Voraussichtliche Reisedaten

Montag, 17. Juni 2019

16. Juni 2019 | Сарй Таш (Sary Tash) - Ош (Osh) (KG) | 187 km | Zurück ins Tiefland und in die Wärme

Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker auf einer Höhe von 3200 m.ü.M. zu brauen verlangt nach einer speziellen Technik – nicht für den Tee, sondern für das Starten des Generators – die nur Lorenz beherrscht. Auch heute hat er's mit Bravour hingekriegt! Danke!
Morgenpanorama mit der Samir-Kette im Süden

Das Panorama, das sich uns beim ersten Blick aus dem Shelter präsentierte, war schlicht unbeschreiblich! Im Süden der Stadt Сарйташ (Sarytash) zeigten sich die Berge des Pamirgebirges von ihrer besten und schönsten Seite. Schneeweisse Gipfel reihten sich wie eine Kette aus Zuckerkristallen am Horizont und verliehen der kleinen Stadt mit ihren weissen Häusern zwischen zwei Hügeln am Stadtrand eine grossartige Kulisse.
Nachtplatz mit Arbeitersiedlung

Dass eine halbjährige Reise zweier Männer in fortgeschrittenem Alter mit Zweiwochen- resp. Zweimonatsbärten auf engstem Raum nicht ohne therapeutische Streitgespräche vonstatten gehen kann ist logisch – und so hatten wir in unserem «EST» (Extreme Setting Truck) dringend eine Aussprache nötig. Man kann sich noch so gut kennen und vieles geplant (oder auch nicht) haben: Ansichten divergieren und Vorstellungen prallen aufeinander. Das extreme Setting in einem Reisemobil wie dem unsrigen begünstigt solche Auseinandersetzungen und ermöglicht Entwicklungen wie sie sonst nur in jahrelangen Therapiesequenzen zu erreichen sind. Mann erhält den Spiegel vorgesetzt und muss sich mit sich selber und dem Gegenüber auseinandersetzen...genau so ging es uns in den vergangenen Tagen. Beim heutigen Frühstück, zu dem wir genüsslich Toastbrote schlemmten, konnten wir ausräumen was auszuräumen war und uns aufgeräumt auf die nächste Etappe begeben, die uns ins Tiefland und zurück in die Wärme führen würde.

Der Sechsliterdiesel kündete heute mit weissem Rauch die Wahl eines neuen Pabstes an – oder schlicht die Abfahrt von Lorenz und Xoff aus Сарйташ (Sarytash).












Aufstieg zum Taldyk-Pass
Wir erklommen in zügigem Tempo die unmittelbar hinter unserem Nachtplatz bei einer verlassenen Arbeitersiedlung für den Bau der Passstrasse liegende perfekte Strasse innert weniger Kilometer bis auf 3600 Meter über Meer. Nicht ganz so rasch schafften es die zwei Fahrradfahrer, denen die Steigung offensichtlich Mühe machte und die wir auf halber Höhe mit einem freundlichen «trööööt» überholten.






Serpentinen auf der Nordseite des Taldyk
Während der Aufstieg auf den Taldyk-Pass nicht sonderlich spektakulär war, begeisterten uns die Serpentinen auf der Nordseite dafür umso mehr. Sie führten uns in ein Tal, das so ganz anders war als die Landschaften, die wir in den vergangenen Tagen durchfahren hatten. Die Hügel waren bis zu den Spitzen mit saftiger Vegetation bewachsen und die Felsen und freiliegenden Geröllhalden leuchteten im morgendlichen Streiflicht in vielen Farben.
Jurte am Strassenrand, moderne Version: der Bauwagen


Entlang der Strasse hatten einige Familien ihre Jurten aufgestellt, wo Kinder an kleinen Bächen spielten, Frauen zusammen sassen und Wäsche wuschen oder andere Hausarbeiten verrichteten und Männer sich um Fahrzeuge oder die Pferde kümmerten. 









Die Kirgisen sind ein Reitervolk, was sich darin zeigt, dass überall, bei jedem Haus, bei jeder Jurte und auf allen Weiden Pferde zu sehen sind. Pferde werden in grossen Gruppen auf der Strasse verschoben, sie dienen oft den Hirten als Reittiere und gehören einfach zu diesem Land wie der Käse und die Kühe zur Schweiz.


immer wieder: Tiere werden zu Weideplätzen getrieben

grüne Hügel so weit das Auge reicht...und immer eine Stromleitung

Das Tal des Murdasch mit seinen kleinen Dörfern, durch die wie bereits in Tadschikistan immer ein kleiner Wasserlauf für die Bewässerung der Gärten geleitet wird, versprüht eine idyllische Atmosphäre auch wenn das Leben hier bestimmt nicht so saftig und farbig sein wird wie es aus der Kabine eines Reisemobils aussehen mag. An diesem Sonntag sah ich Kinder spielen, die uns oft freudig «hello» rufend nachwinkten.





Die Landschaft veränderte sich schnell, viel schneller als auf den weiten Hochebenen auf denen der Pamir-Highway liegt, und fast hinter jeder Flussbiegung erwartete uns ein komplett anderes Bild. Von weiten, von Gletschern geformten, U-Tälern bis zu engen Passagen, wo sich der Fluss sein Bett hat suchen und formen müssen, entwickelten sich die Kulissen entlang der Schnellstrasse klar und deutlich. Nur selten mussten wir an Stellen, wo Geröll jeweils bei starken Regenfällen oder bei Tauwetter die Strasse verschüttet, das Tempo drosseln. So kamen wir gut voran und bogen bei Гулчо (Gültscho) in westlicher Richtung in ein neues Tal und auf die Passstrasse zum Chyyyrchyk-Pass ab, die uns durch eine Hügellandschaft mit leuchtend roter Erde und saftig grün bewachsenen Hügeln auf eine Höhe von 2390 m.ü.M. lotste.






als Europäer ist man ein gern gesehener Selfie-Gast


Auf der Passhöhe war ein reges Treiben. Viele Jurten, Koppeln mit Pferden und Kälbern, überall Töpfe mit traditionellen Speisen, oben am höchsten Punkt ein Denkmal und musizierende Gruppen zogen Wochenend-Besucher aus der Umgebung an und es herrschte eine veritable Jahrmarktstimmung.




Ab hier öffnete sich das Tal Richtung Ош (Osh), das nur noch wenige Dutzend Kilometer entfernt lag. Jetzt wurde die ländliche langsam durch städtische Zivilisation abgelöst, die Jurten verschwanden immer mehr und machten ganz «normalen» Häusern Platz, es gab weniger Gärten und die Dörfer wurden grösser. Auch das Flussbett wurde im immer weiter werdenden Tal viel breiter und die Überquerung eindeutig schwieriger. Wo weiter oben eine Furt über einen schmalen Bach ausreichte, musste jetzt ein sehr breites Flussbett mit vielen Wasserarmen überquert werden. Furten anzulegen ist in so einer Situation fast sinnlos, da sich das Wasser wahrscheinlich nach jedem Regen neue Wege sucht.
Ortsbogen von Ош (Osh)

Als wir in die Nähe der Stadt Ош (Osh) kamen funktioniert plötzlich mein Skyroam® Solis WiFi-Gerät wieder und ermöglichte uns, mittels elektronischer Karten ein Hotel/Hostel zu finden, das mit dem Muni auch erreichbar war.

Wir nahmen uns zwei getrennte Zimmer und schliefen uns aus, gaben Wäsche zum Waschen und ich konnte endlich die Beiträge der letzten Tage mit den dazugehörigen Fotos hochladen.

Ich weiss, meine regelmässigen Reisebericht-Beiträge werden von vielen gelesen und werden vielleicht auch zu einem täglichen Ritual...und das freut mich sehr. Es kann aber sein, dass ich wegen fehlender Internetverbindung ein paar Tage lang keine neuen Beiträge hochladen kann. Das ist kein Grund zur Sorge, sondern einfach ein Zeichen, dass wir in einer Gegend sind, wo alles ein wenig gemächlicher und weniger technologisiert vonstatten geht und wo man nicht jederzeit erreichbar ist und diesen Zustand auch geniessen kann.


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