Voraussichtliche Reisedaten

Samstag, 25. Mai 2019

25. Mai 2019 | Боген (Bogen) - Шыимкент (Shymkent) (KZ) | 65 km

«In the middle of nowhere»
Nach einem ruhigen Vormittag (natürlich wieder mit dem Frühstück mit Schwarztee, Milch(pulver) und viel Zucker) am Stausee – Lorenz las und übte Handorgel, ich schoss ein paar Fotos und schrieb Tagebuch – tauchte auf einmal ein Mann auf seinem Motorrad auf, der uns spontan zu sich einlud. Er hiess Ongar und wohnte im nächsten Dorf. 











Ongar treibt seine Kamele mit dem Motorrad
Die Strecke über den Feldweg/die Piste war nicht weit und Ongar erledigte mit dem Vorausfahren gleich noch seine Arbeit: er trieb seine Kamele zu seinem Haus, wo sie gemolken werden sollten.
Uns bat er inzwischen ins Haus, wir liessen die Schuhe draussen vor der Tür stehen – ich hoffte, dass meine Füsse, die jeden Tag in den für die hiesigen Temperatur-Verhältnisse zu warm sind, nicht allzu sehr rochen – und setzten uns im Wohnzimmer an den niedrigen Tisch auf die Teppiche, während im TV «Asterix bei den Galliern» auf Russisch lief.




Aishan, Ongars Frau kam kurz darauf chic angezogen von der Arbeit zurück und servierte uns frische Kamelmilch. Die soll sehr gesund sein und wird scheinbar sogar als Krebstherapie verwendet. Mir schmeckte sie nicht sonderlich, da sie einen säuerlich-kötzeligen Nachgeschmack hinterliess. Aber ich trank die grosse Schale tapfer fast bis zum Boden aus und war froh, als später noch Schwarztee aufgetischt wurde. Wir Männer tauschten uns mit Hilfe von Tante Googles Übersetzungsservice so gut es ging aus und schnackten über dies und das. Eigentlich sind es bei so beschränkter Schnittmenge an Sprachen meist die gleichen Informationen, was im Grunde schade ist, da wir so viele Fragen hätten.


Graduates of 2K19
Als der grössere Sohn mit einer «Graduate 2K19»-Schärpe quer über die vor Stolz geschwellte Brust herein kam hofften wir, er könne etwas mit Englisch aushelfen, was aber leider nicht der Fall war. Es kam dann noch ein Freund des Sohns dazu und das Gespräch war angeregt trotz der sprachlichen Differenzen.


















Später, als Ongar und Lorenz ein paar Partien Backgammon spielten, nutzte ich die Gelegenheit und ging in den Hof zu den Kamelen, die gerade von Ongars Frau Aishan und deren jüngerem Sohn gemolken wurden.










Aishan melkt
Ich habe die Technik derart interpretiert, dass sie immer die Fohlen zu den Müttern lassen, damit diese ihre Milch freigeben. So kann das Fohlen trinken und gleichzeitig melkt man die Kuh. Ist die Milch abgemolken wird das Fohlen wieder in die Koppel gesperrt und die Mutter auf die Strasse hinaus gescheucht, wo sie sich frei bewegen kann.









Kamele in Einerkolonne
Draussen treffen sich die Kamele des Dorfes und schreiten in Einerkolonne aus dem Dorf hinaus auf die freie Weide, von wo sie später wieder zurück getrieben werden müssen. Ongar melkt seine Kamele drei Mal am Tag und verkauft die Milch wie andere Bauern gleich an der Strasse an vorbeifahrende Kunden. Ein Liter kostet 500 Tenge (CHF 1.25) – uns gaben sie zwei Liter mit, die wir möglichst schnell trinken sollten, da unser Kühlschrank nur wenig kühlen kann wenn nicht genügend Sonnenlicht die Solarpanels auf dem Dach bestrahlt...und heute war es leider oft bewölkt.
Als wir uns verabschiedeten zeigte uns Ongar noch seinen Газ-Lastwagen und Lorenz setzte sich breit grinsend hinein – ein ganz anderes Sitz- und Fahrgefühl, so ein abgehalfterter Russen-Truck!





Die Strecke nach Шыимкент (Shymkent) war nicht lang und wir fanden auf Anhieb einen Lastwagenparkplatz, wo Lorenz auf seiner Tour um die LKWs zwei junge Männer kennen lernte, einer Usbeke, Lastwagenchauffeur, der andere Kasache, Taxifahrer. Die beiden kamen zu unserem Muni, der Taxifahrer spielte eine Runde Backgammon, der Usbeke zeigte mir stolz auf Handy-Videos, wo er schon überall mit seinem Lastwagen hin gefahren ist. Er ist Strecken gefahren, neben denen unsere Reise ein Klacks ist und erlebte dabei Wetterkapriolen, die wir lieber nicht kennenlernen wollen. Auf der Strecke zwischen Aqtöbe und Shymkent fuhr er z.B. einmal durch einen Schneesturm vom Feinsten. Für eine Tour von 20 Tagen verdient er rund 500 US$.
Wir werden heute Abend mit den Beiden in die Stadt essen fahren, worauf ich mich sehr freue, denn Shymkent muss ein sehr lebendiges Restaurant- und Nachtleben haben, das von der Lebensart der Usbeken beeinflusst ist.

Der Taxifahrer brachte uns zu einem sehr guten Restaurant – leider nicht eines in der Innenstadt – wo er für uns eine Spezialität (den Namen habe ich alter Sack vergessen) bestellte: in Öl gekochte Knochen! Die waren innen ganz schwarz und die Konsistenz war leicht grob-erdig, der Geschmack sehr lecker. Dazu gab es ein Rindfleisch-Kartoffel-Ragout. Als Aperitif-Beilage zum Bier erhielten wir Käse-Spaghetti und -Bällchen, die relativ salzig waren. Die dünnen spaghettiähnlichen Käsefäden schmeckten ein wenig wie Speck...wie dieser Geschmack zustande kommt weiss ich nicht...Speck kann es jedenfalls nicht sein.
Als der Taxifahrer uns zur vereinbarten Zeit abholen wollte, waren wir natürlich noch nicht fertig mit essen, also luden wir ihn gleich auch zum Essen ein. Im Gespräch erfuhren wir, dass hier ein Mann eine Frau heiratet (heiraten muss) wenn er sie drei Mal getroffen hat. Er fragte uns, ob er in der Schweiz einen Job kriegen könnte, was wir eher ablehnend beantworteten, denn unsere Bestimmungen sind sehr streng und allein der Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung dürfte für einen unqualifizierten Arbeiter wie ihn sehr schwierig sein.
Wir werden immer wieder nach Kosten und Löhnen in der Schweiz gefragt und erzeugen jedes Mal grosses Staunen mit unseren abgeschwächten Angaben – die Menschen hier können sich schlicht nicht vorstellen, wie kompliziert und schwierig es ist, in der Schweiz ein Auskommen zu finden ohne den Nachweis einer qualifizierten Ausbildung und wie teuer im Vergleich zu hier die Lebenshaltungskosten sind.

Am Ende des Abends brausten wir mit gefühlten 100 km/h zurück zu unserem Parkplatz, vorbei an Polizei-Streifen, die keine Anstalten machten, den nach unseren Massstäben als Raser einzustufenden Taxifahrer anzuhalten. Auch sein Verhalten im Verkehr – Slalom-Fahren um langsamere Autos, rechts überholen, etc. hätte bei uns längst zum Entzug des Führerscheins geführt. Ich war froh, wohlbehalten beim Muni angekommen zu sein und trinke zum Abschluss eine Tasse Schwarztee mit Milch(Pulver) und viel Zucker, der in der genialen Thermosflasche, die ich von Mylène zu Weihnachten erhalten hatte , während des Nachtessens schön heiß geblieben ist (Danke Mylène!)




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