Voraussichtliche Reisedaten

Freitag, 5. Juli 2019

5. Juli 2019 | Тальменка (Talmenka) - Барабинск (Barabisnk) (RU) | 469 km | Sibirisches Sumpfland

Natürlich schmeckte der Schwarztee aus der Hotelküche nicht so fein wie mein selber gebrauter mit Milch(pulver) und viel Zucker und die beiden Crêpes nährten nicht so reichhaltig wie unser Toast aus dem Minibackofen mit Butter und georgischer Rauchgeschmack-Gumfi...aber es war auch einmal sehr schön, von einer jungen Servierdüse bedient zu werden und zum Frühstück russisches Verblödungs-TV zu schauen…;)

Unser Standplatz beim Hotel - der Himmel ist stark bewölkt!

Nach dem Frühstück war die Wartung unseres Fahrzeugs angesagt, denn es sollte ja noch mindestens bis in die Schweiz tadellos seinen Dienst tun. Wir hatten seit gestern ein kleines Problem: das Kupplungspedal geht nach dem Auskuppeln nicht mehr ganz in seine Ruheposition zurück.
Lorenz hatte gestern noch im Allradforum eine Anfrage gestartet und erhielt ein paar kompetente Auskünfte zur Kupplung unseres Iveco 110-17. Allerdings vermochten diese unsere langen, fragenden Gesichter nicht ganz zu eliminieren, aber wir waren dennoch froh zu wissen, dass scheinbar alles in Ordnung sei und wir uns keine Sorgen zu machen bräuchten. Das Kuppeln funktioniert nach wie vor, aber auch nach dem Ölen des Pedal-Lagers schnellt es immer noch nicht immer in seine Ruheposition zurück. Das ist ein wenig mühsam beim Fahren, da es sich sehr langsam zurück bewegt oder gar mit dem linken Fuss ein wenig nachgeholfen werden muss indem man es anhebt. Lorenz meinte zwar, wir sollten so wenig wie möglich kuppeln – ich meine aber, dass ausser der Schwergängigkeit des Pedal-Lagers kein Problem vorliegt.


Selbstverständlich wurden alle Schmiernippel bedient und wir pumpten auch die Reifen wieder mit mehr Druck voll, weil auf den russischen Strassen und Autobahnen ein höherer Druck weniger Verschleiss und Diesel-Verbrauch bewirkt...niedriger Reifendruck erhöht die Federqualitäten, welche auf diesen guten Strassen ohne Schlaglöcher nicht mehr so gefragt sind. Das Befüllen der Reifen können wir übrigens mit der Pneumatik des Lastwagens erledigen...ein besonders langer Luftschlauch mit Lastwagen-Ventil liegt immer griffbereit in einem der Seitenkästen.

Dieser Tag begann mit bewölktem Himmel, etwas ganz Neuem für uns, die wir strahlenden Sonnenschein von morgens bis abends gewohnt sind – wir sind bisher auf unserer Reise mit Ausnahme der ersten beiden Wochen wahrlich verwöhnt worden und haben beide 70%-Kakao-schokoladendunkelbraune Arme bis zum T-Shirt-Ärmel-Anfang, schokoladenbraune Gesichter und Nacken und milchschokoladenbraune Unterschenkel bis zur Unterkante der Shorts, die wir bei heissem Wetter zum Fahren tragen.

Etwas störend waren die Millionen von Mücken, die sogar von unserem weltbesten Anitmückenmittel Antibrumm® unbeeindruckt blieben und uns ohne zu stechen mit ihrem aufdringlichen Bedürfnis nach menschlicher Nähe fast zum Wahnsinn trieben. Wieso bevorzugen eigentlich Mücken jeglicher Art und Provenienz immer die Ohren?, eine Frage, die mich gestern und vor allem heute morgen umtrieb und auf die ich keine Antwort fand.

Nach erfolgter Wartung und der obligaten täglichen Kontrolle aller wichtigen Teile konnten wir uns im Hotel/Restaurant verabschieden und die Strasse unter die Räder nehmen.

Искитим (Iskitim) mit Industrie

Unsere Route nordwärts Richtung Новосибирск (Novosibirsk) führte uns auf einer guten Hauptverbindungsstrasse durch saftig grüne Wälder und an riesigen Getreide- und Sonnenblumenfeldern, an kleinen Orten mit teilweise sehr baufälligen Häusern und Hütten sowie an Industriestädten, Abraumhalden die auf den Abbau von Bodenschätzen schliessen liessen und Schwerindustrieanlagen mit schwarz rauchenden Kaminen und riesengrossen Produktionshallen vorbei.



Endlich konnte ich bei guten Sonnenstand ein paar Datschen – wir würden sie Schrebergartenhäuschen nennen – fotografieren, die bei Искитим (Iskitim) gleich neben der Strasse in einer grösseren Ansammlung standen. Wenn man die halbzerfallenen Mehrfamilienhäuser sowjetischer Bauart betrachtet wird einem klar, dass diejenigen, die in solchen Plattenbauten wohnen (müssen), jede freie Stunde in ihrer Datscha mit Gemüsegarten verbringen und dort ihr kleines Paradies pflegen. So ein Minihäuschen – ich habe es gestern schon geschrieben – würde mir als permanenten Wohnsitz sehr gut gefallen! Ich würde es unterkellern, hätte im Erdgeschoss eine kleine Wohnküche mit zentralem Ofen und auf dem Boden ein Büroschlafzimmer...und würde sobald es die Temperaturen zulassen die meiste Zeit des Tages draussen unter meiner Pergola mit Weintrauben verbringen. In so einem kleinen Häuschen könnte ich endlich mein seit Jahren gesammeltes Meeresstrand-Fundgut für die Gestaltung meines Traumbadezimmerchens verwenden. Am liebsten würde ich das Haus nach alter Elsässer Riegelbauweise mit Lehmwänden ausführen und den Ofen mit Holz befeuern. Ich glaube, 100 bis 150 m² würden mir reichen..Angebote bitte direkt an mich...hihi.

heruntergeirtschafteter Sowjet-Plattenbau




Als wir Новосибирск (Novosibirsk) näher kamen wurde die Besiedelung dichter – aber die Stadt liegt in einem stark bewaldeten Gebiet, so dass man nur sehr wenig von den Häusern und der Stadt selber sieht wenn man daran vorbei fährt. Da unser Fahrzeug in den Städten nicht zugelassen ist, versuchten wir eine Umfahrungsstrasse zu finden, welche aber weder ausgeschildert ist noch überhaupt zu existieren scheint. Mit Hilfe von Tante Googles Karten auf meinem Fairphone fanden wir aber einen Weg am Zentrum vorbei.

der Оьб (Ob) bei Новосибирск (Novosibirsk)

Besonders beeindruckend ist der Fluss Оьб (Ob), der hier für die Stromgewinnung aufgestaut ist und einen riesigen See bildet.

Flusskraftwerk bei Новосибирск (Novosibirsk)

Ab Новосибирск (Novosibirsk) fuhren wir Richtung Westen. Die Landschaft änderte sich. Jetzt waren Birken die vorherrschenden Bäume, die sowohl in grossen Waldstücken als auch in kleineren Gruppen in sehr sumpfigem und nassem Land standen. Immer wieder waren grosse Flächen frei von Bäumen und liessen die unendlichen Weiten Sibiriens erahnen. Diese Landschaft durchfuhren wir auf über 300 km und werden noch mindestens 700 km durch die gleiche Landschaft fahren. Mit der Zeit wird es eintönig und trotzdem liebe ich es, meinen Blick über das Land schweifen zu lassen und entdecke immer wieder Spezielles und Schönes.

typische sibirische Sumpflandschaft

Siedlungen und Städte sind in dieser Gegend rar und die nächste Parallelstrasse ist rund 200 km weit entfernt. Es sind unvorstellbare Dimensionen, die sich uns zeigen und wir können die wahre Grösse des Landes nur erahnen. Von unserem heutigen Standort sind es noch fast 6000 km bis in die Schweiz – und bis ans andere Ende Russlands an der Beringstrasse sind es mindestens noch einmal so viele Kilometer...wenn man sie befahren könnte, was aufgrund fehlender Strassen jedoch unmöglich ist.

Birken, Birken, Birken

Eine kleine Bemerkung zu den Distanzen: wir wurden seit unserem Entscheid, nicht in die Mongolei und an den Baikalsee zu fahren von mehreren Freunden gefragt, warum wir diesen Entscheid gefasst hätten, wir seien doch so nahe. Die Strecke nach Ulanbator, der Hauptstadt der Mongolei, ist etwa gleich weit wie diejenige von der Schweiz ans Nordkap...und doch fährt nicht jeder dort hin, obwohl es doch so nah ist.


Nähe ist sehr relativ.
Wir haben bisher über 15'000 km zurück gelegt und sind reich gefüllt mit Eindrücken und Erlebnissen, so dass wir ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen oder «doch so nahe zu sein» den Rückweg antreten können. Es ist unserer Meinung unbestritten besser umzukehren so lange wir noch Spass am Reisen haben und uns an die vielen Erlebnisse und Landschaften erinnern können, als am äussersten Punkt vor einem Heimweg von 10'000 km zu stehen und diesen mit einer Stinklaune anzutreten.
Pläne sind da um geändert zu werden...oder «Willst du Gott zum Lachen bringen, so erzähl ihm von Deinen Plänen», fällt mir da ein...ein kirgisisches Sprichwort, das uns Manas im Turan-Jurten-Camp nahe gebracht hat.


Das Verhalten der russischen Auto- und Lastwagenfahrer ist bisweilen sehr gewöhnungsbedürftig. Vor allem das Überholen bei dichten Gegenverkehr. Auf den langen Geraden sind Abstand und Geschwindigkeit entgegenkommender Fahrzeuge oft schwer abzuschätzen...und die Geduld, resp. der Wille den Fuss vom Gaspedal zu nehmen sind bei Russen sehr gering. Also wir wacker überholt, auch wenn es überhaupt keinen Sinn macht weil die Schlange an Fahrzeugen elend lang ist. Besonders verwegene Piloten überholen vor einem Rotlicht oder einer Baustelle stehende Kolonnen und drängen sich am Kopfende halbwegs zwischen die Fahrzeuge wenn sie losfahren können. Auf den Gegenverkehr wird dabei keine Rücksicht genommen, sondern der Egoismus des Einzelnen steht über Verkehrsregeln, dem Anstand und der Sicherheit aller. Es gibt trotzdem relativ selten Unfälle – wenn aber zwei Wegen des Drängelns zusammen stossen, so kann es leicht vorkommen, dass einer seinen Baseball-Schläger in der Hand schwingend zur Diskussion um den Unfallhergang schreitet, wie wir es in Новосибирск (Novosibirsk) gesehen haben. Leider hatte ich meine Kamera nicht bereit und wir konnten wegen des Verkehrs und aus Gründen des Anstands (sic!) nicht anhalten.

Lastwagenparkplatz bei Барабиск (Barabisnk)

Heute schlafen wir auf einem Lastwagenparkplatz gleich neben der Hauptverkehrsachse Новосибирск (Novosibirsk) – Омск (Omsk), wo ein Wächter für die Nachtruhe und den Frieden verantwortlich ist..wir wollen kein Risiko eingehen indem wir auf freiem Feld oder in einer Dorf- oder Stadtstrasse übernachten...ausserdem haben wir hier die Möglichkeit im Restaurant zu essen.

Lorenz und die tiefstehende Sonne

Da wir die Speisekarte meist nur ansatzweise verstehen und nicht immer das Gleiche essen wollen zeigen wir einfach mit dem Finger auf ein Gericht und essen dann was auf den Tisch kommt. Das ist bisweilen sehr spannend und interessant…es ist auch schon vorgekommen – vor allem in den zentralasiatischen Staaten – dass wir etwas haben stehen lassen müssen weil es für unsere Gaumen schlicht zu speziell war oder weil das Fleisch zäh und sehr fettig war. Meistens fahren wir aber mit unserer Strategie gut und speisen ausgezeichnet.

Seit dem Beginn meines heutigen Berichtschreibens in der Kabine hat sich der Parkplatz mit Lastwagen gefüllt und mehrere Fahrer sind schon ans Fenster gekommen und wollten wissen, wo wir durch fahren, was es für ein Lastwagen sei und Fragen über viele Details, die ich mangels Russischkenntnissen leider oft nur schwer verstehe. Die angeregten Diskussionen haben wir heute mit Mimik und Gestik und Bruchstücken vieler Sprachen einigermassen führen können und am Ende gelacht und uns als Друзья («Druzya», Freunde) verabschiedet.


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