Voraussichtliche Reisedaten

Sonntag, 16. Juni 2019

15. Juni 2019 | Мургоб (Murghab) (TJ) - Сарй Таш (Sary Tash) (KG) | 241 km | Verrrrry Good Road!

schwarzer Rauch - Pabst oder nicht?
Obwohl Murghab auf über 3700 m.ü.M. liegt brachte es Generator-Master Lorenz fertig, unsere Stromquelle zu starten, damit ich meinen geliebten und eigentlich unverzichtbaren Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker brauen konnte. Die dunkelschwarze Abgasfahne, die dabei entstand erwähne ich besser nicht...sie trug ganz bestimmt nicht positiv zur Luftqualität in dem tadschikischen Etappendorf bei, wo eh schon nicht viel Sauerstoff im Luftgemisch enthalten ist.




Baustellenumfahrung
Der Wecker klingelte heute übrigens schon um 06.30 Uhr, denn wir wollten weit kommen und hatten nur eineAussage zur Qualität der Strasse: «Verrry good road!» Wir sollten eines Besseren belehrt werden und unsere Vermutung, dass weder den Aussagen Einheimischer noch derer von Reisenden auch nur der kleinste Glaube zu schenken sei, wurde einmal mehr auf's deutlichste bestätigt. Die hier zitierte Aussage kam von Aidar, dem kompetenten Automechaniker aber leider untauglichen Strassenbeurteiler. Er machte sie, als wir bezweifelten, ob wir es mit der reparierten Blattfeder über den Pamir-Highway schaffen würden und fügte an, dass alle anderen Strassen ab Chorug in wirklich schlechtem Zustand seien und der Pamir die beste Variante sei. «Verrry good road!» Ha!
Vielleicht liegt es auch daran dass wir mit einem Fahrzeug unterwegs sind, das alle diese Informanten nicht kennen, sondern zumeist mit ihren geländetauglichen oder eh schon schrottreifen Personenwagen einfach über alle Schlaglöcher, Schotterpisten und Bodenwellen brettern.

Die Strassenqualität soll aber in diesem Beitrag nur eine untergeordnete Rolle spielen, denn die landschaftlichen Qualitäten waren unbeschreiblich grossartig.

Ortsbogen von Murghab

Wir fuhren bei bestem Wetter mit stahlblauem Himmel, wenigen pittoresken Wolken und sommerlich bitterkalten Temperaturen los und wurden in der hochalpinen – eigentlich ist es seltsam, im Pamirgebirge von «alpin», also «alpenmässig» zu sprechen, wo doch dieses Gebirge so gar nichts mit den Alpen gemein hat….ausser vielleicht, dass es sich um Berge handelt – Landschaft von einem wunderbaren Panorama zum nächsten geleitet. Die meist rotbraunen Hügel und Berge schoben sich beim Betrachten während des Fahrens voreinander, gaben den Blick auf immer neue Täler in unglaublichen Dimensionen frei oder verdeckten einander. Die Strasse – über deren Qualität wie bereits erwähnt keine grossen Worte mehr verloren werden sollen – zog sich kilometerweit durch immens breite Gletschertäler, die mit unvorstellbar dicken Schichten Ablagerungen aus verschieden farbigem Kies und Sand gefüllt waren und in denen oft Bäche und Flüsse in Betten talwärts mäandrierten, wie ich sie in solchen Dimensionen noch nie gesehen hatte, geschweige denn mir hätte vorstellen können.



Durch die Sonnenbrille, die bei dem hellen, strahlenden Wetter unabdingbar war, kam das Farbenspiel noch besser zur Geltung als es ohnehin schon war. Dabei gab es hier oben praktisch keine Pflanzen mehr, was sowohl an der Höhe als auch am «extremen kontinentalen Klima» (Danke, Werner, für diesen uns seit Tagen begleitenden Leitsatz!) mit wenigen Niederschlägen liegen kann, denn die wenigen Büschel, die in der Landschaft zu sehen waren, stachen mit ihrer ins Braune tendierende Farbe kaum aus dem mehrheitlich ebenfalls rot-braunen Boden überhaupt nicht heraus. Bestimmt tragen die vielen Schafherden nicht gerade zu Üppigkeit der Vegetation bei...wir fragten uns oft, wovon sich denn diese armen Tiere überhaupt ernähren.



Wir stiegen kontinuierlich höher, unserem höchsten Pass entgegen. Bald schon kam die Grenze zu China in Sicht – nicht nur weil wir wussten, dass sie wie auf der Karte eingezeichnet dort oben auf den Bergkämmen liegen musste, sondern weil die tadschikischen (oder chinesischen?) Grenzwächter einen Zaun gezogen hatten, der uns auf fast der ganzen heutigen Fahrt begleiten sollte. Dieser Zaun, bestehend aus Hunderttausenden von Pfählen von Bäumen, die hier nirgends wachsen, und folglich von weit her transportiert werden mussten, zwischen denen kunstvoll mehrere Stacheldrahtlinien gezogen sind, scheint in dieser Einöde ohne zivilisatorische Anzeichen irgendwie grotesk. Zwar führt er entlang einer der wichtigsten Strassen – verrrry good road! – in Ost-West-Richtung – auf der anderen Seite des Zauns ist aber ausser kahlen Bergen absolut nichts zu sehen und auch auf der Karte sind dort keine Siedlungen eingezeichnet. Eine Erklärung könnte die Verhinderung von Schmuggel oder Wilderei sein, wobei sich gerade diese «Geschäfte» bekanntlich von einfachen Stacheldrahtverhauen gar nicht beeindrucken lassen.
Grenzzaun zu China

Lorenz (etwa Bildmitte) am Grenzzaun

Yaks am Grenzzaun

ein Schweizer!
Auf einer Hochebene war plötzlich in der Ferne ein schwarzer Punkt auf der Strasse auszumachen und ich bemerkte spasseshalber: «Ha! Ein Schweizer auf dem Velo!»...es war Benoît aus Lausanne auf seinem Fahrrad, der in die gleiche Richtung wie wir fuhr. Er war top ausgerüstet und brauchte nichts von uns...ausser wir hätten ihm eine Ersatzfelge, denn seine war gebrochen. Aber damt konnten wir leider nicht dienen...wir wünschten ihm gute Weiterreise und drückten ihm unseren Respekt aus...was für eine Parforce-Leistung!




Familie beim Umzug

Etwas später trafen wir zwei weitere Fahrradfahrer, ein Paar aus England, das schon seit August vergangenen Jahres unterwegs und wieder auf dem Heimweg ist. Ich erinnere mich nicht mehr ganz an ihre Route...aber sie kamen aus Thailand zurück, das sich auch schon mit dem Rad erreicht hatten. Wir fühlten uns nach dieser kurzen Bekanntschaft etwas Warmduscher-mässig in unserem bequemen Reisemobil...aber was soll's…;)
Passstrasse

nicht ganz genaue Anzeige auf dem Navi
Langsam kam der Akbaytal-Pass näher und entgegen unserer Erwartung schlängelte sich die mittlerweile Naturstrasse nicht in Serpentinen auf die 4666 m.ü.M. liegende Passhöhe, sondern stieg kontinuierlich an um erst ganz oben etwas steiler und mit zwei engen Kurven die letzten Meter zu erklimmen. 









Passfoto Muni & Xoff

Kaum hatten wir unsere Passfotos – nicht die, die man in den Reisepass klebt, sondern die Fotos auf der Passhöhe (kleiner Scherz) – geschossen, tauchte Wladislaw (?), ein tschechischer Motorradfahrer auf seiner 1200er BMW GS auf und hielt für einen kurzen Schwatz. Er hat vor, sein Motorrad in Russland stehen zu lassen und nächstes Jahr noch die Mongolei zu befahren...wobei er vermutete, es bräuchte wohl dringend einen grossen Service.
Blick vom Akbaytal-Pass Richtung Sary Tasch

Natürlich machten wir ein Gratulationsfoto für Lorenz' Sohn Max, der heute in Australien seinen siebzehnten Geburtstag feierte, konnten es ihm aber mangels Internetverbindung nicht schicken. Das mit dem Internet ist in Tadschikistan kein Problem: es existiert schlicht nicht. Nicht einmal in dem Hotel in Murghab, wo wir gestern am Abnênd gegessen hatten und das grossartig «WiFi» angekündigt hatte, konnte ich eine Verbindung herstellen um endlich die Blog-Beiträge der letzten Tage und die vielen Fotos hochladen. Und mein Sykroam® Solis verweigert auch seit Tagen die Verbindungsaufnahme...es ist zum Haarölseichen! Ich hoffe, dass wenigstens unsere Position auf der Karte (https://fahreast.xoff.ch/index.php/reise.html) ersichtlich ist.
Landmarke






Nach der Passhöhe kam eine rund 100 km lange Strecke, die konstant über 4000 m.ü.M. liegt und vor der wir Respekt hatten, denn wir wussten nicht, wie sich die Höhe auf unseren Organismus auswirken würde – aber es lief alles sehr gut und ausser der logischen Kurzatmigkeit hatten wir absolut keine Probleme. Mir scheint aber, dass ich aufgrund der grossen Höhe die letzten Tage nicht sehr mitteilungsbedürftig gewesen bin...vielleicht lag es aber auch schlicht an einer temporären Schreibunlust...dadurch wurden die letzten Beiträge hier etwas kürzer, was sicher den Lese-Unlustigen entgegen kam...jetzt werden die Beiträge halt wieder länger und ausführlicher...sorry.




Diese riesige Hochebene zwischen dem Akbaytal- und dem folgenden Kyzyl-Art-Pass bestach durch noch grössere Weiten, noch leuchtendere Farben, noch faszinierendere Panoramen. Der für mich herausstechende Ort war der Karakul-See, der in der rotbraunen Bergwelt mit seiner türkisblaugrünen Farbe wie ein Juwel in der Landschaft lag. Umrandet von weissen Salzkrusten und saftigem Ufergras gab er ein fast ausserirdisches Panorama frei. An seinem östlichen Ufer liegt die Siedlung Karakul, deren einstöckigen, einfachen Häuser nicht gerade durch Schönheit bestechen. Es gibt hier viele «Home Stay»-Unterkünfte, eine Militärbasis, die ausgestorben zu sein scheint und eine Tankstelle, an der vor vielen Jahren zu letzten Mal Treibstoff verkauft worden ist. Auf den Umfriedungmauern der Häuser trocknen die Bewohner Yak- und Kuhmist als Heizmittel für die harten und langen Winter mit Schneehöhen von über 2 Metern, die wahrscheinlich die gedrungenen Häuser zum Verschwinden bringen.

Gleich hinter der Siedlung steigt die Strasse zum Kyzyl-Art-Pass an, wo wir eine internationale Reisegruppe von etwa 15 Leuten in einem orangen Bus aus England beim Fototermin vor dem grossartigen Panorama mit dem Karakul-See trafen. Die Reiseleiterin, eine sympathische (sie waren alle sympathisch…;) ) Britin, schenkte verdankenswerterweise Lorenz ihren abgegriffenen Zentralasien-Lonely-Planet-Reiseführer, welchen wir sehr gut für unseren Aufenthalt in Kirgisistan gebrauchen können. Wir wechselten ein paar Worte, erkundigten uns über Reiserouten und -erfahrungen und verabschiedeten uns schon bald von der fidelen Gruppe um unsere Strecke fortzusetzen.

Strasse? Strasse!

auch das: Strasse!

Eine spezielle Erfahrung war heute – verrrry good road! - das Wellblech. Das ist eine wellblechartige Verformung von Sand- oder Steinpisten, die (glaube ich) durch das Befahren mit einer relativ hohen Geschwindigkeit auftritt. Darauf zu fahren ist bei Geschwindigkeiten unter 50 km/h praktisch unmöglich, denn so lange die Räder jede dieser kleinen Erhebungen von etwa 10 cm Höhe in etwa 20 cm Abstand mitmachen wird das Fahrzeug auf unangenehmste Weise durchgeschüttelt. Ich hatte einmal von einem Bekannten, der solche Wellblech-Pisten in Afrika befahren hatte, gehört, man müsse sehr schnell fahren. Also drückte Lorenz auf's Gas: das Schütteln und Rumpeln verschwand und machte einem leichten Vibrieren Platz. Nun ist es aber gar nicht so einfach, wenn man auf unebenen Untergründen mit einem 11 Tonnen schweren Fahrzeug meist mit 20 bis 30 km/h unterwegs ist, auf einmal auf extrem holpriger Piste Vollgas zu geben und mit 50-60 km/h zu «rasen», denn auf diese Weise sind Bodenwellen sehr schlecht auszumachen und könnten bei unserem Fahrzeug leicht zu Beschädigungen führen. Aber mit ein wenig Gewöhnung ging es sehr gut und machte – zumindest mir als Beifahrer in diesem Moment – sogar Spass.

Auf der Passhöhe des Kyzyl-Art-Passes liegt der tadschikische Grenzposten, der nur über eine ausgetrocknete Schlammpiste äusserst unangenehmer Art erreichbar ist und einen himmeltraurigen Eindruck macht. Die Beamten hausen in Containern und heruntergekommenen Gebäuden und überall ist rotbrauner Schlamm und dessen eingetrocknete Überreste.
kleine Bachdurchfahrt
Strassenrandflora

Murmeli

Die Formalitäten waren sehr rasch erledigt und die äusserst freundlichen Zöllner verabschiedeten uns mit einem kräftigen Händedruck aus Tadschikistan und entliessen uns ins Niemandsland bis zur kirgisischen Zollstation im Tal, etwa 20 km nördlich auf einer – verrrry good road! - beschönigend nur katastrophal zu bezeichnenden Passstrasse. Auf solch einer Trasse hätte sogar Vieh Mühe vorwärts zu kommen. Die Anzahl und vor allem die Vielfältigkeit der Hindernisse lässt sich weder zählen noch beschreiben...wer's wissen will soll sich dieses Abenteuer antun: er/sie wird merken, dass sich so etwas nicht mit Worten beschreiben lässt. Auch meine Fotos sind nur ein Abklatsch der brutalen Wirklichkeit und die sehr häufigen Murmeltiere müssen sich einen abgelacht haben ob der Schweizer Touristen, die sich mit ihrem Reiselastwagen den sogar für sie schwer zu überquerenden Weg antaten.


rote und grüne Steine im Bachbett

Als die Strasse in ein breites, von roten und grünen Steinen angefülltes Tal führte, kam der kirgisische Grenzposten in Sicht und wir wurden wieder sehr freundlich mit Händedruck empfangen und für die Formalitäten zuerst in das Passkontroll- und dann ins Zollgebäude gebeten. Mich erstaunt, dass die Zollbeamten hier, an Grenzen, die noch nicht lange offen sind und wo verschiedenste und bestimmt nicht immer einfache «Kundschaft» abgefertigt werden muss, so freundlich und zuvorkommend sind, einen willkommen heissen, einem die Hand geben, einen nach allem möglichen Persönlichem fragen einfach weil es sie interessiert...und bei uns in der Schweiz wird man an der Grenze oft wie ein Schwerverbrecher behandelt, unwirsch empfangen, misstrauisch beobachtet und es wird einem das Gefühl gegeben, man sei nicht willkommen oder mache etwas falsch. Meiner Meinung nach sollten Schweizer Zöllner mindestens ein Jahr an ein Zollamt an der tadschikisch-kirgisischen Grenze in ein Schlammloch versetzt werden, wo sie nur wieder weg dürfen wenn sie gelernt haben Grenzgänger freundlich zu behandeln. Und die Polizisten gleich mit...nein…die dürfen voraus gehen.
Was uns auf den bisher über 10'000 Kilometern von Gesetzeshütern und Zollbeamten an Freundlichkeit entgegengebracht worden ist, ist beispielhaft und straft unsere helvetischen Beamten mit Schande.

Aber wieder zurück zu erfreulicheren Dingen – dieser Seitenhieb musste aber einmal sein.
kreative Reparaturmethode

Nach der Grenze ging's noch etwa 20 km auf einer – verrry good road! - neuen Variante von schwierig zu befahrender Strasse bis nach Sary Tasch: Hier werden Strassen kreativ repariert, indem dort, wo Schlaglöcher liegen, jeweils links, rechts oder gleich mitten auf der Strasse ganze Lastwagenladungen unsortierten Kieses hingekippt werden. Irgendwann – dieses oder auch erst nächstes oder übernächstes Jahr – kommt dann eine Equipe, die die Kieshaufen über die ganze Fahrbahn verteilt und darauf hofft, dass die Fahrzeuge, die diese Strasse befahren, den Rest der Arbeit (das Einpressen und das Wegräumen überschüssigen Kieses) übernehmen.
Hirtenjunge auf Achilles

Jurte bei Sary Tash
Hier begrüsste uns ein Hirtenjunge auf «Achilles», einem hellbraunen wunderschönen Pferd, an der Strasse stehen und fragte nach Schokolade…Lorenz gab ihm etwas viel besseres: ein Saggmässer. Dafür durfte er ein Foto vom strahlenden Jungen machen, der danach auf Achilles zur Jurte seiner Familie ritt.

Blick auf Sary Tash

In Sary Tasch wollten wir in einem Restaurant essen...aber sowas gibt es hier nicht. Ebenso wie Internet. Also kauften wir im Laden, wo man auch Geld wechseln kann – die Besitzerin bewahrt das Geld in grossen Plastiksäcken auf, da man hier das Geld gleich stapelweise erhält (ein Franken ist etwa 70 Som wert) – ein paar Zwiebeln und kochten uns eine feine Tomatensosse zu den tadschikischen Maccaroni, dazu gab's frische Gurke mit Aromat…:)

Gute Nacht!


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