Voraussichtliche Reisedaten

Mittwoch, 22. Mai 2019

22. Mai 2019 | Арал (Aral) - Кызылорда (Kysylorda) (KZ) | 473 km

Flugtag!

Nach dem Schwarztee mit Milch(Pulver) und viel Zucker-Frühstück flogen, nein fuhren wir los Richtung Süden. Der erste Teil der Strecke von Aral nach Айтеке Би (Ayteke Bi) verlief in etwa der ehemaligen Küstenlinie des Aralsees, wo heute eine Wüste liegt. Nichts mehr von dem schönen Steppengras mit den silbrigen Rispen, sondern viele trockene Büschel, noch mehr Sand und trockene Erde und vor allem immer mehr versalzene Vertiefungen entlang der Strasse.

Aber was da alles geflogen kam! Grosse Käfer nutzten den späten Morgen – wir sind ja nie sehr früh unterwegs, was zur Zeit noch geht, da auch am Mittag die Hitze noch erträglich ist – um ihre Flügel auszubreiten und mehr in der Luft zu torkeln als zu fliegen. Aufmerksam wurden wir auf diese Käfer, weil einer geradewegs in unsere Windschutzscheibe gekracht ist und wir schon befürchteten, ein Stein hätte sie getroffen. Der Einschlag klang wie ein etwa golfballgrosser Stein, aber die Scheibe hielt und zerbrach nicht. Zum Glück! Dann sahen wir Dutzende wenn nicht Hunderte dieser Brummer, die mehr schlecht als recht über die Strasse fegten. Auf dem Asphalt lagen viele im Flug durch fahrende Autos und Laster abgeschossene. Ein trauriges Bild – aber ausweichen war nicht möglich...selbst wenn wir gewollt hätten, denn die Flugbahn dieser Käfer ist nicht zu berechnen. Ich vermute, dass sie wie die Hummeln nach physikalischen Regeln eigentlich gar nicht fliegen können sollten...aber zum Glück wissen sie das nicht…;)

So ging es Kilometer um Kilometer durch eine trockene, trostlose Landschaft, deren Desertifikation vom homus sowjeticus verschuldet ist und deshalb noch trostloser erscheint. Ich freute mich trotzdem an der geringen aber doch vorhandenen Abwechslung mit leichten Erhebungen, einzelnen Präriehunden/Erdmännchen und immer wieder trockenen Salzpfannen oder teilweise in Rot und Hellbraun leuchtenden Tümpeln mit gesättigter Salzlösung. Ab und zu tauchten auch Trampeltiere auf, denen der Winterpelz in Fetzen vom Leib hing, oder Kuhherden oder Pferdegruppen. Es hat hier übrigens sehr viele frei laufende Pferde, die sehr schön und gepflegt aussehen, ganz im Gegensatz zu den eher abgemagerten Kühen. Jetzt im Spätfrühling sind in jeder Pferdegruppe einige Fohlen vorhanden, die mit ihrem wolligen, krausen Fell und den langen Steckenbeinen besonders süss aussehen.

Baikonur - Salatellitenschüsseln
Nach etwas mehr als 200 km tauchte am Horizont eine Silhouette einer Fabrik oder etwas Ähnlichem auf – beim Näherkommen erkannte ich Salatellitenschüsseln, die senkrecht nach oben zeigten: wir waren bei Baikonur, dem russischen Weltraumbahnhof.
Es war uns bewusst, dass wir das sogenannte Cosmodrom, den eigentlichen Raketen-Komplex, nicht würden besichtigen können, da dafür eine mindestens sechs Wochen im Voraus beantragte Besuchsgenehmigung vorliegen und der Besuch bei einem offiziellen Reiseveranstalter gebucht sein müsste. Ausserdem würde der Spass mehr kosten als die ganze bisherige Reise gekostet hat.

Das Gebiet des Cosmodroms ist nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion für weitere 50 Jahre von Russland okkupiert, äh, gemietet worden und wird von Russland verwaltet und gesichert. Ein Besuch kann nur in geführtenGruppen stattfinden und wirklich sehen tut man nichts. Man wird nur auf grosse Distanz zu den wirklich interessanten Objekten geführt und es geht dort scheinbar strenger zu als in einem Hochsicherheitsgefängnis.

Kontrollposten und Stadt Baikonur von weitem
Wir wollten aber in der Stadt Baikonur ins Museum gehen, wenigstens ein wenig Weltraumluft schnuppern und ein Selfie mit einer Statue von Juri Gagarin machen. Aber wir kamen nur bis zur Sicherheitskontrolle, einer Station ähnlich einer Grenzkontrolle, wo jedes Auto untersucht wird und nur eingelassen wird wer einen entsprechenden Ausweis oder eine Genehmigung besitzt. Lorenz diskutierte längere Zeit mit dem Ober-Haupt-Sicherheits-Beamten vor Ort, der bestätigte, dass sich ein Museum auf dem Gelände der Stadt befinde. Für das Betreten der Stadt sei aber eine Genehmigung notwendig.
Also strichen wir diesen Attraktionspunkt von unserer Liste, ich machte von Weitem ein Foto und wir fuhren weiter. So wichtig war uns das dann auch wieder nicht. Ausserdem kann man auf dem Internet viel besser und genauer sehen, was und wie dort alles funktioniert...dafür gibt es die einschlägigen Kanäle wie Youtube und ähnliche.

Also nichts mit Weltraumfliegen.

grösserer Tümpel - Rest des Flusses Sydarja
Schon wenig später verlief die Strasse entlang des Flusses Syrdarja, dem wichtigen, 2212 km langen Fluss im Südwesten Kasachstans, der aus Kirgistan kommt und einstmals den Aralsee spies. Aus ihm entnahmen schon die Khans im 19. Jahrhundert Wasser zur Bewässerung, aber erst durch die grossen Bewässerungskanäle der Sowjets, mit denen die Baumwoll- und andere Felder südlich des Aralsees bewässert werden sollten, führten dazu, dass er ab Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts gar kein Wasser mehr in diesen grossen, für das zentralasiatische Klima und gesamte Region wichtigen Sees trug.
So lagen immer wieder grössere Tümpel und kleinere Seen rechts der Strasse, die wahrscheinlich vom Rückfluss des Restwassers aus den bewässerten Gebieten gespiesen werden. Das Wasser ist übermässig salzig, weil es die Mineralien aus der Erde der bewässerten Gebiete schwemmt.

Monument zu Ehren von Korkut Ata im Drohnenfoto
Auf der Höhe von Korkut wurden die Tümpel wieder fast zu einem zusammenhängenden Fluss. Dort steht das Korkut Ata-Memorial, ein Monument, das den bei allen Turkvölkern bekannten und geschätzten Korkut Ata ehrt, der im 8./9. Jahrhundert gelebt haben dürfte. Das ist nicht vollkommen gesichert, denn es handelt sich um eine Sagen- und Legendenfigur, der unter anderem die Erfindung der Kobuz, eines Saiteninstruments, nachgesagt wird. 





Kobuz, das Instrument, das Korkut Ata erfunden haben soll
Korkut Ata soll auf der Suche nach der Unsterblichkeit an den Ufern des Syrdarja an eben dieser Stelle wo heute das Monument steht sein geliebtes Kamel geschlachtet haben und dessen Haut für das Fell des Instruments verwendet haben.










vier Stelen und Lorenz

Das 1980 errichtete Monument symbolisiert das Instrument und 
ist aus vier etwa 40 Meter hohen Stelen aus Beton errichtet, die in die vier Wind-/Himmelsrichtungen zeigen, den hier immer wehenden Wind in ihren schalenförmigen Köpfen einfangen und auf eine Konstruktion aus 40 Rohren leiten, die dann zu pfeifen beginnen und den Ton der Kobuz imitieren sollen.
Das Monument ist letztes Jahr in das Register der Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen worden. 













«Windfänger» in den vier Windrichtungen


UNESCO-Urkunde
Im Museum konnten wir etwas Hintergrundinformationen erhalten und der Aufseher gab sich alle Mühe, uns die Exponate zu erklären. Wir müssten unbedingt die Urkunde der UNESCO fotografieren, meinte er. Und das gemalte Protrait von Korkut Ata. Die Konterfeis von Staatspräsident Naserbajev, der in jedem kasachischen Museum anlässlich seines Besuchs abgebildet ist, lichtete ich jedoch nicht ab.






Porträt von Korkut Ata


Reisfelder
Jetzt veränderte sich die Landschaft drastisch. Aus der wüstenähnlichen Steppe – oder der steppenähnlichen Wüste, je nachdem wie man es sehen will – wurde ein landwirtschaftlich genutztes, grünes Land und die salzverkrusteten Tümpel und Vertiefungen nahmen ab, obwohl sie auch jetzt nich komplett verschwanden. Links und rechts der Strasse waren immer mehr Reisfelder zu sehen, die einen mit Wasser gefüllt wo einzelne Halme aus dem Wasser lugten, die anderen reich mit Reispflanzen bewachsen. 




Bewässerungskanal Shirkey
Dazwischen waren immer wieder grosse und kleine Bewässerungskanäle auszumachen, die bis zum Rand mit Wasser gefüllt waren. Hier verschwand also all das Wasser, das einstmals den Aralsee gefüllt hatte und durch sein Ausbleiben eine unglaubliche Natur- und Klimakatastrophe ausgelöst hat. Der Nutzen, ein paar Tausend Tonnen Reis oder Baumwolle oder was auch immer anbauen und ernten zu können vermag in keiner Weise die Veränderungen im lokalen und kontinentalen Klima aufzuwerten – aber das ist ein eigenes, abendfüllendes Thema.



Trampeltiere am Strassenrand
Irgendwann waren da noch die Kamele am linken Strassenrand und ich bat Lorenz, der seit dem Mittagessen in einem Restaurant am Strassenrand am Steuer des Muni sass, anzuhalten damit ich ein paar Fotos machen könne. Schon nach den ersten Schnappschüssen hielt ein Polizeiauto neben mir und ich befürchtete eine Standpauke, man dürfe hier nicht anhalten oder so etwas.
Aber nichts dergleichen.






2 freundliche Polizisten, 1 Xoff, 1 Kamm (im Bart), 1 Muni
Die beiden Polizisten hatten unser Fahrzeug gesehen, stiegen aus, begrüssten uns mit Handschlag und wir begannen mit Sprachfetzen in Englisch, Russisch, Kasachisch, Deutsch und Tante Googles Übersetzerdienst ein kleines Gespräch über unsere Reise, das Fahrzeug, die Schweiz und alles mögliche andere. Einer bot mir eine Zigarette an, der andere fragte, ob wir nicht ein Geschenk aus der Schweiz dabei hätten. Ich holte zwei kleine Victorinox-Saggmässer aus dem Muni und er schenkte Lorenz eine Packung kasachische Pflaster und mir einen Kamm für meinen Bart. Bevor wir uns verabschiedeten machten wir noch Fotos mit ihren Handies und meiner Kamera.

So möchte ich gern einmal von einem Schweizer Polizisten angehalten werden!

Umzug nach Usbekistan
Der Rest der Strecke war mit einem weiteren erwähnenswerten Highlight gespickt: da wir immer näher an Thailand, Indien und die südosasiatischen Länder kommen, gleichen sich die Transportmethoden entsprechend an: es wird geladen was das Zeug hält!










typischer TIR-Rastplatz
Bei Kyslorda fuhren wir müde auf einen TIR-Parkplatz für Lastwagen, wo wir wieder einmal sehr kuschelig zwischen zwei Vierzigtönnern mit mehreren Millionen Kilometern auf dem Tacho stehen und von bewaffneten Sicherheitsleuten im mit rot-blau-Polizeilicht-bewehrten SUV bewacht werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

21. Juli 2019 | Basel | Danke!

Rumänien - Constanta Ich sitze knappe 48 Stunden nach unserer Rückkehr in die Schweiz gemütlich in Susannes Wohnzimmer bei einen Schw...