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Samstag, 1. Juni 2019

1. Juni 2019 | Samarkand (KZ) | Regen- und Wartetag

Der heutige Tag begann regnerisch, nachdem wir seit dem Verlassen Georgiens am 7. Mai vierundzwanzig regenfreie Tage hatten auf der Fahrt durch Russland und Kasachstan und bis hierher nach Samarkand. Gestern hatte es auch geregnet, als ich auf dem Basar war und die Wolken verzogen sich zwar, kamen aber in der Nacht wieder und entluden sich in Gewittern über diesem Teil Usbekistans. Durch den Regen und die teilweise dichte Wolkendecke war es heute relativ kühl...das heisst, es war nicht heisser als 30° C.

Ich genoss diesen Tag ohne jegliche touristischen Unternehmungen und blieb beim Fahrzeug. 
In Christoph Ransmayers «Atlas eines ängstlichen Mannes» lesend, Briefe und Emails schreibend, einfach nichts tuend und die Ruhe geniessend verbrachte ich einen wunderbaren Tag ganz alleine, nur durch kurze Besuche der Angestellten des Schulbuchverlags und der beiden kleinen anhänglichen Hunde auf dem Areal unterbrochen.
Xoff und vier der Freunde vom Schulbuchverlag Samarkand (der eine liegt hinten rechts)
Ich erlegte mir diesen Ruhetag freiwillig und ganz bewusst auf, denn die vielen Erlebnisse der letzten Tage, die Besichtigungen der Sehenswürdigkeiten, die Gespräche mit Einheimischen und anderen Reisenden sollten sich setzen und ich wollte zu mir kommen. Das mache ich am liebsten alleine und ohne jegliches Programm.

Dabei sind mir keine bahnbrechenden Erkenntnisse gekommen und ich habe auch nicht wirklich etwas zu erzählen, das den oder die sensationshungrige/n Leser/in begeistern könnte. Aber mir ist bewusst geworden, in was für einer sensationell komfortablen Lage ich mich befinde, diese Reise unternehmen zu können und dabei eben nicht einem festgelegten Ablauf oder einem strikten Tagesprogramm folgen zu müssen. Diese ruhige, entspannte Art des Reisens und die Freiheit, auch getrost einen Tag lang absolut nichts «gewinnbringendes» zu unternehmen, ist ein grossartiger Luxus! Er befreit mich von der Notwendigkeit, nach Zielen Ausschau halten, etwas fotografisch oder anderswie festhalten oder Entscheidungen treffen zu müssen.

In zweiwöchigen Ferien wäre mir dieser Tag als «verlorener Tag» vorgekommen, denn dort musste ich immer die Zeit nutzen um die geplante Route bewältigen zu können, auf keinen Fall etwas auszulassen und an nichts vorbei zu fahren, das ich gerne gesehen hätte.
Auch hier gäbe es noch vieles anzuschauen, einige Mausoleen und Moscheen harren noch der Entdeckung und den grössten Teil der Stadt habe ich noch gar nicht gesehen...aber mir wurde klar, dass diese Reise weit weg von zu Hause vor allem eine Reise in mein Innerstes ist.

Komisch, dass man so weit entfernt von der Heimat so nah zu sich selber kommt und aus der Distanz im Grunde viel näher ist. Das mag daran liegen, dass der Alltag nicht mehr behindert und die eingespielten Mechanismen nicht mehr spielen. Es sind keine Pendenzen offen, die erledigt werden müssen und keine Erledigungen zu verrichten...auch wenn ich wollte, die meisten Dinge, die mir an einem freien Tag zu Hause als Tätigkeiten in den Sinn kämen, kann ich hier gar nicht angehen.

Mit einem derart freien Kopf erscheinen jedoch plötzlich ganz neue, andere Dinge am Horizont des Bewusstseins und werden mir sonst verschwommene Zusammenhänge klar und leicht verständlich.

Das tut sehr gut, befreit von Ballast und lässt mich offener und leichtfüssiger Denken ohne mich dabei wirklich anstrengen zu müssen.

Das Verrückte ist am Ende dieses Tages, dass mir die Belastung des Alltags, auch wenn er noch so locker und flockig daherkommen mag, bewusst und klar wird.

Jetzt beginne ich zu verstehen, wie wertvoll es ist, sich wirklich Ruhe zu gönnen und sich Zeit lassen zu können für das, was mir sonst meist als nebensächlich vorgekommen ist und so schnell, schnell am Rande erledigt werden konnte. Dieses freie Denken ohne zu Denken, das Sein ohne etwas zu tun und am Ende eben doch sehr getan zu haben, ist ein wunderbares Gefühl. So können Veränderungen beginnen, die eine echte Tiefe haben und nachhaltig wirken können.

In diesem Sinn freue ich mich auf viele weitere Tage, in denen mein Geist frei und die Gedanken locker und ohne Anstrengung geschehen...ein ganz neues Gefühl für mich!

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