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Sonntag, 5. Mai 2019

5. Mai 2019 | Stepantsminda (GE) | Lösung in Sicht und weitere Planung

Der fünfte Tag an der russischen Grenze war rein klimatisch für mich der angenehmste...ich nahm nach einer durchfrorenen, mit Ängsten angefüllten und fast schlaflosen Nacht ein Hotelzimmer in Hotel «Porta Caucasia», wo ich als allererstes eine wirklich heisse Dusche nahm und erst nach gefühlten zweieinhalb Stunden das Wasser abstellte. Dann legte ich mich in dem total überheizten Zimmer auf's Bett und schlief erst mal.
Die Kopfschmerzen unterband ich mit einer Tablette und die ausgetrocknete Kehle feuchtete ich zuerst mit allem mir gratis zur Verfügung stehenden Wasser und dann mit einem im vor dem Haus stehenden Muni gebrauten köstlichen Schwarztee mit Milchpulver und viel Zucker an.

Jetzt fühlte ich mich wohl und konnte ans Schreiben, Lesen, Kommunizieren gehen.

Aber alles von vorne.

Geweckt wurde ich durch ungeduldiges Poltern an der Sheltertür, das nicht aufhören wollte obwohl ich «OK, I'm coming!» schrie. Dabei hatte ich eben erst ein, zwei Stunden geschlafen und war noch ganz zerknittert.
Draussen stand ein Hüne von Mann und reichte mir, notdürftig angezogen und aus verklebten Augen schauend, die Haare zerzaust und das Gesicht noch zerknittert, wortlos und grimmig sein Mobiltelefon. Lorenz war dran. Er sei noch in Tiflis und könne erst am Montag zum Notar, da es auch einen Übersetzer brauche. Er habe versucht, mich zu erreichen, aber das hat nicht funktioniert.

Hélas! Er lebte! Weder eine Lawine noch ein georgisches Schneemonster hatten ihn auf der Passstrasse mitgerissen, noch war er verschollen oder mit einer lokalen Schönheit durchgebrannt! Zum Glück!
Ich solle mir doch ein Hotelzimmer nehmen, er sei bei der Familie von Rati untergebracht und bestens versorgt – ausser dass ihm seine Zahnbürste fehle.

seitwärts eingeparkt vor der «Porta Caucasia»
leider ist das Beweisauto vorne weggefahren
Ich hängte den Anhänger ab nachdem ich ihn auf einen mir günstig erschienen Teil des Parkplatzes manövriert hatte und fuhr mit dem Lastwagen vor's Hotel, wo genau vor dem Eingang ein Parkplatz frei war. Wie in der Fahrschule (Danke Philippe!) gelernt parkte ich seitwärts ein und buchte ein Zimmer.

Und da war ich nun. Frisch geduscht, rasiert (den Kinnbart trage ich noch immer...der macht mich irgendwie erfahren und respekteinflössend, finde ich), trug frische Wäsche und wurde freundlich gegrüsst wenn ich erhobenen Hauptes durch die Lobby schritt.
Nicht dass dieser Zustand für mich erstrebenswert erschien, aber nach diesen kalten Nächten, den regnerischen Tagen und viel Zeit ohne wirklich etwas zu tun zu haben kam ich mir richtig gut vor.

Nachrichten an meine Töchter und andere liebe Menschen, die lange nichts von mir gehört hatten, Erledigungen einiger bürolistischer Pendenzen, eine ausführliche Korrespondenz mit Susanne, die gerade auf dem Heimweg von den Tauchferien in Belize und Honduras war und dann die schreckliche Nachricht, dass Kurt, ein lieber Freund aus dem 3E-Spiel, gestorben sei!
Was für ein Schock!
Dabei war er nur wenige Jahre älter als ich! Ich kann es noch immer nicht glauben und es macht mich sehr traurig. Mehr will ich dazu nicht schreiben...ausser, dass mir darob meine Sorgen wegen ein paar Tagen Warten, Ungewissheit und Kälte grad nichtig vorkommen.

Den Anhänger musste ich später noch holen gehen, weil er dort scheinbar nicht sicher sei. Das Anhängen ohne jemanden, der einen einweist ist gar nicht so einfach, aber ich hab's geschafft und das Anhängsel auf der Fahrt zu einem geeigneten Standplatz (vor dem Hotel ging das natürlich nicht!) nicht einmal in den badewannengrossen Schlaglöchern verloren.

Jetzt plane ich gerade die Strecke Richtung Oral in Kasachstan (ja die Stadt heisst wirklich so!) über Wladikawkas, Elista, Wolgograd (das ehemalige Stalingrad) und Saratow. 

Wladikawkas und Elista sind zwei sehr interessante Städte, die bei uns kaum bekannt sind. Erstere wegen ihrer Geschichte als Tor zum Kaukasus, letztere als einzige buddhistische Gebietshauptstadt (Kalmükien) in Europa, wo mongolisch gesprochen wird und die auch «Hauptstadt des Schach» genannt wird.
Wolgograd, das ehemalige Stalingrad, ist vor allem für seine Geschichte im 2. Weltkrieg bekannt, hat aber scheinbar auch eine sehr lebendige junge Kultur. Diese Stadt hat etwas mehr als eine Million Einwohner und erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung über 60 Kilometer.
Saratow– mit der Nachbarstadt Engels – ist das Zentrum der ehemaligen «Wolgadeutsdchen», Deutschen, die von den Zaren im 18. und 19. Jahrhundert dorthin eingeladen worden waren um die Landwirtschaft vorwärts zu bringen, im WK II nach Sibirien vertrieben wurden und danach zumeist nach Deutschland emigriert sind.
Oral ist die einzige Grossstadt Kasachstans, die sich westlich des Ural und somit in Europa befindet. Sie liegt an der Mündung des Flusses Tschagan in den Ural und hat etwa 300'000 Einwohner.
Engels ist zwar nach Friedrich Engels benannt, aber der war wie sein Genosse Karl Marx (nicht zu verwechseln mit den viel lustigeren Marx Brothers!) gar nie in Russland.

Bis Oral sind es rund 1600 km...ein Klacks...lol

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