Voraussichtliche Reisedaten

Donnerstag, 6. Juni 2019

5. Juni 2019 | Samarkand (UZ) - Айни (Aini) (TJ) | 201 km

Was für ein grossartiges Aufwachen heute! Zum obligaten Schwarztee mit Milch(pulver) und vie lZucker, dem gestern auf dem Heimweg gekauften, fast frischen Brot mit Butter und eingemachten roten Pflaumen aus Georgien gab es ein Visum für Tadschikistan! Unsere Freude über die tolle Überraschung, die uns die tadschikische Administration nachts um halb zwei gemacht hatte und die unsere Planänderungen mit einem Schlag obsolet machte, war riesig. Statt der Route durch dicht besiedeltes Flachland Richtung Kirgisistan zu fahren konnten wir nun die geplante Route durch Tadschikistan mit dem Pamir-Highway inklusive dem Wakhan-Korridor unter die Räder nehmen.
Auf der Fahrt Richtung Tadschikistan
Irgendwie muss die bearbeitende Person im tadschikischen Visum-Bewilligungs-Büro gespürt haben, dass wir drauf und dran waren, unseren Besuch in ihrem Land abzusagen – vielleicht liest sie ja meinen Blog – denn die Bewilligung geschah kurz nach der Veröffentlichung des gestrigen Beitrags, in dem ich von der Planänderung geschrieben hatte. Vielleicht war es auch einfach eine glückliche Fügung oder Karma oder sonst etwas. Egal. Es ist gut wie es ist und wir sind sehr glücklich darüber.




Also rüsteten wir nach dem Frühstück das Fahrzeug, kontrollierten was noch zu kontrollieren war, schrieben den lieben Angestellten beim Schulbuch-Depot einen Dankesbrief und legten 20 US$ hinein damit sie sich den ersehnten Cognac nach dem Ramadan leisten können, verstauten unsere sieben Sachen, die während der Tage in Samarkand lose im Shelter lagen, liessen das Grauwasser ab, verabschiedeten uns vom Torwächter, der im Militärdienst mit den Sowjets in Ost-Deutschland gewesen war und immer noch ein paar Brocken Deutsch spricht und fuhren gegen 11 Uhr los.

Ortsverkehr
Umfahrungs«strasse» in Samarkand
Um nicht gegen die Lastwagenfahrverbote in der Stadt verstossen zu müssen wählten wir eine Umfahrungsstrasse, die uns zwar etwas mehr Weg kosten sollte, aber die Gefahr einer diskussionsreichen und teuren Begegnung mit den Hütern des Gesetzes praktisch verunmöglichte.
Was auf der digitalen Karte von Tante Google leider nicht ersichtlich war ist, dass diese Umfahrung zwar irgend einmal auf einem Planungstisch gezeichnet und die Vorarbeiten dafür auch ausgeführt worden waren, leider das Projekt dann aber mit dem Lauf der Zeit verloren ging und niemand sich mehr um die Fertigstellung kümmerte. Entsprechend sah ein guter Teil der Strasse aus, die als Verbindung zwischen zwei gut ausgebauten Stadtautobahnen einmal die Innenstadt vom Verkehr hätte entlasten sollen. Für uns war die Rumpelstrecke ein Vorgeschmack auf die Pisten in Süd-Tadschikistan und wir konnten stellenweise nicht schneller als 15 km/h fahren, so zahlreich, tief und über die gesamte Breite der Trasse waren die mit dem Regenwasser der letzten Tage gefüllten Schlaglöcher verteilt. Nach rund 10 km gelangten wir dann aber auf die einwandfreie Umfahrungsstrasse im Norden der Stadt und konnten nun zügig Richtung Grenze tuckern.

Willkommen in Tadschikistan
Es waren nur rund 50 km bis zum Grenzposten und wir bereiteten uns auf eine längere Prozedur, ausführliche Kontrollen, den üblichen getrennten Weg von Fahrzeug und Insassen und vor allem eine lange Schlange von Wartenden PWs und LKWs beidseits der Grenze vor. Aber es sollte ganz anders kommen.








erste Kilometer im neuen Land
Am schmiedeisernen Tor standen zwei Personenwagen, weit und breit kein Lastwagen. Die Zollhäuser auf beiden Seiten waren wie neu, es herrschte eine entspannte Stimmung und wir kamen beim Warten auf den Einlass mit dem Grenzarzt und dem Zollbeamten, der ein erstes Mal den Pass kontrolliert, schnell ins Gespräch. Lorenz konnte mit den paar Worten Türkisch, die er beherrscht, schnell das Eis brechen und wir tauschten uns über Familie, Beruf, Herkunft, Erlebnisse und viel anderes aus. Als wir dann nach rund einer halben Stunde dran waren musste ich als Passagier zu Fuss durch die usbekische Ausreisekontrolle und Lorenz folgte mit dem Muni. Schon bei der Personen- und Passkotrolle sprachen alle ein bisschen Englisch und wollten vieles wissen, das gar nicht zur Abwicklung der Kontrolle gehörte, sondern vor allem ihren Durst nach Informationen durch europäische Reisende stillte. Es war fast eher ein Gespräch denn eine Kontrolle.
Die Inspektion des Fahrzeugs konnten wir dann wieder gemeinsam machen und den Beamten alles zeigen. Sie wollten alles sehen und waren begeistert von unserem «Hotel auf Rädern». Es war eine sehr entspannte Stimmung bei der Ausreise und wir waren so schnell im Niemandsland zwischen den beiden Ländern wie seit Europa nicht mehr.

das weite Tal des Serafschan
Auf der anderen, der tadschikischen Seite, ging es genauso weiter: die Stimmung war entspannt, die Formalitäten schnell und problemlos erledigt. Das e-Visum hatte ich extra noch auf USB-Sticks geladen, falls es in Papierform vorliegen und ausgedruckt werden müsste...aber das Vorweisen der pdf-Datei auf dem Mobiltelefon reichte vollkommen aus. Diese sehr moderne elektronische Formalität hat mich echt erstaunt und sehr positiv überrascht. Auch die Fahrzeugpapiere waren schnell erledigt und zum ersten Mal wurde nicht lange um die Fahrzeugart diskutiert...hier scheint man grosse Reisemobile zu kennen. Ebenso schnell und unkompliziert ging die Inspektion des Fahrzeugs, wo zu meinem Erstaunen die Reifen desinfiziert wurden und wir eine Gebühr von 8 US$ für die Abfertigung bezahlen mussten. Später wurden dann noch 100 US$ Strassenmaut fällig (Motorräder zahlen 10, PWs 25 US$). Und jeder einzelne Beamte hiess uns in Tadschikistan willkommen und wünschte uns eine gute Reise.

Grünes, saftiges Land entlang der Strasse
Nach nur zwei Stunden konnten wir uns schon mit dem üblichen Handschlag zum erfolgreichen Grenzübertritt gratulieren und die ersten Kilometer auf tadschikischem Boden fahren.











Bergketten des Samir im Hintergrund
Die Strasse war 1A-Qualität. Die Dörfer und Häuser am Strassenrand waren sehr gepflegt und sehr sauber. Neben der Strasse lagen viele sehr präzise angelegte und gepflegte Äcker und Gärten. Der gesamte Talboden des Serafschan-Tals war saftig grün und mit Feldern, Bäumen, Wiesen und Obstplantagen beidseits des in einem breiten Bett mäandrierenden Flusses belegt. An den Hängen, die hier im unteren Teil des Tals zum grössten Teil aus Ablagerungen der Gletscher und des Flusses bestehen, wuchs Gras und immer wieder waren Baumgruppen zu sehen. Tiefe Erosions-Furchen durchzogen die Hänge und obenaus ragten Bergketten, deren Spitzen mit Schnee und Eis bedeckt waren.
Wir fuhren durch die fruchtbarste Gegend seit sehr langer Zeit und kamen aus dem Staunen kaum heraus.

Grün, grün, grün
Immer wenn wir durch ein Dorf fuhren – hier ist das Tempolimit innerorts 40 km/h – winkten uns Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene zu, zeigten Freude an dem aussergewöhnlichen Fahrzeug und schauten uns manchmal interessiert, oft auch erstaunt nach. So oft wie heute haben wir noch nie freundlich getrötet und damit überhaupt noch nie so viel Freude ausgelöst. Noch nie habe ich auf so kurzen Strecke so viele lachende und freudige Gesichter gesehen! Es war die reinste Freude...ich bin noch immer überwältigt.




Die Strecke wird gebirgiger
Bald schon wurde das Tal enger, die Hänge kamen näher und die bewirtschafteten Flächen im nun schmalen Streifen flachen Talgrunds wurden weniger. Vom breiten U-Tal, das von Gletschern geformt worden war, kamen wir in ein vom Fluss ausgefressenes V-Tal, das breite Flussbett mit Mäandern ging in einen teilweise tiefen Einschnitt mit einem reissenden Fluss über. Die Dörfer wurden seltener aber nicht weniger grün. Immer noch gab es überall Baumgruppen an den Hängen, an flachen Stellen lagen noch immer diese saftigen Felder und schön gepflegten Äcker, in der Nähe der Siedlungen standen noch immer Obstbäume und die Dörfer selber waren von einer oasenartigen Schönheit im teils schroffen Bergland. Mittlerweile lag die Strasse auf rund 1000 m.ü.M. und stieg stetig aber leicht an. Je enger das Tal wurde, desto mehr glich es einem Canyon und umso schöner erschienen die saftig grünen Dorfoasen.

Bergsturz infolge der Unwetter
Und die Strasse war noch immer einwandfrei. Kein Schlagloch. Keine Wellen. Alle Brücken in tadellosem Zustand und alle wegen der russischen Panzer und Militärtransporte während des Afghanistankriegs für 30 Tonnen zugelassen. Nur an einigen Stellen war die Strasse verengt weil Schutt und Geröll, das von den teils brüchigen Felswänden wohl täglich abbricht – wir hatten nicht immer ein gutes Gefühl wenn wir an solchen stellen vorbei fuhren und hofften, dass sich nicht gerade in DEM Augenblick ein weiterer grosser Brocken löst und auf uns herabdonnert. Aber wir hatten Glück und kamen problemlos durch.


verschüttete Strasse
Während der Regengüsse der letzten Tage, die wir in Samarkand wahrgenommen hatten, wüteten hier in der Gegend richtige Unwetter, was sich im mittleren Teil des Tals an verschiedenen Stellen mit Schwemmmaterial auf der Strasse manifestierte. An einigen Stellen waren Verwüstungen zu sehen und an einer Stelle fuhren wir auf eine offensichtlich erst ganz neue Verschüttung der Strasse mit einer noch recht übersichtlichen Schlange an wartenden Fahrzeugen auf. Ein Bagger und ein Strassenbaufahrzeug waren damit beschäftigt, den hellbraun-rötlichen Schutt aus Steinen, feinem Schwemmgut und Wasser von der Trasse zu räumen und ein Mercedes steckte mittendrin bis über den Boden im Geröll/Schlamm fest. Viele Männer standen herum wie das hier üblich ist wenn ein Ereignis, ein Unfall oder sonst eine Behinderung des Verkehrs geschehen ist und wir kamen sofort mit einigen ins Gespräch. Es soll wegen der Unwetter sogar einige Häuser im Tal weggerissen haben und auch Menschen seien zu Schaden gekommen. Es war sogar von Toten die Rede.

Bernd und sein Allrad-Mobil
Bernd, ein Deutscher, der in Duschanbe lebt und arbeitet, informierte uns sehr kompetent über Bedingungen und Schwierigkeiten auf dem Pamir-Highway und bot dann dem steckengebliebenen Fahrer des Mercedes, der wegen der Tiefe der Schlammmassen sein Fahrzeug nicht verlassen konnte, an, dieses aus dem Dreck zu ziehen. Dafür hatte er ein schneeweisses, brandneues Spezialseil, das ein Paar helfende Männer sehr sorgfältig an der steckengebliebenen Limousine befestigten und es so hielten, dass es nicht im Dreck zu liegen kam. Das Herausziehen ging leicht und ohne Probleme, allerdings muss der Merz Schaden genommen haben, als er in die Trümmer gefahren ist: er tönte nicht mehr einwandfrei und muss wohl in eine Garage.

Tadschikische Helfer und Bernd mit dem Abschleppseil
Bernd bot uns an, uns in seinem Haus zu empfangen wenn wir in Duschanbe seien, was wir natürlich mit Freude angenommen haben.
Nach rund einer Stunde war die Strasse frei und der Verkehr konnte wieder passieren. Statt diese immer noch sehr schlammig-nasse Situation in gemässigtem Tempo zu durchrollen beschleunigten die ersten Fahrzeuge so stark, dass der Rest der Schlamm- und Geröllmassen in hohen Fontänen zur Seite spritzte und die beim Hindernis Stehenden von Kopf bis Fuss mit braunem Schlick voll spritzten – aber diese nahmen es mit Humor und lachten und flachsten. Sogar der – wahrscheinlich wegen eines Ohrenschadens – dauernd herumschreiende vollbäuchige Chef des Bauunternehmens, der seinen Bagger für die Räumung zur Verfügung gestellt hatte, war bis zu den Oberschenkeln braun.
Als wir die Hindernisstelle durchfuhren grüssten uns alle sehr freundlich und wünschten uns gute Fahrt und eine schöne Reise und winkten uns nach. Es war eine sehr schöne und lockere Stimmung und niemand hat sich in irgendeiner Form aufgeregt, sondern die Behinderung gelassen und abwartend zur Kenntnis genommen.







der Verkehr läuft wieder
Zaungäste




Eigentlich wollten wir die Nacht zwecks Höhengewöhnung auf einem Pass auf der Strecke nach Duschanbe verbringen, der nur etwa 2500 m.ü.M. liegt. Aber die hereinbrechende Nacht liess uns einen Platz zum Übernachten suchen, welchen wir am Ende des Dorfes Айни (Aini) fanden und dort nun unter fast frei von störenden Lichtern funkelnden Sternenhimmel ein paar Meter neben der kaum befahrenen Strasse stehen. Leider ist das GSM-Netz hier zu schwach als dass mein Skyroam-Wifi-Gerät eine brauchbare Internetverbindung zur Verfügung stellen könnte…so wird dieser Beitrag wohl erst in Duschanbe hochgeladen werden. Vergleichbare Situationen werden wir in den nächsten rund zwei Wochen wahrscheinlich noch öfter erleben, da in den abgelegenen Tälern nicht mit leistungsfähiger Verbindung zu rechnen ist. Unser Tracker wird aber hoffentlich regelmässig unseren Standort melden können, so dass hier unsere Position und der Fortschritt unserer Reise verfügbar sein sollte.



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