren muss, ist dass seitlich etwa 20 m neben der Trasse immer ein rund 4 m breiter Streifen gepflügt wird. Dahinter ist oft ein recht breiter Streifen mit Bäumen bepflanzt, die leider nicht an allen Stellen gedeihen. Wozu dieser Streifen jedes Jahr frisch gepflügt wird, haben wir noch nicht herausgefunden. Vielleicht finden wir jemanden, der uns das erklären kann.
Die Landschaft ist natürlich längst nicht so eintönig wie eingangs geschrieben! Aber sie ist weit. Sehr weit! Bis zum Horizont erstreckt sich ein leicht hügeliges Terrain, das von grün-saftig bis braun-staubig wechselt und oft ist die meist rotbraune Sanderde zu sehen. Nur in Agglomerationsnähe finden sich Felder, die dann aber riesig sind. Einmal sind wir an einem Feld entlang gefahren, das mehr als 10 km entlang der Strasse in einem Stück lag – die Breite liess sich nicht abschätzen, da in der Ferne kein Ende in Sicht war. Zwei massive Traktoren, die auf dem immensen Stück Land verschwindend klein aussahen, bearbeiteten den Untergrund und brauchten bei dem Tempo, das sie drauf hatten, bestimmt mehrere Stunden für eine Reihe mit dem Pflug. Entsprechend gross sind dann auch die immer wieder sichtbaren Kornspeicher.
Diese Weiten, diese scheinbar unendlichen Flächen, die zum grössten Teil nicht genutzt werden, weil sie weitab jeglicher Infrastruktur liegen, weil sie wahrscheinlich nicht fruchtbar genug sind und weil zu wenig Wasser vorhanden ist um sie urbar zu machen, sind eigentlich eine Verschwendung! Kasachstan besitzt sehr viele Rohstoffe, die abgebaut werden und dem Land grossen Reichtum bringen – aber all diese Flächen, die einfach da liegen, kommen mir, der ich aus einem Land komme, wo es viel zu wenig Platz hat, wie ein Hohn vor. In der Schweiz werden steile Berghänge beackert, hier liegt das Land einfach da und schlummert vor sich hin. Wir drängen uns in den Städten zusammen und hier wäre genügend Platz vorhanden. Es ist wie mit vielen anderen Dingen auf der Welt: die Verteilung ist das Problem. Wovon es am einen Ort zu viel hat, mangelt es am anderen. Das wird mir hier besonders bewusst.
Auffallend ist, wie viele Greifvögel neben den auch hier zahlreichen Krähen von der Strasse aus zu sehen sind. Darunter sind sehr viele Falken, die immer wieder in Luftkämpfe mit den Schwarzröcken verwickelt sind. Aber auch grössere Greifvögel sind sehr oft zu sehen, die aber weder den bei uns vorkommenden Bussarde noch den Milanen gleichen. Vielleicht schaffe ich es einmal, einen zu fotografieren...wozu ich allerdings einige Zeit auf der Lauer liegen müsste, da sie jeweils wegfliegen wenn man anhält.
Heute morgen, als ich aufgestanden und ein paar Schritte um unseren Muni gemacht habe, sind zwei Kaninchen keine 5 m an mir vorbei gerannt...sie kamen mir sehr gross vor und waren eher grau denn braun. Leider hatte ich meine Kamera nicht zur Hand und wäre wahrscheinlich auch nicht schnell genug gewesen, sie zu fotografieren.
Kalkberge etwas grösser |
Etwa auf halber Strecke kamen wir an einer weissen Hügelkette vorbei, die aus dem Grün der Steppe hervorstach und einen schönen Kontrast bildete zur Ebene. Sehr gerne wäre ich näher heran und hätte in dem Gebiet zu Fuss bessere Foto-Standorte gesucht, aber es führte keine Piste dorthin und wir hätten wahrscheinlich einen halben Tag dran geben müssen. Mit unserem grossen Gefährt ist das Erkunden von Orten abseits der grossen Strassen nicht so einfach wie ich es mit dem PW oder dem Motorrad gewohnt bin und so fahren wir leider oft an Orten vorbei, die bestimmt grossartige Sujets abgeben würden. Meine Lust und Freude an solchen Expeditionen deckt sich leider nicht mit der Art unserer Reise und mir ist nicht wohl dabei, wenn ich auf Erkundungstour gehe und Lorenz muss beim Fahrzeug warten. Das Fotografieren ist ein ziemlich einsames «Geschäft» und ich fühle mich nicht frei, wenn jemand warten muss..dann komme ich in einen Stress und das ist den Fotos und meiner Stimmung nicht zuträglich. Es gäbe jedenfalls trotz vermeintlicher Eintönigkeit in diesem Land einige lohnenswerte Landschaftsfotosujets.
Polizeieskorte zum Lastwagenparkplatz |
Leider fanden wir heute kein so lauschiges Plätzchen für die Nacht wie gestern, sondern mussten uns in Aqtöbe einen Ort suchen, resp. wurden von einem freundlichen Polizisten zu einem Lastwagenpark eskortiert.
unser Platz für die Nacht |
Hier ist es zwar alles andere als romantisch und schön ist es auch nicht – aber Lorenz hatte endlich Gelegenheit, mit ein paar türkischen Chauffeuren Backgammon zu spielen, was mit mir nicht so viel Freude macht, weil ich fortgeschrittener Anfänger und deshalb für ihn keine Herausforderung bin. So machte ich mir mit den Resten der Tomatensosse von gestern feine Doioioings, einen Krug Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker und genoss einen Abend allein im Shelter.
Abschliessend möchte ich noch einen Nachschlag zum Bericht von gestern geben: ich bin einem (fast) lebenslangen Irrtum aufgesessen und meinte bisher, die Grenze zwischen Europa und Asien werde vom Ural-GEBIRGE bestimmt...dabei ist es der Ural-FLUSS. Ich möchte insbesondere alle Schülerinnen und Schülern um Verzeihung bitten, denen ich diesen Mist mit voller Überzeugung erzählt habe!
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