Voraussichtliche Reisedaten

Freitag, 19. Juli 2019

18. Juli 2019 | Яворив (Jaworiv) (UA) – Jaroslaw – Rzeszow – Tarnow – Krakow (Krakau) – Katowice – Wroclaw – Legnica (PL) | 619 km | Adieu Ukraine – Willkommen Polen

Das Brot, das wir gestern beim Abendessen im Restaurant zugekauft hatten ergänzte heute bestens meinen Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker...und kurz nach 8 Uhr waren wir bereits wieder auf Achse.

der Muni bereit zur nächsten Tagesetappe

Die paar Kilometer bis zur Grenze zu Polen waren rasch geschafft – etwas länger dauerte der Grenzübertritt bei Краковець (Krakowez). Angefangen hat es damit, dass die Autobahn plötzlich an einem Kreisel aufhörte wo sich der Verkehr bereits staute. Auf den eigentlich zwei Spuren im Kreisel standen bereits jeweils drei Autos, Lieferwagen und Lastwagen nebeneinander und immer mehr drängten sich nach vorne – wie wenn dadurch der Grenzübertritt schneller vonstatten gehen würde. Es war wie im Wilden Westen: jeder schaute nur für sich und versuchte, einen oder zwei Plätze weiter nach vorne zu kommen. Wir als anständige Schweizer standen schön in der Reihe und versuchten wenigstens ein bisschen die allzu dreisten Drängler zu blockieren, was uns aber nur bedingt gelang, denn sie waren gnadenlos. Am besten machte es eine Nonne, die sich mit ihrem kleinen Allrad-Mini-Jeep der Mittelleitplanke entlang nach vorne kämpfte so weit es ging und dann von Auto zu Auto ging und – ich weiss nicht mit welchen Argumenten – um Durchlass bat. Vielleicht versprach sie den Lenkern das Himmelreich oder einen der beten Plätze im Jenseits oder aber sie erteilte schnell mal die Absolution für die Sünden der letzten drei Monate...es half ihr aber nicht viel...auch sie musste warten.
Besonders amüsant wurde es, wenn die Drängler versuchten, sich an den Zollbeamten vorbei zu mogeln...dann setzte es jeweils ein wortstarke Diskussion ab und sie wurden zurück gepfiffen.

in der Schlange am Zoll (bereits nach dem grossen Gedränge)

Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass an den Grenzübergängen die Reifen der Fahrzeuge desinfiziert werden. Hier mussten wir zum Beispiel über mit Desinfektionsmittel getränkte Schaumstoff-Matratzen fahren...ich frage mich ernsthaft, ob das etwas bringt. An der Grenze zwischen Russland und der Ukraine mussten wir durch eine Schleuse fahren, in der unser Fahrzeug sogar von oben bis unten eingesprayt wurde.

Obwohl die Beamten auf beiden Seiten relativ speditiv abfertigten dauerte der Übertritt unglaubliche vier Stunden. Wir wurden so genau kontrolliert wie noch nie bisher und waren erstaunt über das komplizierte Prozedere trotz elektronischer Erfassung und biometrischer Pässe.

die polnische Zollstation - die letzte Kontrolle ist in Reichweite

Als wir die letzte Schranke passiert hatten jubelten wir und beglückwünschten uns zum letzten Grenzübertritt, bei dem wir kontrolliert wurden. Es waren 12 Grenzübertritte dieser Art, also 24 Grenzkontrollen die wir über uns haben ergehen lassen müssen...einige waren reibungslos, anders kompliziert und umständlich. An vielen Grenzen wurden wir ausserordentlich freundlich und zuvorkommend behandelt, einige Mal wurden wir herzlich willkommen geheissen, was uns natürlich besonders freute.

Dank der Zeitumstellung auf die Mitteleuropäische Sommerzeit gewannen wir wieder eine Stunde, so dass die vier Stunden Warte- und Abfertigungszeit nur mit einem Verlust von drei Stunden Fahrzeit im Tag zu Buche schlugen...bei solch grossen Distanzen muss man jede Minute nutzen und da kommt einem eben so ein Zeitzonenwechsel sehr gelegen...hihi.

erste Kilometer auf der Kohäsionsmilliarden-Autobahn

Also konnten wir am Mittag bereits die Kohäsionsmilliarden-Autobahn in Polen in Angriff nehmen. Diese Autobahn ist etwas von Feinsten was wir auf unserer gesamten Reise befahren haben...die Schlaglöcher sind bestenfalls fünflibergross und Bodenwellen oder Spurrillen muss man sich denken. Am stärksten schlägt die Dicke der Markierungsfarbe zu Buche – man fährt wie auf einem Samtteppich und spürt im Fahrzeug absolut keine Erschütterungen. Der Verkehr war – zumindest bis Krakau – sehr schwach und wir konnten fast den ganzen Rest des Tages mit konstanten 80 km/h fahren...abgesehen von den etwa vier kleinen Baustellen und einem kurzen Stau bei einer Verengung von drei auf eine Spur vor einer dieser Baustellen.

polnische Landschaft

Erstaunlich war, wie stark sich die Landschaft mit dem Grenzübertritt verändert hat! War bereits die Ukraine sehr europäisch was die Landwirtschaft und die Erscheinung der Landschaft angeht, so kam ich mir in Polen wie im unteren Fricktal vor. Fein herausgeputzte Felder, sauber angelegte Feldwege, aufgeräumte Dörfer, absolut kein «Unkraut» in den Getreide- und Maisfeldern, klar abgegrenzte Waldstücke, eine Autobahn mit seitlichem Zaun und breitem Mittelstreifen, Amphibienzäunen und gut ausgeschilderten Verzweigungen...nur die ersehnte Raststätte mit Restaurant und Maut-Gerät-Aufladestation wollte und wollte nicht kommen. Es gab zwar Parkplätze aber wir wollten etwas essen und mussten das Gerät zur automatischen Bezahlung der Autobahnmaut aufladen. Nach sagenhaften 130 km kam endlich die erste Raststätte, wo wir uns mit einem frisch zubereiteten Sandwich verpflegten..nur das Gerät wollte niemand mit Geld aufladen.


Hier kostet ein Kilometer Autobahn 0.70 Sloti, umgerechnet etwa 25 Rappen...auf Schweizer Verhältnisse umgelegt etwa gleich viel wie wenn man mit der Schweizer Autobahnvignette für 40 Franken nur einmal von Basel nach Chiasso (etwa 250 km) fährt. Mir wurde hier bewusst, wie günstig das Autobahnfahren in der Schweiz ist...günstiger ist nur es nur in Ländern wo keine Gebühren erhoben werden. Wir konnten das Mautgerät später noch an einer Tankstelle aufladen.


Also fuhren wir weiter und kamen an Städten und Landschaften vorbei, die ich sehr gerne in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft in Ruhe und mit dem Fotoapparat bewaffnet zu bereisen hoffe. Überhaupt scheint mir Polen ein sehr interessantes und fotogenes Land zu sein...es hat neben der saftigen Landschaft auch viele Bergbaugebiete und scheinbar schöne und interessante Städte.

Kohäsionsmilliarden-Brücke

Da das Getreide bereits erntereif ist sahen wir an vielen Orten Mähdrescher in Staubwolken ihre Bahnen ziehen...besonders im Licht der tief stehenden Abendsonne ergab das schöne Ansichten und ich hätte in paar Mal gerne mehr Zeit gehabt um diese Situationen fotografisch festhalten zu versuchen. Wenigstens gelangen mit ein paar schöne Schnappschüsse von der untergehenden Sonne.


Wir fuhren heute bis um acht Uhr am Abend – so holten wir ein wenig der «verlorenen» Zeit am Grenzübergang ein und erreichten eine stolze Tagesstrecke. Jetzt sind es nur noch etwas mehr als 900 Kilometer bis nach Basel und wir werden sehr wahrscheinlich übermorgen Samstag in Basel ankommen….sofern der Verkehr in Deutschland nicht allzu heftig ist und uns sonst nichts dazwischen kommt.

Eigentlich hätten wir gerne bei unserer Ankunft Freunde und Familie in einem Empfangscomité vereint gesehen und vor einem riesigen Willkommensplakat unsere Heimkehr fotografisch festgehalten...aber im Gegensatz zur präzise planbaren Abfahrt lässt sich die Heimkehr nicht genau festlegen. Es sind zu viele Parameter, die den Zeitpunkt derAnkunft in Basel, resp. Bern beeinflussen, so dass wir uns schweren Herzens für eine einsame und klammheimliche Heimkehr entschieden haben.
Lorenz wird mich an den Hafen in Basel fahren, dort werde ich meine sieben Sachen auspacken und sie mit Susannes «MamaMobil», dem Auto ihrer verstorbenen Mutter, in die Stadt und zu meiner vorübergehenden Wohnadresse bei meiner Liebsten fahren...Lorenz wird dann alleine nach Hause bei Bern fahren und dort von seiner Familie mit Begeisterung empfangen werden.
Irgendwie bin ich ganz froh, dass kein zahlreiches Empfangspublikum vorhanden sein wird, denn nach all den vielen Kilometern, gefüllt mit Millionen von Eindrücken, etwas traurig über das Ende eines grossen Abenteuers und sicher ziemlich müde von der weiten und kräftezehrenden Heimreise werde ich es geniessen, meine Sachen in Ruhe alleine zu versorgen, in Ruhe in meiner Heimatstadt anzukommen und die ersten Stunden ganz ruhig und gelassen angehen.


Jetzt lege ich mich dann das zweitletzte Mal in mein Hochbett im Shelter, höre die in der Ferne vorbeiziehenden Fahrzeuge auf der Autobahn und lasse wie jeden Abend das Gute und Schöne Revue passieren und werde mit Erinnerungen an unvergessliche Momente der letzten dreieinhalb Monate einschlafen.


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