Voraussichtliche Reisedaten

Samstag, 4. Mai 2019

4. Mai 2019 | Stepantsminda (GE)

Der vierte Tag an der russischen Grenze brach kalt und regnerisch an – mittlerweile schneit es...der Schnee bleibt etwa 50 Höhenmeter oberhalb unseres Standplatzes liegen und die Schneefallgrenze sinkt kontinuierlich. In dieser Kälte bildet sind an allen Metallteilen im Shelter Kondenswasser, besonders viel an den Kältebrücken, den Schienen, die direkten Kontakt zur Aussenhaut haben.

Lorenz ist mit Rati und seinem Vater in deren Auto nach Tiflis aufgebrochen, das rund zweieinhalb Stunden Autofahrt von Stepantsminda aus südlich gelegen ist, während ich im Shelter bei laufendem Generator, der den Heizlüfter mit Strom speist, ausharre. Ich hoffe, sie kommen gut durch und dass der Pass auf rund 2350 m.ü.M. nicht wegen des Schnees gesperrt wird.

Die Fahrt nach Tiflis ist notwendig, weil am heutigen Samstag das Notariatsbüro hier geschlossen ist und erst am Montag wieder öffnet. In Tiflis können sie die Papiere für die Handänderung von Anhänger und Motorrad anfertigen lassen – dort sind auch am Wochenende die Büros offen.

Trommeln üben im Shelter
Ich vertreibe mir die Zeit mit Schreiben von Briefen und Blog-Einträgen, entwickle Fotos, von denen ich natürlich bei diesen Witterungsbedingungen nicht viele machen kann und übe trommeln. Das wird sicher meine Tambouren-Freunde von den Lumpesammler freuen, die mir am Donnerstag aus der Trommelstunde einen Gruß mit Foto per Whatsapp geschickt haben. Natürlich ist das Trommeln alleine längst nicht so lustig und gut wie in der Gruppe, aber Übung muss sein und die nächste Fasnacht kommt mit Sicherheit wieder so unerwartet wie die letzte…;)

Kazbegi-Museum
Gestern machte ich einen Spaziergang durch das Dorf und fand das «Kazbegi-Museum», bei dem es sich um ein schlichtes altes Haus inmitten eines Wohnquartiers handelt, wo scheinbar Schriftstücke und Memorabilita eines der grossen Schriftstellers dieser Gegend ausgestellt sind. Leider ist es momentan geschlossen.


Gedenktafel für Herrn Kazbegi
Im Dorf werden einige Hotels und Guesthouses gebaut, die zum Teil sehr modern geschnitten sind und neben den einfachen Wohnhäusern und teilweise ruinenhaften Hausresten fremd und unwirklich anmuten. Das Dorf Stepantsminda scheint sich auf eine touristisch intensive Zukunft vorzubereiten und mit den moderneren Gebäuden sollen offensichtlich auch Touristen angelockt werden, die mehr als «nur» Berglerromantik und einfache Unterkünfte bevorzugen. Regelmässig – bei guten Wetterbedingungen – steigt ein Helikopter auf um Touristen auf einen kurzen Rundflug um die Dreifaltigkeitskirche mitzunehmen...mehr liegt bisher wegen der tiefhängenden Wolken offensichtlich nicht drin. Auf Fotos im Besucherzentrum habe ich jedoch gesehen, dass bei gutem Wetter und entsprechenden Schneebedingungen hier auch Ski gefahren wird und der 5047 Meter hohe Kazbegi von Seilschaften und Helikoptertouristen bestiegen wird.

Strassenszene mit typischem Vierlivier
Der Kontrast zwischen der Moderne, die immer mehr Einzug hält und der Vergangenheit, sichtbar an den eingeschossigen, von Aussen unscheinbaren bis baufälligen Häusern, ist oft seltsam. Da prangen moderne Plakate und farbige «Market»-Schilder an uralten Häusern und drinnen stehen Regale gefüllt mit den zivilisatorischen Errungenschaften – japanische Aufbrüh-Suppen, Mars-, Snickers- und Bounty-Riegel und Markenparfüms stehen neben Raschelsäckchen mit Zucker oder Pasta und Körben von langsam seine Knusprigkeit verlierendem traditionellem georgischem Brot. Die Regale selber stammen teilweise wohl noch aus der Zeit des Sowiet-Einflusses, in jedem Laden steht aber ein Kreditkarten-Terminal neuster Generation.

Besonders auffällig ist das Erscheinungsbild vieler Autos: es fehlt die Frontpartie vollkommen und die Lüfterpropeller, die Kabel und andere «Innereien» liegen offen da und oft hängen Blinker und Positionslampen an ihren Kabeln herunter. Ob diese Autos im Winter oft mit der Front in Schneewände fahren und deshalb Stossstangen und andere Teile verlieren oder ob diese Teile absichtlich abgenommen wurden, weiss ich nicht. Vielleicht sind Stossstangen als Erstazzeile schwierig zu bekommen oder besonders teuer.



Italienische Reisegruppe mit Mobilhomes
Man isst in Georgien übrigens sehr gut. In den Restaurants werden vor allem lokale Speisen angeboten, die durchweg fein zubereitet und für meinen Geschmack gut gewürzt sind. Oft ist auf der Speisekarte zwar auf georgisch und in lateinischer Schrift geschrieben – die Namen der Gerichte sagen aber dem Unkundigen wenig und erst mit ein bisschen Erfahrung und vor allem mit Blick auf die Teller der anderen Gäste bekommt man eine Ahnung, was sich hinter den schillernden Namen verbirgt. Hier bestellt man immer die einzelnen Teile eines Gerichts, es gibt keinen Tellerservice wo Fleisch, Gemüse und andere Beilagen gleichzeitig serviert werden. Das macht das Bestellen einfach, allerdings haben wir uns schon mehrfach in der Menge vertan, da die Grösse der Portionen schwierig vorauszusehen ist. Am besten ist es, man geht in einer Gruppe essen und kann so eine grosse Auswahl bestellen. Auch werden die einzelnen Teile der Gerichte meist nicht gleichzeitig serviert, sondern kommen einer nach dem anderen. Man isst dann das, was zuerst kommt und sitzt so meist längere Zeit am Tisch. Ich habe schon öfter beobachtet, dass Georgier sehr lange am Tisch sitzen und währenddessen die Speisen kalt werden, was sie absolut nicht zu stören scheint. Oft wird der Tisch auch während des Mahls verlassen, etwa um mit einem Freund draussen zu reden oder eine Zigarette zu rauchen. Wenn man dann wieder hereinkommt wird entweder das bereits auf dem Tisch Stehende weiter gegessen oder man bestellt nach...je nach Geschmack und Hunger.

Eiszapfenromantik im Mai in Stepantsminda

Die Schneefallgrenze kommt immer tiefer

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