Voraussichtliche Reisedaten

Samstag, 4. Mai 2019

2./3. Mai 2019 | Stepantsminda (GE) | 24 km

Die vergangenen zwei Tage haben wir damit verbracht, eine Lösung für unsere Fahrzeugsituation zu finden. Die russischen Grenzbehörden lassen uns nicht mit dem Anhänger einreisen, allerdings würde die Einreise mit dem Lastwagen und dem Motorrad gehen, da ich über eine notariell beglaubigte Vollmacht (Danke Dani!) zum Lenken der beiden Fahrzeuge verfüge.

So weit die Ausgangslage. Ich schildere meine persönliche Wahrnehmung:

Würden wir mit beiden Fahrzeugen einreisen bedeutete dies, dass jeweils einer von uns im Lastwagen und der andere auf mit dem Motorrad fahren würde.

Wir überlegten technische Lösungen um das Zweirad hinten am Lastwagen zu befestigen, so dass vor allem bei kalter und/oder nasser Witterung beide in der Kabine sitzen könnten. Ohne Hilfe eines Metallbauers ginge das nicht, das war uns klar...und selbst dann wäre eine Lösung schwierig zu erreichen, da wir den Shelter über das Heck betreten und folglich gezwungen wären, jedes Mal das Motorrad zu entfernen. Jede Lösung würde bestimmt dem schweizerischen Strassenverkehrsgesetz widerprechen, aber das zählt hier ja nicht.
Einem Schlosser in Russland zu erklären, was wir wollen, stellte ich mir eher schwierig vor...einen fähigen Fachmann zu finden noch viel mehr. Bestimmt müssten wir mindestens bis in die nächste grössere Stadt mit beiden Fahrzeugen fahren.

Das Material (Waschmaschine, Werkzeug, Campingstühle und -tisch, diverses Kleinmaterial), das auf dem Anhänger verstaut war, könnten wir im Shelter unterbringen – einiges war auch verzichtbar und könnte hier gelassen werden. Da sahen wir beide kein Problem.

So einigten wir uns nach einem Tag darauf, es mit beiden Fahrzeugen zu versuchen und sobald als möglich eine Lösung für den Transport des Motorrads zu suchen und legten uns schlafen.

Mir liess es aber keine Ruhe. Draussen regnete es die ganze Nacht, stürmte und war sehr kalt. Ich stellte mir vor, bei solchem Wetter auf unbekannten Strassen, nur mit Mühe entzifferbaren Wegweisern, im bekanntermassen recht gefährlichen russischen Verkehr, ohne Regen- resp. Winterausrüstung und in einem für Motorradfahrer sehr langsamen und vom Muni abhängigen Tempo zu fahren, links und rechts überholt zu werden, sich zu verfahren und womöglich gar zu verlieren und ohne Telefonkommunikation nicht wieder zu finden.

Ich bekam richtig Angst. Dachte, ich würde mich fahrlässig in äusserst gefährliche Situationen begeben und mit meinem Leben spielen.
Ausserdem würde mir die gemeinsame Zeit beim Fahren, die Unterstützung durch Lorenz wenn ich am Steuer sitze, meine Tätigkeit als Beifahrer und Navigator, das gemeinsame Musikhören (Danke Lavinia!), die Diskussionen, das Staunen und Rätseln über Seltsames und Sehenswertes...einfach das gemeinsame Reisen sehr fehlen.

Die Träume in dieser kurzen, fast schlaflosen Nacht waren entsprechend wirr und heftig und ich wachte schweissgebadet auf, unsanft geweckt von ratternden Quad-Bikes, die an «unserem» Parkplatz vorbei zur Dreifaltigkeitskirche hochbrummten und mit ihrem Lärm wahrscheinlich grad die letzte Traumsequenz ausgelöst hatten: ein schrecklicher Unfall mit mir als Opfer.

Meine Gedanken und Einwände lösten den Entscheid aus, auch auf das Motorrad zu verzichten, was nicht leicht fiel, hätte es uns bestimmt auch gute Dienste leisten können.

In einer regenfreien Stunde leerten wir am Morgen den Anhänger, sortierten das Material aus und brachten das Notwendigste im Shelter unter. Die Dusche ist jetzt nicht mehr ohne Umräumen zugänglich, aber alles fand seinen Platz und wir haben immer noch reichlich Platz um uns zu bewegen und fühlen uns nach wie vor sehr wohl in unserem fahrenden Hotel. Sogar die Campingstühle haben ihren Platz – weiteren gemütlichen Abendessen bei Sonnenuntergangsstimmung steht also nichts im Weg.

Jetzt stellte sich die Frage, wie man zwei in Georgien eingeführte Fahrzeuge auf legale Weise hier lässt. Lorenz hatte bereits am Vortag versucht abzuklären, welche Formalitäten erfüllt werden müssten, hatte aber keine befriedigende Antwort gefunden, obwohl ihm an verschiedenen Stellen (TIR-Zentrum, Polizei, Zoll) grosses Wohlwollen entgegengebracht worden war. Wir verpackten alles, machten uns abermals auf zur Grenze und hofften, dort eine verlässliche Auskunft zu erhalten. Während ich im Muni wartete erhielt Lorenz nach geduldigem Warten von einem Beamten eine Telefonnummer, die wir anrufen sollten und wo wir kompetente Auskunft erhielten.
Also zurück nach Stepantsminda (wir kennen diese rund 14 km nun wirklich gut!) und in der Tourist-Information ans Telefon.

Rati ist zufrieden mit seinem neuen Motorrad
Rund drei Stunden später stand ein Vater mit seinem sechzehnjährigen Sohn neben unseren Fahrzeugen und wollte Anhänger und Motorrad erwerben. Alle Papiere würden auf der Anwaltskanzlei im Dorf erledigt, wir müssten uns keine Sorgen machen, meinte der Sohn, der in perfektem Englisch übersetzte. Das Motorrad sollte sein Geburtstagsgeschenk sein und er strahlte über beide Ohren, als Lorenz das Verdeck hob und ihm die BMW zu schenken versprach.

Es wurde der Besuch der Kanzlei auf den nächsten Morgen vereinbart und die beiden, die extra aus Tiflis hergefahren waren, fuhren ins Dorf um sich ein Hotelzimmer zu nehmen.

«Ich hätte sie auf einen Tee oder ein einfaches Abendessen einladen solle!», meinte Lorenz als wir ein einfaches Abendessen zubereiteten...genau dann klopfte es an die Tür und die beiden standen mit zwei Flaschen Bier und zwei riesigen Plateaus «Khinkakli» - das sind die superfeinen georgische Teigtaschen, ein Nationalgericht – vor der Tür. Wir setzten uns an den kleinen Tisch und assen, erzählten, fragten, tauschten aus...ein wunderbarer Abend mit zwei neuen Freunden nahm seinen Lauf.

Jetzt verstand ich, was Lorenz mit «Unterwegssein» im Gegensatz zu «Ferienmachen» meinte, erlebte, wie aus einer ursprünglich misslichen Situation etwas Wunderbares entstehen kann und dass sich das Aussitzen einer fraglichen Ausgangslage lohnt!

Wunderbarerweise lichtete sich im Verlauf des Abends der Himmel und gab die Sicht auf einen grossartigen Sternenhimmel frei, den ich eben, beim Rauchen meiner letzten Zigarette, ausgiebig geniessen konnte. Sogar eine Sternschnuppe zog über das Schwarz – meinen Wunsch verrate ich jedoch nicht, sonst geht er schliesslich nicht in Erfüllung…;)

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