Herr Kasbegi vor seinen Berg und der Dreifaltigkeitskirche |
Heute wurde ich von der Sonne geweckt! Juhui!
Wie doch das direkte Licht unseres Sterns das Lebensgefühl drastisch verändert!
Nach einem reichlichen und äusserst leckeren Frühstück ganz alleine im grossen Speisesaal des Hotels «Porta Caucasia», das übrigens erst seit etwas mehr als anderthalb Jahren geöffnet und tiptop im Schuss ist, erledigte ich noch ein paar kommunikatorische Pendenzen (unter anderem musste ich meiner Telefongesellschaft klar machen, dass es nichts bringt, wenn sie mir eine SMS 54 Mal schicken, zumal jede davon -.60 CHF kostet. Einmal reicht.), checkte dann aus dem Hotel aus und ging zum Muni, der noch wie gestern Abend unversehrt an der Strasse gleich gegenüber der Dorfkirche stand und sehnsüchtig auf mich wartete.
Dort liess ich den Lastwagen samt Anhänger vorläufig weiterhin stehen und ging auf einen – ich glaube den vierundzwanzigsten - Spaziergang im und ums Dorf und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen, schaute im Informationszentrum des Nationalparks die Ausstellung und einen grossartigen Bildband über die georgischen Naturschätze an, genehmigte mir eine Tasse Tee im örtlichen Künstlercafé und liess die Szenerie auf mich wirken.
«Le Berg» zum x-ten |
Da kamen viele Touristen, von welchen einige Deutsch sprachen. Mit einem Österreicher, einem pensionierten Chef de Cuisine und Fotograf, der sich selber als Reisender bezeichnete und Hans hiess, kam ich ins Gespräch. Er war früher viel mit dem Fahrrad in der Welt unterwegs gewesen, kann aber die Strapazen solcher Reisen nicht mehr prästieren und macht jetzt Reisen mit Bahn, Bus und öffentlichen Verkehrsmitteln. Er zeigte grosses Interesse an unserem Vorhaben, in die Mongolei zu fahren, wo er auch gerne einmal hingewollt hätte. Er meinte, dass man sich da aber gut vorbereiten müsse.
Matthews Reise-LKW |
Auf meinem weiteren Dorfrundgang – ich durfte das Sendegebiet der GSM-Antennen nicht verlassen, weil Lorenz mich anrufen wollte, sobald sie in Tiflis losführen – traf ich den Briten Matthew, der mit einem feuerroten, geländegängigen British-Leyland-Lastwagen, den er komplett selber um- und ausgebaut hatte (er meinte, er sei nicht Mechaniker, sondern Praktiker), unterwegs war. Er ist seit einem Jahr auf Achse und war schon weiter als der Baikalsee, erzählte von der «bam-road» (?), die nördlich dieses tiefsten Sees der Welt eine Art Eisenbahn-Unterhalts-Strasse sei und ihm und seinem Gefährt alles abverlangt habe.
Matt in seinem wohligen Reich |
Ausserdem klärte er mich ein wenig über die zu erwartenden Strassen- und Pistenverhältnisse in Kasachstan, Russland und der Mongolei auf, schilderte die Flusspassagen, die seinen Lastwagen bis zum 1.20 m tief im Wasser verschwinden liessen und wo er an den Ufern einige Male trotz der sehr grossen Böschungswinkel mit seinem Fahrzeug aufgesessen sei. Ich fragte mich, ob wir das mit unserem Muni auch schaffen würden, worauf er meinte, dann müsse man halt einfach die Schaufel hervor nehmen und die Böschung abtragen. Welche Schaufel?¿? Aber dafür haben wir ja das Dynamit...lol
Der Durchgang zur Kabine ist hinter der Karte |
Ich zeigte ihm unser Gefährt aussen und innen und liess ihn auf einer Oberschranktür unterschreiben – er schrieb, dass wir die Mongolei lieben werden. Hoffentlich kommen wir bis dorthin!
British-Leyland & Caucasus |
Sein Fahrzeug zeigte er mir auch von Innen. Was für ein grossartiger, zweckmässiger und sauberer Ausbau! Mich beeindruckte vor allem die elektrische Installation, die er auch selber eingebaut hatte. Er verfügt über ein wirklich zuverlässiges autarkes elektrisches System, das er in allen Aspekten überwachen kann. Und er hat einen richtigen Sicherungskasten...was für ein Luxus!
Die Küche ist bei ihm aus Naturholz mit fest eingebautem Gas-Herd und einem Holzofen, den er aber erst während der Reise eingebaut hatte. Da er im Winter in Russland und der Mongolei, wo sein Trinkwasservorrat und auch der Diesel eingefroren waren und er nicht mehr von Fleck gekommen ist, eine günstigere Heizmethode als die ursprünglich eingebaute Gasheizung haben musste, baute er den schönen Holzofen ein.
das Künstler-Café |
Ich war beeindruckt von seinem Gefährt und vor allem vom Innenraum, den er direkt von der Fahrerkabine aus erreichen kann (hinter der Karte auf dem einen Foto). Er wird – zurück in Grossbritannien – eine Zeit lang noch in seinem Lastwagen wohnen, allerdings sei es dort nicht so einfach einen Standplatz zu finden wo er längere Zeit bleiben könne...das ist wohl überall in Westeuropa so.
Als ich später wieder an «seinem» Platz vorbei kam, war er schon weg. Schade!
festhaltenstwerte Toiletten-Tapete, finde ich |
Ich kochte mir zum Mittagessen eine scharfe Bouillon, in der ich fünf der Khinkali wärmte, die wir vorgestern Abend von Rati und seinem Vater erhalten hatten und die im Kühlschrank auf den Verzehr warteten und hoffte, dass sie nicht verdorben waren und mir keine Magenschmerzen oder Schlimmeres bescherten. Gerochen und geschmeckt haben sie vortrefflich...vielleicht lag das auch am frischen Koriander, den es hier überall zu kaufen gibt und den ich wenn immer möglich als Gewürz benutze….ich LIEBE frischen Koriander!
Dort, bei der Dorfkirche, kamen immer wieder Touristen vorbei und ich wurde sehr oft angesprochen, erzählte immer wieder von unserem Projekt und erklärte bestimmt schon zwei Dutzend Mal, warum ich alleine da sei. Alle wollten wissen, ob ich die Reise alleine mache und wo mein Reisegefährte sei.
Es beginnt nun langsam Abend zu werden, die Sonne sinkt tiefer und die Schatten werden länger...und der Telefonanruf von Lorenz ist noch nicht gekommen, also schliesse ich, dass sie noch nicht losgefahren sind und womöglich eine weitere Verzögerung eingetreten ist. Erstaunlicherweise wundert mich das nicht einmal mehr, sondern ich nehme es einfach als Tatsache hin, werde mich auf einen weitere Nacht alleine vorbereiten und hoffen, dass es morgen weiter geht.
Hätte ich gewusst, dass wir so lange hier in der Gegend sein würden, wäre ein Ausflug in eine der scheinbar grossartigen Schluchten, zum herzförmigen Bergsee, zu den Karstfeldern oder an den Fuss des Kasbegi durchaus eine Option gewesen. Georgien verfügt über sehr schöne Landschaften, die in dem oben erwähnten Bildband der Naturschutzverwaltung bestens in Szene gesetzt sind und grosse Lust machen, dieses Land einmal in Ruhe mit einem kleineren Fahrzeug und für's Wandern ausgerüstet zu besuchen. Gerade der Kasbegi-Nationalpark bietet einige besonders lohnenswerte Ziele und ist sehr reich an aussergewöhnlicher Flora und Fauna. Hier gibt es mindestens drei verschiedene Geierarten, Adler und verschiedene endemische Tier- und Pflanzenarten – und dieser Teil Georgiens ist zur Vogelwanderzeit gerade für Birdwatcher ein Paradies.
Ob es zur touristischen Hochzeit immer noch so beschaulich und ruhig zu und her geht, ist fraglich, denn Georgien verzeichnet eine sehr starke Zunahme des Tourismus seit es sich geöffnet hat und visafrei und bis zu 360 Tage frei zu bereisen ist.
Da ich aber auf Abruf hier verharre, habe ich diese Gegend – ehrlich gesagt – langsam über. So spannend ist dieses Dorf nun wirklich nicht.
Eben erhielt ich von Lorenz telefonisch Nachricht, dass sie sich – nach einem wahrscheinlich wieder ausgiebigen lukullischen Ereignis – auf den Weg nach Stepantsminda machen und gleich mit einem Fahrzeugtransporter herkommen wollen. Vorausgesetzt alles läuft nach Plan (allein dieser Satz ist hier, nimmt man ihn mitteleuropäisch wörtlich, ein kleiner Witz) sollten sie noch heute Abend aufkreuzen. Die Abende hier an der russischen Grenze sind jedoch lange und ich bin mittlerweile so gut an die ungeplante und spontane Reiserei akklimatisiert, dass ich sie nicht vor morgen früh erwarte.
Diese Langsamkeit hat auch ihre Vorteile und entledigt einen des Stresses, dessen wir in unseren Breiten oft Sklaven sind. Eigentlich braucht man auf so einer Reise gar keine Uhr, sie ist allenfalls dafür da zu erkennen, dass man sich langsam einen Platz für's Schlafen suchen muss...aber das erkennt man nach ein bisschen Umgewöhnung auch am Sonnenstand.
Gerade waren drei Österreicher Bergsteiger da und wir haben ein wenig geschnackt. Sie wollen den Kasbegi besteigen und haben mir ihre Pläne dargelegt. Dieser Berg scheint keine ausserordentlichen Schwierigkeiten zu bieten – zumindest nicht für geübte Berggänger. Mir würden die raschen Wetterwechsel, die ich seit ein paar Tagen oben am Berg beobachte, Sorgen machen, aber sie meinten, das sei absolut im Rahmen der Normalität.
Shorena's Bar mit dem grossartigfreundlichen Chefs |
So, jetzt ist genug, ich werde zu meinem Lieblings-WLAN-Spot in der Shorena's-Bar gehen und diesen Blog-Eintrag hochzuladen versuchen...ich hoffe, sie sind so geduldig mit mir wie in den vergangenen Tagen. Sonst kenn ich ja noch das Kennwort vom Hotel «Porta Caucasia»...die sind mir mit ihrem hohen Übernachtungspreis eh noch einen Gefallen schuldig, was sie allerdings bestimmt nicht so sehen werden.
Im Shorena's waren schon Touristen aus vielen Ländern |
Zum Abschluss noch eine kleine Bemerkung: ich habe schon einige sehr positive Rückmeldungen und begeisterte Follower-Statements zu diesem Blog erhalten. Das freut mich ungemein und ich werde im begonnenen Sinn fortfahren wenn immer es mir möglich ist, einen Beitrag abzusetzen. Lasst es Euch gut gehen und gebt mindestens ebenso Acht auf Euch wie wir auf uns.
«Safe Travel» würde der Reisende zum Abschied sagen.
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