Dieser Tag fing mir Crêpes, Griesbrei und Schwarztee zum Frühstück an. Wir beschlossen am Frühstückstisch, wie ursprünglich geplant nach Samarkand in Usbekistan und dann nach Duschanbe in Tadschikistan zu fahren, um dort den Pamir-Highway nach Osh in Kirgistan zu nehmen (auf diese Strecke mit Pässen auf über 4000 m.ü.M. freue ich mich besinders!) – danach checkten wir aus dem Hotel aus und liessen uns von einem verkappten Formel1-Pilot zum Lastwagenparkplatz chauffieren. Tante Google bewies mit ihren Mappen, dass er den kürzesten Weg dorthin genommen hatte...etwas anderes hatte ich eigentlich nicht erwartet. Für die rund 20 minütige Fahrt berappten wir rund CHF 1.50 – allerdings dürfte derFahrer mit seinem Auto in der Schweiz keinen Meter weit fahren...es war in einem für europäische Verhältnisse himmeltraurigen Zustand.
Wassertank befüllen |
Nachdem das Gepäck verstaut, das Fahrzeug abfahrbereit gemacht und der obligate Rundgang inkl. Ölstandskontrolle vollzogen war, setzte ich mich ans Steuer und rollte zu den Männern, die gerade den Platz wässerten (ein heisser, staubiger Tag stand offensichtlich bevor) und füllte unseren Wassertank auf, der zu drei Vierteln leer war. Das Wasser schien in Ordnung zu sein...zumindest bewies uns das der Platzchef indem er einen Schluck davon trank.
Während die Sonne schon kräftig vom Himmel brannte verliessen wir die kurz vor Mittag sehr geschäftige Stadt auf dem kürzesten Weg, denn der Verkehr verlangte von mir als Fahrer alle Aufmerksamkeit. Zum Glück funktionierte das Navigationsgerät einwandfrei mit den speziellen Karten, die ich noch vor der Reise von garmin.openstreetmap.nl heruntergeladen und dann in Georgien auch herausgefunden hatte, wie man sie auf dem Gerät installiert und wies mir den exakten Weg zuverlässig. An der ersten Tankstelle füllten wir den 500-Liter-Tank mit rund 280 Litern wieder auf, denn wir wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, ob der Sprit in Usbekistan teurer sein würde.
Während wir an der Tankstelle standen und abwechselnd den Hahn hielten fuhren sechs Laster vorbei, die riesige röhrenartige Bauteile geladen hatte, die eine Breite von mindestens 6 Metern hatten, ohne dass wie bei uns ein Begleitfahrzeug den Verkehr frei machte. Die entgegenkommenden Autos mussten auf der relativ holprigen und mit Schlaglöchern gespickten zweispurigen Strasse ausweichen, was gar nicht immer einfach war.
Südlich von Shymkent fuhren wir durch ein sehr schön anzusehendes hügeliges Steppenland, das, je näher wir der usbekischen Grenze kamen, mehr und mehr in intensiv genutztes Ackerland überging. Diese Gegend ist zum Teil sehr stark bewohnt und ein Dorf reiht sich ans nächste. Was für ein krasser Gegensatz zu der praktisch unbewohnten Steppe, die wir über Tage durchfahren hatten!
Ein Schiff auf dem Hügel am Horizont |
In der Gegend von Kazygurt liegt im Hügelland ein Pass und auf einem der Hügel sahen wir schon von weitem, was wir dort erwarteten: ein Schiff!
die kasachische Arche Noh |
Dieses Schiff ist eine symbolische Nachbildung der Arche Noah, von der die Kasachen behaupten, sie sei nicht auf dem Berg Ararat, sondern auf einem Hügel bei Kazygurt gestrandet, als die Sintflut zurückging. Im Führer, den Lorenz auf der kasachischen Botschaft erhalten hatte, stand zwar, dass es eine Nachbildung in Originalmassen und aus Beton sei...aber wir fanden nichts anderes in dieser Gegend als die in Stahl gehaltene Attrappe, die auch als GSM-Antennen-Mast dient. Leider war auch nichts dergleichen ausgeschildert.
Überlandstrasse mit Eselskarren |
Wir entschieden uns, nicht Richtung Tashkent zu fahren, sondern an einem Übergang westlich der usbekischen Hauptstadt die Grenze zu überfahren, da wir uns nicht durch die Grossstadt schlagen wollten, die uns nicht sonderlich interessierte. Also fuhren wir rund 70 km der Grenze entlang und assen in einem sehr grossen Restaurant das Mittagessen. Der Parkplatz war voll mit Autos und Lastwagen und unter einem etwa 80 Meter langen und halb so breiten Dach waren viele Dutzend Tische mit Familien, LKW-Fahrern und Landarbeitern. Zur Kühlung in der sengenden Mittagshitze stäubte aus Düsen Wasserdampf über den Köpfen und Dutzende von Serviererinnen nahmen Bestellungen auf. Es gab einfache Gerichte und wir bestellten quasi blind mit einem Fingerzeig sehr gutes und leichtes Essen. Ich erhielt eine kalte Brühe mit Salateinlage und Brot die mir ausgezeichnet geschmeckt hat – Lorenz bekam zwei mit Hackfleisch gefüllte Brötchen, die seinem noch immer rumorenden Magen Gutes taten. Besonders gefällt mir, dass hier immer Schwarztee zur Verfügung steht, was besonders heute, wo ich mir Morgen keinen Tee gemacht hatte, eine Freude war.
An einer Tankstelle unterwegs erblickten wir ein englisches Reisemobil, ganz in Gelb, das aussah wie ein amerikanischer Schulbus und wir zogen längsseits. Die Reisegruppe, etwa 10 Leute, kamen eben aus Usbekistan. Der Bus gehört einem Paar, das Reisewilligen aus ganz Europa nach Wunsch Teilstücke ihrer Fahrten anbietet. Sie übernachten jeweils im Zelt, da im Bus keine Betten eingebaut sind, und scheinen immer geeignete Plätze zu finden. Ihre Route führte sie bisher durch den Iran, durch Turkmenistan und Usbekistan – in Almaty, der alten Hauptstadt Kasachstans werden die meisten einen Flug zurück in ihr Land nehmen und eine neue Gruppe wird zusteigen. Der Fahrer verriet uns, dass Diesel in Usbekistan nur schwer zu erhalten sei und meist auf dem Schwarzmarkt in minderer Qualität gekauft werden muss. Zum Glück haben voll getankt und können mit dieser Füllung bis nach Osh in Kirgistan fahren, müssen also die nächsten 1500 km nicht tanken!
Als wir zur Grenze kamen standen die Lastwagen bereits Schlange, wir fuhren aber mit unserem als Wohnmobil getarnten LKW einfach an ihnen vorbei und stellten uns an ein schmiedeisernes Tor, das so gar nicht nach Grenzübergang aussah. Ein Soldat im Tarnanzug bedeutete uns, dass wir an der Seite parken sollten, er würde uns dann schon rufen. Während des Wartens machten wir alle Dokumente bereit und schon nach wenigen Minuten öffnete der das Tor für uns und wir freuten uns schon auf einen kurzen, reibungslosen Grenzübertritt.
Zuerst muss man aussteigen und an einem ersten Schalter den Pass zur Kontrolle zeigen. Ich sollte danach weiter gehen und Lorenz musste beim Fahrzeug bleiben. Auch das ist hier so üblich, denn die Passagiere dürfen normalerweise nicht im Fahrzeug bleiben, sondern müssen die Grenze zu Fuss passieren. Während ich zum kasachischen Ausreise-Zollamt ging, nur mit Pass und Mobiltelefon ausgerüstet, hoffte ich, dass Lorenz ohne Schwierigkeiten und rasch mit dem Muni über die Grenze kommen würde. Jeder Beamte auf dem etwas 300 m langen Weg bis zur usbekischen Zollstation wollte meinen Pass sehen und wissen, woher ich komme. Man sah mir den Touristen offensichtlich an und jeder wollte den Sonderling kennen lernen.
Ich wurde an allen Schaltern sehr interessiert befragt und zuvorkommend behandelt – die Beamten gaben sich alle Mühe, sich verständlich auszudrücken und fragten oft auch nicht zollrelevante Dinge. Immer wieder, wenn wir sagen, dass wir aus der Schweiz kommen, reagieren die Männer mit den Worten «Sherdan Shaqiri!» - und wenn ich dann sage, dass er aus «meiner» Stadt komme und dass ich schon in einer Bar zur gleichen Zeit wie er ein Bier getrunken habe, leuchten ihre Augen im Fussballfieber.
Nachdem ich den Stempel Usbekistans im Pass und ein Merkblatt ausgehändigt erhalten hatte, das darauf hinweist, dass man sich hier jeweils registrieren muss (im Hotel, bei einer Gastfamilie oder online), fing das Warten an. Ich stand ein wenig wie bestellt und nicht abgeholt herum, als schon bald ein Zollbeamter zu mir kam, sich auf Englisch nach meinem Wohlergehen erkundigte und fragte, warum ich warte. Aus der Information, mein Kollege sein noch am kasachischen Zoll mit unserem «Camping-Car», entstand ein längeres Gespräch (wobei natürlich wieder Shaqiri erwähnt wurde) und er bot mir sogar Wasser an, denn es war sehr heiß. Ich konnte mich auf dem Zollamt frei bewegen und kam mit einigen Männern und der einzigen Frau, die dort arbeitete ins Gespräch.
Das Warten dauerte rund zweieinhalb Stunden bis Lorenz endlich am usbekischen Zollamt vorfuhr
war ich sehr froh, denn die Sonne war bereits untergegangen und ich bereitete mich geistig auf eine ungemütliche Nacht in den Räumlichkeiten der usbekischen Zollverwaltung vor.
Lorenz musste bei seinem Spiessrutenlauf auf kasachischer Seite der Grenze von einem Büro zum nächsten lernen, wie Bestechung funktioniert. Wir als Schweizer haben damit sowas von keine Erfahrung! Vor dem letzten Kabäuschen sollte er seinen Pass zeigen und wurde zum kleinen Büro gebeten, wo der Pass in die Hände des dort drin sitzenden Beamten wechselte, der das Dokument eingehend studierte, es dann auf den Tisch legte, seinen Hut umgekehrt daneben legte und Lorenz direkt in die Augen sah. Dieser wusste aber nicht, was das zu bedeuten hatte, bis der Beamte mit einer eindeutigen hand- und Fingerbewegung andeutete, dass er gerne Geld in seinem Hut sehen wolle. Lenz hatte aber kein kasachisches Geld mehr in der Tasche und musste im Lastwagen russische Rubel holen, um dem Wunsch des Uniformierten Nachkommen zu können, welcher mit 1000 Rubel, rund 20 Franken, zufrieden war und den Pass aushändigte.
Die Formalitäten auf usbekischer Seite dauerten auch ihre Zeit, vor allem weil die Beamten noch nie ein so grosses Wohnmobil erfasst hatten und nicht wussten, wie sie dem Computer-System beibringen sollten, die Daten unseres Muni aufzunehmen.. Irgendwann klappte es dann aber und nach einer kurzen Inspektion des Fahrzeugs konnten wir die Grenze passieren.
Der Lastwagenparkplatz gleich hinter der Grenze war uns sehr willkommen, da es in der Nacht sehr schwierig ist, einen geeigneten Nachtplatz zu finden. Wir lüfteten unseren Shelter, der Bio-Sauna-Temperatur aufwies und übergossen die im Grenzladen erstandenen Fertigsuppen mit heissem Wasser, während um uns herum die Lastwagen mit laufendem Motor die Klimaanlage laufen liessen, die Kühllaster ihre Ladung kühlten, die Frösche rundherum zu ihrem Abendkonzert ansetzten und ein Esel sein Ih-Ah in die Nacht schrie.
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