Eigentlich fehlte beim Frühstück im Restaurant, das zum Hotel Biy Ordo gehört, nur die Milch im Schwarztee...aber ich will nicht so kleinlich sein...es war super!
Wellblechdächer über der Containerstadt des «Black Market» |
Wir brachen zum Black Market, dem einen Basar an der Ecke der Kyrgyzstan- und Masalieva-Strasse auf und ich begann damit, die Kamera auf die Ecken zu richten, die mir typisch und plakativ erschienen, während Lorenz seine eigenen Kreise zog. Etwas später traf ich mich wieder mit Nurbek, dem jungen Kirgisen, den ich am Vortag kennengelernt hatte und liess mich von ihm durch diesen und den naheliegenden anderen, noch viel grösseren Basar führen.
Mein erklärtes Ziel war, eine der typischen Mützen zu kaufen, die ich hier schon gesehen hatte. Es sind Filzmützen, ähnlich den Hüten, welche aber eine so seltsame Form haben, dass ich wusste, dass ich so einen nie anziehen würde. Aber eine Mütze ähnlich denen, die Moslems in vielen Ländern tragen, würde ich wohl auch in Basel tragen.
kunstvoll geformte Brote |
Nurbek, mein Basar-Führer |
Obst zum Reinbeissen |
Nüsse, getrocknete Früchte |
getrocknetes Farbenspiel |
Wir gingen Gänge auf und Gegengänge ab, streiften durch schier endlose Reihen von Containern, Ständen, Boxen und Hütten, kamen an Kleiderabteilen, Teilen mit Esswaren, einem riesigen Teil mit Handwerkerzubehör, bei den Nähmaschinen, dem Pferdezubehör, den Trockenfrüchten, den Putz- und Waschmitteln, beim Stoffdruck-Teil, bei den Seilen, den Besen, den Metzgern, bei der Unterwäsche, den Schuhen, den Hosen, den Hemden...einfach bei allen Ressorts vorbei, nur einen Hut wie ich ihn gestern beim Taxifahrer, der uns nach dem Abendessen zum Hotel gefahren hatte, gesehen hatte fand ich nirgends. Es gab Mützen, Hüte, Baseball-Caps...aber nicht den, den ich mir wünschte.
Gewürze |
Käsebällchen mit rezentem Geschmack |
Eier - der angeschriebene Preis muss :70 gerechnet werden |
in den Plastiksäcken sind Teigwaren - alles wird offen verkauft |
Fleisch wird grundsätzlich nicht gekühlt |
Im Ganzen sind wir bestimmt über zwei Stunden über die Basare gegangen, haben mit Verkäuferinnen geredet, Nurbek hat mir ein paar Freunde vorgestellt, die er zufällig antraf und ich habe ihm immer wieder die Deutschen Bezeichnungen geläufiger Dinge gesagt und damit versucht, seinen Wortschatz ein wenig anzuregen. Er hat sich viele Worte aufgeschrieben, damit er sie lernen kann. Das Seil, die Seife, der Schal, der Hut, das Obst...viele, viele Worte, die einem in so einem riesigen Meer von Waren auffallen und von denen ich das Gefühl hatte, sie gehörten zum Grundwortschatz.
Kinderwiege |
noch mehr Kinderwiegen...würde für meine/n Enkel/in passen |
Ich war fasziniert von der Vielfalt – am Ende aber auch von der unglaublich hohen Wiederholungsrate bei den angebotenen Waren und Artikeln.
Beim Gemüse, beim Gewürz und den getrockneten Früchten und den Nüssen lief mir das Wasser im Mund zusammen und ich hätte am liebsten für ein Festmahl eingekauft und es selber gekocht. Es gab alles, was man sich nur vorstellen und wünsche kann in mehrfacher Ausführung und in unterschiedlicher Qualität. An vielen Orten mussten wir uns durch dicht gedrängte Menschenmassen pressen, in anderen Gängen waren wir fast alleine...mir war und ist nicht klar, warum vor dem einen Stand sich die Leute in Trauben drängen und vor anderen mit scheinbar der gleichen Ware niemand auch nur stehen bleibt.
Mein grosser Vorteil war, dass ich nichts brauchte und allenfalls – sofern wir welche sehen sollten – so eine Mütze kaufen wollte. Ohne konkrete Einkaufslisten und Vorstellungen verzettelt man sich in solch riesigen Basaren und Märkten...vor allem darf man dort bestimmt nicht hungrig einkaufen gehen sonst reicht die Ware für eine ganze Kompanie heisshungriger Vielfrasse.
Irgendwann erspähte ich dann aber doch genau DIE Mützen, die ich suchte...und ab da sah ich sie an fast jedem Stand. Die niedrigen Preise (zwischen 1.50 und 4 Franken) liessen mich nicht lange zögern und ich kaufte an zwei Ständen drei Mützen für 7 Franken.
Nach diesem Marathon durch die Basare war mir nach etwas anderem...was lag da näher als die erste UNESCO-Weltkulturerbe-Stätte Kirgistans, den Sulayman-Too, den Berg mitten in der Stadt, zu besichtigen. Aber bevor wir die Stufen zum 1110 Meter hohen Berg erklommen hielten wir auf einer der ersten Treppenstufen an, setzten uns und übten ein wenig Deutsch. Nurbek zeigte mir seine Unterlagen vom Deutschkurs und ich fragte ihn Worte ab, erklärte ihm die Konjugation einiger Verben und zeigte ihm, wie man Adjektive verwendet. Für mich war es eine Dienstleistung an einem wissbegierigen jungen Mann und für ihn – glaube ich – eine willkommene Gelegenheit mit jemandem zu üben, der muttersprachlich Deutsch (naja, Baseldeutsch) beherrscht und mit einem fremdsprachen-pädagogischen Background an die Sache herangeht. Er hat sich jedenfalls Tausendmal bedankt und strahlte als wir nach rund einer Stunde auf den Berg kraxelten.
Eingangstor zur Treppe auf den Sulayman-Too |
SulaymanToo |
Wo die Wege aus Naturstein sind, ist der Boden so abgetreten und poliert von den Millionen von Schritten, dass ich mit meinen Flip-Flops einige Male ausrutschte. Wir keuchten beide nicht schlecht, als wir bei der «Haus des Babur»-Moschee ankamen und uns von der Aussichtsplattform die Stadt und das Häusermeer von oben anschauten.
Häusermeer von oben |
Der Sulayman-Too ist ein Berg, der seit der Bronzezeit als Kultstätte genutzt wird und laut UNESCO die am besten erhaltene solche Anlage in Zentralasien darstellt. Von Petroglyphen, Steinritzzeichnungen, aus der Zeit als Menschen noch in Höhlen hausten über die Grabstätte von König Salomon, der den Christen als König Israels und den Moslems als Prophet bekannt ist, dem Haus des Babur, der als Nachfahre des Timur (Tamerlan) auf diesem Berg gewohnt und nachgedacht haben soll bevor er Indien eroberte und die Moghul-Dynastien begründete, bis zu uralten Moscheen und Ritualstätten finden sich auf diesem Berg unzählige durch traditionelle Wege verbundene Orte, deren Gesamtheit wir selbstverständlich nicht haben erfassen können.
Leider wusste Nurbek nur wenig über die einzelnen Orte und deren Bedeutung – oder konnte sein Wissen nicht auf Deutsch weiter geben...aber er zeigte mir ein paar Stellen, die offensichtlich schon Hunderte, wenn nicht Tausende von Jahren als heilig und rituell wichtig genutzt werden.
Das war eine Rutsch auf einem Fels gleich neben dem Weg, wo man sich in eine Vertiefung legen kann und wie auf einer Rutschbahn den glattpolierten Fels hinunterrutscht. Hier sollen Frauen um Fruchtbarkeit bitten...eine der grosse Anziehungskraft ausübenden Qualitäten dieses Berges.
Steinrutsche |
Oder eine Höhle, in die wir gekrochen sind und die ebenfalls von den Tausenden oder Millionen von Besuchern innen vollkommen glatt poliert ist.
polierte Höhle |
Oder da waren Löcher im Fels, die vielleicht von einer kleinen Gletschermühle herrührten, die von den vielen Händen, die in sie hineingestreckt worden waren, ebenfalls glattpoliert sind.
Nurbek in der Höhle |
Leider sahen wir keine Petroglyphen...diese müssen scheinbar geschützt werden, da allzu viele Besucher mit ihren Messern und Schreibstiften ebenfalls meinten, sich auf dem Fels verewigen zu müssen und damit die urzeitlichen Zeichen menschlicher Kult-Tätigkeiten zu zerstören drohten.
Der Fels, mitten im Ferghana-Tal, aus dem der zentralasiatische Fluss Syrdaria, dem wir in Kasachstan bereits gefolgt waren, entfliesst, soll zu Zeiten der Handelswege entlang der sogenannten Seidenstrasse einer der wichtigsten Wegpunkte gewesen sein...wenn ich so etwas lese oder erfahre, stelle ich mir die Begleiter von Karawanen, Handelsreisende, vielleicht Marco Polo vor, wie sie nach der Durchquerung von Steppen oder nach gefährlichen Routen durch enge Bergtäler mit reissenden Flüssen in das Tal gekommen sind und bereits von weither diesen Felsen gesehen und sich auf die Karwansereien in der Stadt gefreut haben müssen...wie sie nach überstandenen Strapazen ihre Dankbarkeit an diesem Kult- und Kraftort kundgetan und wie sie um Beistand und Unterstützung für die kommenden Etappen gebeten haben.
Universität vom Sulayman-Too |
Unter derlei Eindrücken kommen mir dann die Funk- und Mobilnetz-Antennen ganz oben auf dem Fels, die geborstenen Wasserleitungen entlang der betonierten Fusswege, die asphaltierte Strasse zum in eine der Höhlen gebauten Museum und die vielen PET-Flaschen, die die BesucherInnen achtlos wegwerfen wenn sie ihr Fanta oder ihre Cola ausgetrunken haben, etwas sehr profan vor.
Nach zwei Stunden auf und um den Berg war ich erschöpft und liess mich von einem Taxifahrer zum Hotel fahren, von dem ich den Eindruck hatte, er sehe praktisch nichts, so seltsam hielt er seinen Kopf schräg hinter dem Steuerrad und klammerte sich gleichzeitig an diesem fest als erwarte er nächstens den Aufprall auf ein Hindernis. Aber ich kam wohlbehalten an und braute mir zur Erholung zuerst den geliebten Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker, bevor ich mich für eine mitnachmittägliche Siesta hinlegte.
leckeres Abendessen |
Bockkäfer beim Abendessen |
Den Abend verbrachten wir mit Vreni und Werner und ihren beiden Motorradkollegen Florian und Roman in einem Restaurant, das in einem kleinen Waldstück gleich neben dem Lunapark in die die Bäume gebaut ist und sehr gute Küche anbietet. Es war ein angeregter, lustiger und spannender Abend, denn wir wussten alle viel zu erzählen und das Essen war super lecker.
Als kleine Attraktion flogen zwei sehr grosse Bockkäfer um unseren Tisch und liessen sich in der Näher nieder...und Lorenz konnte ein kleines Backgammon-Turnier iniziieren, das uns bis Mitternacht faszinierte – als Spieler und als Zuschauer.
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