Neben dem guten, sonnigen und perfekten Wetter ist der zweite sichere Wert dieser Reise natürlich mein Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker, den ich mir heute in der Küche des «Nice Hostel» in Karakol braute, weil wir zum Abschied von Vreni und Werner unseren Mini-Backofen zum Toasten des Brots dorthin transportiert hatten und ein gemeinsames frühes Frühstück vor dem Besuch des sonntäglichen Viehmarkts genossen.
Wir fuhren zu viert mit dem Muni an den Markt, Vreni und Lorenz in der Kabine und die beiden alten Männer durften es sich im Shelter bequem machen. Als wir um halb neun Uhr ankamen war der grösste Rummel bereits vorbei, beginnt der Markt doch um 4 Uhr in der Früh. So frür konnten wir selbstverständlich nicht aufstehen ohne dass unser Schönheitsschlaf gelitten hätte...und wir müssen schliesslich ein wenig aufpassen dass die Strapazenfalten nicht zu tief werden, wo wir uns doch heute auf dem Heimweg begeben wollten.
Trotzdem war noch viel los auf dem Markt. Da standen die Verkäufer, die noch Vieh feil hielten neben den stolzen Besitzern neuer Nutztiere. Es wurden vor allem Pferde, Kühe, Schafe und Ziegen angeboten, jeweils in allen Altersklassen und beiden Geschlechtern. Die Tiere wurden aus der näheren und fernen Umgebung am Vortag oder in der Nacht mit Lastwagen her gefahren.
Es gab auch Hufschmiede, die vor Ort Pferden neue Hufeisen anpassten, was anders als ich es bei uns schon gesehen hatte, «kalt» vorgenommen wird, das heisst, die Eisen werden nicht am Platz geschmiedet und dann heiß angepasst, sondern es wird ein einigermassen passendes Eisen an den Huf gehalten, dann der Huf zurechtgeschnitten und anschliessend das Eisen angenagelt. Die Pferde werden dafür in ein Gestell gebunden, wogegen sie sich oft stark zur Wehr setzen. Es wird nicht zimperlich mit den Tieren umgegangen und die Tiere sind sich diese Behandlung absolut nicht gewohnt, denn sie sind die meiste Zeit frei auf den Weiden unterwegs und kommen selten mit Menschen in Kontakt. So hatte ich auch das Gefühl, dass viele Tiere unter Stress standen, allein weil auf einmal so viele Menschen um sie herum liefen und standen.
Die vielen Rinder, Kühe, Kälber und Stiere, die teilweise sehr knapp an Stangen gebunden waren, standen stoisch da und warteten bis sie abtransportiert wurden. Einige Kälber waren sehr jung und lagen neben ihren Müttern, die Stiere waren separiert von den Kühen und beeindruckten durch ihre Grösse und offensichtliche Kraft.
Am lebhaftesten ging es bei den Schafen und Ziegen zu, wo ein unüberhörbares Blök-Konzert stattfand. Die Bauern hatten ihre liebe Mühe, die gekauften Schafe zu den Transportern zu führen, da die Tiere sehr eigensinnig in alle Richtungen davon liefen und sich manchmal gegen den Ortswechsel sträubten.
Der Transport auf den Lastwagen, die nicht für Tiertransport eingerichtet sind, hinterliess bei ein paar Tieren seine Spuren – Verletzungen sind dabei leider oft nicht zu vermeiden.
Am lustigsten waren die Touristen, die sich die Schuhe mit Plastiktüten eingepackt hatten und wie Besucher einer Fabrik zur Herstellung von Esswaren oder Microchips aussahen. Wahrscheinlich hatten ihnen die Fahrer ihrer Touristenbusse diese Plastiktüten gegeben, damit nachträglich ihr Fahrzeug nicht nach Kuhmist stinkt. Oder sie wollten einfach ihre weissen und rosaroten Turnschuhe, nein, sorry, Sneakers und die fein gepflegten Füsse in den Designsandalen vor den Exkrementen der Nutztiere schützen.
Riesige Moräne vor dem Tien-Shan-Gebirge |
Bei mir hinterliess der Markt gemischte Gefühle – einerseits gefielen mir das Treiben und die Geschäftigkeit der Bauern sowie die vielen schönen Tiere, andererseits weckten die Verletzungen, der Stress und die Behandlung der Tiere in mir Mitgefühl und -leid mit den Kreaturen, die so hilflos den Launen und dem oft fehlenden Feingefühl der Menschen ausgesetzt sind.
Werner, Xoff, Lorenz und Vreni |
Wir verabschiedeten uns auf dem Markt von Vreni und ihrem Vater Werner und wünschten den beiden auf ihrer abenteuerlichen weiteren Reise nur das Beste und vor allem keine Pannen und andere Widrigkeiten. Sie haben ein sehr sportliches Programm vor sich, wollen sie doch noch durch die Mongolei und an den Baikalsee fahren und müssen Ende August zu Hause sein, da Vreni am 1. September eine neue Stelle antritt. Wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt mit ihnen und verfolgen ihre weitere Reise aufmerksam...die Ersatzteile, die sie uns mitgegeben haben, können wir ihnen jedoch nicht mehr aushändigen...aber Werner meinte mit Überzeugung, dass sie diese nicht mehr gebrauchten. Hoffen wir, dass er Recht behält!
Lorenz und ich fuhren kurz vor 11 Uhr in Karakol Richtung Norden und kasachische Grenze los. Etwa 75 km nordöstlich von Karakol gibt es einen kleinen Grenzübergang nach Kasachstan, den wir durch ein sehr grünes Tal erreichten. Die Strasse dorthin war zuerst wirklich gut und wir konnten die ersten 30 km zügig fahren. Aus der grossen Ebene östlich des Yssyköl-Sees fuhren wir in ein Tal zwischen den Hügeln aus Sedimenten, entlang riesiger Moränen ehemaliger Gletscher und durch eine intensiv landwirtschaftlich genutzte Gegend. Die Felder waren wie überall in Kirgisistan relativ klein und sehr abwechslungsreich. Zwischen den Feldern und teilweise auch mitten im Korn und Mais blühten viele Gräser und Blumen in verschiedensten Farben, was der Szenerie ein farbiges und sehr schönes Antlitz verlieh.
Bienenhaussiedlung |
Langsam stieg die Strasse von 1600 m.ü.M. in der Ebene des Yssyköl-Sees auf rund 2000 m.ü.M. an und schlängelte sich entlang eines Bachs, der das bis in den Talgrund bewaldete Hügeltal durchschnitt. Einige Jurten und Bienenhaussiedlungen, die teilweise auf Lastwagen-Anhängern gestapelt waren sowie die unverzichtbaren und wie immer die besten Blicke auf die Landschaft störenden Stromleitungen waren die einzigen Zeichen der Zivilisation.
Nach einem kleinen Pass führte uns die Strasse auf eine Hochebene, die von den Blüten verschiedener Pflanzen in Violett, Orange, Blau und Gelb leuchtete. Es war ein grandioses Farbenspiel, das mit der Kamera kaum festzuhalten ist.
Mitten in der Pampa stand da dieser Газ (Gas)-Lastwagen in Himmelblau, der ein wunderbares Fotosujet abgab – wir dachten einen Moment daran, das Fahrzeug zu wechseln, aber ein Blick in den Hohlraum unter der Motorhaube liess uns die Idee gleich wieder begraben: einer von uns hätte im Motorraum stehen und mit den Füssen den fehlenden Motor ersetzen müssen, was dann doch ein wenig zu anstrengend gewesen wäre...ausserdem muss der letzte Besitzer des alten «Möbels» keinen sehr strengen Wartungsplan verfolgt haben, zumindest liess uns das Leck an der Hinterachse dies schliessen. Würden unsere Planetengetriebe in den Hinterrädern derart lecken, hätten wir ein Problem. Noch eins. Ausserdem schien der Luftdruck in den Reifen auch für härtestes Gelände zu etwas zu gering zu sein…;)
Aber die Fotos (ich habe natürlich ein paar mehr gemacht als ich hier zeigen kann) gefallen mir ausserordentlich...vor allem wegen des Zusammenspiels der Farben von Himmel und Lackierung.
Schon bald kam dann die Grenze zu Kasachstan in Sicht und wir wurden an den beiden kleinen Zollämtern sehr speditiv und freundlich abgefertigt und konnten uns schon nach weniger als einer halben Stunde zum erfolgreichen Grenzübertritt gratulieren.
Fuhren wir auf kirgisischer Seite zuletzt auf einer Schotterpiste, die teilweise von einer sich in Auflösung befindlichen Asphalt-Strasse abgelöst worden war, erwartete uns jetzt in Kasachstan eine Schotter-Hilfspiste neben einer frisch gelegten Trasse ohne den abschliessenden Asphaltbelag, die nur langsam befahren werden konnte. Als wir etwas später auf eine Strasse geleitet wurden, hofften wir vergeblich, eine anständige Trasse befahren zu können: der grösstenteils durchgehende Asphaltbelag war so deformiert, dass eine Bodenwelle die vorherige ablöste und unser Muni veritable Bocksprünge gemacht hätte, wären wir schneller als 30-40 km/h gefahren.
Nach der Grenze wollten wir den etwa 75 km entfernten Sharyn-Canyon besuchen und dort wenn möglich die Nacht verbringen. 15 km nachdem wir den Fluss Sharyn überquert hatten zweigte eine nigelnagelneue Strasse rechts ab und führte uns wie auf Schienen zum kostenpflichtigen Besucherparkplatz am Canyon. Der Eintritt für zwei Personen und ein grosses Fahrzeug betrug 1600 Tenge (rund 4 Franken) und ist gültig für 24 Stunden.
Wir fuhren so nahe es ging an den Canyon und platzierten unseren Lastwagen auf der Kuppe eines kleinen Hügels mit Aussicht auf den Canyon, packten die Campingstühle aus und genossen die Aussicht bei bestem Licht am späten Nachmittag. Später, als das Licht noch besser wurde und die meisten Besucher sich verzogen hatten, machte ich mich zum Fotografieren auf und konnte ein paar schöne Fotos schiessen.
Das einfach Abendessen, bestehend aus einer Suppe und Brot schmeckte uns beim Sonnenuntergang besonders gut und wir genossen den zu Ende gehenden Tag in vollen Zügen bei einem entspannten Therapiegespräch, in dem wir beide eine sehr gute Bilanz über die vergangene Woche zogen und uns beide auf die Heimkehr freuten, auch wenn diese noch ein Weilchen dauert.
Zufahrtsstrasse zum Canyon...wunderbarer Belag mit grandioser Aussicht |
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