Voraussichtliche Reisedaten

Montag, 24. Juni 2019

22. Juni 2019 | Арстанбап (Arslanbab) - Naryn-Tal (KG) | 183 km


Letzte Nacht hat es gewittert, was an und für sich keine Besonderheit ist…aber irgendwie sind auch die Gewitter hier in Zentralasien anders als bei uns. Blitz und Regen sind wohl überall ein und das Selbe...aber die Donner...huiuiui!...die fahren richtig ein! Sie kommen dahergerollt, von weit her, und donnern dann RICHTIG los! Es ist wie ein Kanonendonner! Sehr tief, der Ton, wie ein Schlag...aber irgendwie gemütlich...vor allem wenn man in seinem Reisebett unter einer kuscheligen Decke liegt und sich im Faradäischen (wie schreibt man das?) Käfig des Shelters sicher fühlt, sind solche Donner die reinste Freude.


Nach so einer Nacht liessen wir es am Morgen langsam angehen – bis es kurz vor zehn Uhr an unsere Sheltertür polterte als stehe ein Untersuchungskommando der Staatsanwaltschaft vor der Tür und verlange Einlass. Es war Roman, der Deutsche Motorradfahrer, mit seiner Freundin, die wir am Vortag bereits in Uzgen angetroffen hatten. Sie wollten ein Kettenschloss für Werner und Vreni abholen. Diese hatten uns in Ош (Osh) ihr Ersatzmaterial mitgegeben, weil sie es sicher nicht mehr gebrauchen würden...jetzt, zwei Tage später war bereits Bedarf, weil scheinbar eine Kette gerissen war.

Während ich mich gemütlich in meinem Bett räkelte gab Lorenz den Beiden die erwünschten Ersatzteile heraus, die natürlich, weil Werner sie ja sicher nicht mehr gebrauchen würde, in der untersten Kiste versorgt waren…;)

















Roman und Julia fuhren gleich darauf wieder los um Werner und Vreni einzuholen, die am Vortag etwa 220 km weiter gefahren waren, Lorenz startete den Generator und ich stand endlich auch auf und konnte mir meinen geliebten Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker brauen. Das Frühstück assen wir draussen auf unseren Campingstühlen, umringt von grasenden Kühen und zwei Pferdemüttern mit ihren Fohlen. Mittlerweile schien wieder die Sonne und die Gewitter der vergangenen Nacht hatten sich verzogen.


Nach dem Frühstück machten wir ein paar lustige Gruß-Fotos, die Lorenz an seine Familie schickte, die morgen Sonntag ein grosses Familienfest feiert und ich schrieb meinen Töchtern und Susanne, sie sollen doch mein Mami herzlich grüssen, das heute seinen 81. Geburtstag feierte. Dann machten uns danach abfahrbereit.
Nach meiner Genesung von der kleinen Unpässlichkeit setzte ich mich heute wieder ans Steuer und durfte die Rumpelstrecke das Tal hinunter tuckern, was mir trotz schwieriger Strassenverhältnisse recht viel Spass machte. Ich nahm es gemütlich, bremste die schwierigen Stellen sorgfältig an und nahm auch die engen Stellen mit Gegenverkehr souverän….bis da diese Stelle kam, wo ein bereits abgebrochener Ast von rechts in die Strasse lugte, der Gegenverkehr recht gross war und ich den Abstand zum rechten Rand falsch einschätzte...KRACH!...der Ast traf genau die Rückspiegel, von denen einer mit Wucht gegen die Fahrertür krachte und zerbrach. Was für ein blöder Fehler!
Aber Scherben bringen bekanntlich Glück…;)

Der Rest der Fahrt verlief problemlos.
Grenzzaun zu Usbekistan

Wir fuhren lange Zeit der usbekischen Grenze entlang, die an einer Stelle sogar unmittelbar neben der Strasse lag und deutlich mit einem Stacheldrahtzaun, einem etwa 50 m breiten Streifen Niemandsland und einem ebenso mit Stacheldraht bewehrten Zaun auf der usbeskischen Seite sichtbar war.






Im Ferghana-Tal, in dem wir seit Ош (Osh) fuhren und das sehr fruchtbar ist, wird vor allem Landwirtschaft betrieben. Hier werde Mais, Reis, Kartoffeln, Zwiebeln, Wassermelonen, Melonen, und viel anderes Gemüse angebaut, zudem stehen hier Aprikosen-, Kirsch- und andere Obstbäume, es wird viel Gras geschnitten, das dann als Heu in Ballen verkauft wird und Futterklee und andere Futterpflanzen gedeihen hier auch sehr gut. Im Moment ist gerade Erntezeit für Zwiebeln, Wassermelonen und Melonen, was man an den Ständen am Strassenrand sieht, wo die Bauern direkt ab Feld ihre Waren verkaufen. Ausserdem stehen entlang der Strasse viele Sattelschlepper, die mit den Erzeugnissen vor Ort beladen werden und sie dann in andere Teile des Landes fahren. Es herrscht ein emsiges Treiben auf den Feldern und an der Strasse.

Obwohl die Landschaften sehr oft wechseln und das Grün der Talsohle mit den braunen, roten oder gelben Hügeln wunderbar kontrastiert und immer wieder Berge in verschiedenen Farben sichtbar werden, spüre ich eine gewisse Sättigung in mir was die stetigen Veränderungen angeht. Es gibt so viel zu sehen und die Eindrücke sind nach wie vor sehr stark – aber auf eine gewissen Art ist es trotzdem immer wieder etwa das Gleiche. Das soll nicht abwertend erscheinen - aber über die mittlerweile fast 13'000 km unserer Reise haben wir so viele verschiedene und jeweils immer spezielle Landschaften gesehen, dass eine gewisse Abstumpfung zu verspüren ist, auch was geologische Besonderheiten angeht.
Heute fuhren wir beispielsweise beim Verlassen der grossen Ferghana-Talebene bei Ташкомур (Tashkomur) am Eingang in das Tal des Naryn durch eine sehr interessante Gesteinsformation – aber wir hatten bereits viele Male solch spannende Faltungen und spektakuläre Farbspiele gesehen, dass diese hier «nur» eine wiederholende Variante war. Gerade bei geologischen Besonderheiten kommt in mir jeweils die Frage hoch, wie solche Erscheinungen entstanden sind...und ich kann es mir beim besten Willen nicht erklären. Natürlich, da schiebt eine tektonische Platte gegen die andere und irgendwie wird die Erdkruste gefaltet, dann wird das Ganze noch aufgestellt und danach von der Erosion freigelegt...wie aber die verschiedenen Schichten in welcher Reihenfolge zustande kamen und wie die farbgebenden Mineralien eingelagert wurden, was für Kräfte dabei massgebend waren und wie das alles vorher ausgesehen hatte kann ich mir überhaupt nicht erklären. Da denk ich mir dann oft: «Hätt ich doch Geologie studiert wie ich es als Jugendlicher vor hatte!»



Der Wechsel vom fruchtbaren Ferghana-Tal in das Gebirgstal des Naryn brachte auch einen Farbwechsel mit sich: zuerst dieser sehr farbige Streifen am Eingang, der in ein dunkelrotbraun und dann in ein grauschwarz wechselte – und im Tal der türkisblaugrüne Fluss, der über die gesamte Länge unserer heutigen Strecke über drei Stufen zur Stromgewinnung gestaut ist. Darüber ein stahlblauer Himmel mit vereinzelten schneeweissen Wolken...ein wiederum grossartiges Farbenspiel!


Von der Ferghana-Ebene auf rund 500 m.ü.M. stieg die Strasse gemächlich an und wir hielten Ausschau nach einem geeigneten Platz mit Aussicht auf einen der Stauseen um die Nacht zu verbringen. Auf etwa 750 m.ü.M. wurden wir bei einer ehemaligen Arbeitersiedlung für den Bau der Strasse fündig und bogen auf einen Feldweg ab, der uns auf ein Plateau direkt über dem See führte und so weit von der Strasse entfernt lag, dass der Lärm der nachts fahrenden Lastwagen unsere Nachtruhe nicht stören würde.

Wir packten die Campingstühle aus, setzten uns in die Spätnachmittagssonne und genossen die Aussicht auf den türkisblaugrünen Stausee und die Bergkette gegenüber. Lorenz packte seine Handorgel aus und spielte seine Weisen, während ich mich auf eine kleine Fotopirsch begab und die Ruinen in Relation zur Landschaft brachte.

Bei einem Spaziergang entdeckte Lorenz ein Deutsches Paar, das mit seinem Reisemobil unterhalb unseres Platzes etwas versteckt Halt für die Nacht gemacht hatte und brachte einige interessante Informationen über den weiteren Verlauf unserer Reise mit als er zurück kam. Die Beiden hatten eine umgekehrte Route als wir gewählt, waren also zuerst durch Russland in die Mongolei gefahren und haben sich aufgrund einer Sättigung an Eindrücken jetzt entschieden, statt des Pamir-Highways und der Fahrt durch Tadschikistan und Usbekistan den Rückweg durch Kasachstan und Russland anzutreten.
Sie versicherten glaubhaft, dass die direkte Strecke Barnaul (RU) – Ulaanbataar (MNG) zwar eine sehr gute asphaltierte Strasse sei, aber landschaftlich nicht sonderlich interessant. Die «richtige» Mongolei erlebe man auf der südlich durch die Wüste führenden Strecke, die jedoch teilweise sehr schwierig zu befahren und mit einigen schwierigen Flussdurchfahrten gespickt sei. Ausserdem sei die beste Zeit für die Mongolei im Mai...jetzt sei es sehr heiß und regne oft, was sich vor allem auf die Flussdurchfahrten negativ auswirke. Sie gaben uns auch ein paar sehr gute Tipps für den östlichsten Teil Kasachstans, wo im Altai-Gebirge wunderschöne und sehr sehenswerte Orte und Landschaften liegen.
Wir werden diese Informationen in unsere Planung einfliessen lassen und sind uns mittlerweile immer sicherer, dass wir die Mongolei auf dieser Reise nicht besuchen werden. Zu grosse Distanzen, ungünstige Saison, langweilige Autobahn oder schwierige/schlechte Fahrwege mit gefährlichen Flussdurchfahrten, eine bereits jetzt spürbare Sättigung und ein für diese weite Region zu knappes Zeitkontingent sind die wichtigsten Argumente gegen den Schlenker über Ulaanbataar, Irkutsk und den Baikalsee. Definitiv ist noch nichts – aber es zeichnet sich eine Relativierung unseres ambitionierten Plans zugunsten einer entspannteren und befriedigenden Gesamtlösung ab.





Leider zogen gegen Sonnenuntergang Wolken auf und es begann im Norden zu gewittern, so dass ich auch heute keine Nachtfotos des Sternenhimmels werde machen können, was besonders misslich ist, da gerade Neumond ist oder der Mond tagsüber am Himmel steht oder der Mond einfach verschwunden ist (was ich ehrlich gesagt nicht glaube)…denn in den vergangenen Nächten habe ich ihn nicht gesehen. Das wäre die beste Voraussetzung für Sternenfotos...wären da keine Wolken…;)


Da in der Abgeschiedenheit hier kein Internet auf meinem Skyroam®Solis verfügbar ist, werde ich diesen Beitrag erst in der nächsten grösseren Ortschaft und wenn wir einen längeren Stopp machen hochladen können.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

21. Juli 2019 | Basel | Danke!

Rumänien - Constanta Ich sitze knappe 48 Stunden nach unserer Rückkehr in die Schweiz gemütlich in Susannes Wohnzimmer bei einen Schw...