Ich stand, die zweite Tasse Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker rauchend, hinter dem Muni, als ein Deutsches Mercedes-Reisemobil mit der Aufschrift «Silkroad Adventures» hornend an unserem Standplatz vorbei fuhr. Es fuhr in die gleiche Richtung, in die wir auch fahren wollten: Richtung Abe-e-Panj-Tal und Kalaikhum. Endlich sahen wir jemanden mit einem vergleichbaren Fahrzeug die gleiche Route nehmen, was uns zuversichtlich stimmte. Die Unsicherheit, ob diese Route für so grosse und schwere Fahrzeuge überhaupt geeignet sei, lag uns noch immer ein wenig auf dem Magen. Wir sollten sie später noch einmal sehen...darüber aber mehr weiter unten.
Bald darauf startete ich den Motor, wartete bis der Betriebsdruck von 8 bar sich im System aufgebaut hatte, legte den zweiten – wir fahren so lange es nicht steil oder schwierig ist immer im zweiten Gang los, da der erste sehr kurz übersetzt ist – Gang ein und schwenkte in die aufsteigende Strasse. Sie war noch immer, wie gestern Abend, recht unangenehm zu befahren, da es viele Schlaglöcher hatte und ich zwischen diesen Slalom fahren musste. Es wurde aber bald noch schlimmer, denn die Strasse ging in eine Schotterpiste mit mindestens ebenso vielen Schlaglöchern über. So konnte ich maximal 25 km/h fahren, meistens aber nur im Schleichgang die teilweise steile Strasse hinaufklettern.
Mit der gewonnen Höhe hatten wir einen sehr guten Überblick über das breite Tal, die mit Gras bewachsenen und mit Feldern bebauten Hügel und dahinter auf die Bergketten, über die wir gekommen waren. Es bot sich uns eine grossartige Aussicht.
Einen ersten Halt – wir müssen, seit wir uns durch sehr viel Trinken auf die grossen Höhen vorbereiten, oft anhalten um Wasser zu lösen – schoben wir bei einem Imker ein, der gerade daran war, seine vielen Bienenhäuser neben der Strasse zu pflegen. Dort konnte ich ein paar Fotos machen und Lorenz wollte dem Bienenmelker Honig abkaufen, welchen er aber noch nicht hatte...die Bienen flogen ja auch noch fleissig umher und sammelten Nektar…;)
Hirtenbub mit Saggmässer |
dritter Halt mit Torbogen |
bewaldete Berghänge Richtung Abe-e-Panj |
erstes afghanisches Dorf auf der anderen Seite des Flusses |
Das Gefühl, nur wenige Hundert Meter von Afghanistan entfernt zu sein, war sehr speziell. Dieses Land wird bei uns immer noch als ein gefährliches eingestuft...wenn wir in Zentralasien Leute auf die Gefährlichkeit ansprachen, war jedoch immer genau das Gegenteil der Inhalt der Antwort. Ausserdem waren wir ja auf der sicheren, tadschikischen Seite.
Bald schon verlief die Strasse unmittelbar am Flussufer und wir hätten Steine nach Afghanistan werfen können, wofür wir aber keinen Anlass sahen. Der Abe-e-Panj durchschneidet ein massives Gebirge, dessen Flanken steil zum Fluss abfallen und dem wilden, vom Regen der letzten Tage reichlich genährten Gewässer eine grandiose Kulisse bieten. Schon nach der ersten grossen Biegung des Flusses befand sich ein erster Grenzübergang: eine 60-Tonnen-Hängebrücke mit Zollstationen auf beiden Seiten hätte uns – ein entsprechendes Visum vorausgesetzt – die Einreise nach Afghanistan ermöglicht. Wir zogen es jedoch von, einen Kleber von Res' Hardegger-Perle auf den Wegweiser nach Afghanistan zu kleben und ein Erinnerungsfoto zu schiessen.
links Afghanistan, rechts Tadschikistan |
Verkehr auf der Piste in Afghanistan |
Piste entlang von Felswänden |
Flussbett, das von Menschen durchquert wird (tadschikische Seite) |
Dorfdurchfahrt |
Ich habe den Eindruck, dass es sich in diesem Land – auf einem ganz anderen Niveau als bei uns – sehr gut und zufrieden leben lässt. Die Menschen machen jedenfalls durchwegs einen zufriedenen und fast schon glücklichen Eindruck, sie sind gut gekleidet, alle haben etwas zu tun, sie sind unter einander und mit uns äusserst freundlich und es scheint ihnen an nichts zu fehlen.
In den Dörfern kann man alles einkaufen, was zum Leben benötigt wird, die Kinder spielen draussen miteinander, Frauen und Männer gehen tagsüber meistens getrennte Wege und das Leben spielt sich ruhig und gelassen ab. Die Dörfer sind sauber und es gibt nur selten Wasser in PET-Flaschen zu kaufen, was auf eine gute Trinkwasserqualität schliessen lässt. In den einheimischen Gärten und auf den Feldern scheint das meiste an Gemüse und Obst zu wachsen, was benötigt wird. Das Brot ist gut und immer im Holzofen gebacken, Fleisch kommt meistens von Rindern oder Schafen, wird lange gekocht und schmeckt durchweg gut.
Man merkt es vielleicht: ich bin begeistert von Tadschikistan! Dieses Land beeindruckt mich bisher am meisten von allen Ländern, die wir bereist haben, weil es in jeder Hinsicht schlicht grossartig ist und vor allem durch eine sehr abwechslungsreiche Landschaft und besonders freundliche Menschen besticht. Ich möchte mit diesem Urteil die Erlebnisse in den anderen Ländern nicht schmälern – aber hier kommt alles fast schon perfekt zusammen und wirkt besonders eindrücklich auf mich.
Pascal aus Huttwil mit Fahrrad |
Nach rund 50 km übelster Rüttelpiste und vielen grandiosen Aussichten auf ein schlicht unbeschreiblich schönes Panorama trafen wir in Кальаи хумб (Kalaikhum) die Deutschen von «Silkroad Adventures» auf einem versteckten Parkplatz wieder. Sie begleiten eine Gruppe von Motorradfahrern und konnten uns ein paar sehr hilfreiche Tipps und Informationen geben. Ich weiss leider ihre Namen nicht mehr….aber ich glaube fest, dass wir sie noch einmal antreffen werden, denn unsere Wege sind etwa die gleichen...dann kann ich ja noch einmal fragen.
Wir beschlossen, den nächsten ruhigen und günstigen Platz für die Nacht zu belegen, obwohl erst etwa 16 Uhr war...wir waren müde vom Rütteln und Schütteln und wollten ein kühles Bier trinken. Schon kurz nach Кальаи хумб (Kalaikhum) fanden wir in einer Flussbiegung einen tollen grossen Platz und installierten uns neben einer Baumreihe etwas abseits der Strasse und ohne Sichtkontakt zu einer Siedlung. Lorenz warf die Eismaschine an und liess nach der Empfehlung des Deutschen Fahrers des Mercedes-Reisemobils noch einmal ein bar Druck aus dem Reifen, während ich Fotos schoss und die Gegend erkundete.
Scarabäen-Paar beim Rollen |
Dann folgte das nach thailändischer Art eisgekühlte Bier, eine Hardegger-Perle, mit einem kleinen Apéro aus Fladenbrot mit Olivenöl und Salz und Pfeffer und wir schauten aus den Campingstühlen nach Afghanistan.
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