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Sonntag, 2. Juni 2019

9. Mai 2019 | Георгиевск (Georgiyevsk) - Елиста (Elista) (RU) | 453 km

Die Veröffentlichung dieses Beitrags ist mir entgangen...und ich weiss nicht, wie ich ihn an die richtige Stelle rücken kann..deshalb steht er hier etwas abseits....'tschuldigung.

Eine Monsteretappe, die uns gar nicht so lange vorkam.

Der heutige 9. Mai wird in Russland als «Tag des Sieges» gefeiert – er markiert den Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg gegen Russland und damit den Beginn des Endes dieses schrecklichen Krieges, in dem mehr als 25 Millionen Russen ihr Leben verloren und unsägliches Leid über dieses und viele andere Länder gebracht wurde.

Schon gestern bemerkten wir an verschiedenen Orten Fahnen, Blumen auf Friedhöfen, geschmückte Häuser und vielerorts Vorbereitungen auf ein Fest. Am Abend dann die Gewissheit aus dem Internet: der 9. Mai wird seit 1995 als offizieller Feiertag in Russland begangen.

unendliche Weiten
Wir entschieden uns deshalb, heute bis Elista zu fahren, wo wir hofften, etwas von den Feierlichkeiten mitzubekommen. Die Strecke dorthin führte uns über scheinbar unendliche Weiten ohne namhafte Erhebungen, durch riesige Obstplantagen, vorbei an unendlichen Feldern und entlang von Alleen, die nicht enden wollten. Die Farben, Grün in allen nur erdenklichen Tönen, kräftiges Gelb von Rapsfeldern, Äcker in allen Schattierungen von Braun, waren schlicht unglaublich!





endlose Strassen
Natürlich ist das Land hier in der Wolga-Ebene nicht gänzlich flach, sondern Erhebungen, wohl Muränen der ehemals riesigen Gletscher die hier ihr Geschiebe abluden, Spuren des mäandrierenden Flusses und Erosionsspuren in den Hunderte von Metern dicken Ablagerungsschichten hinterliessen leicht Erhebungen und feine Täler. Der Mensch hat bestimmt auch seine Spuren hinterlassen – die Russen haben ihre Landschaften teilweise erheblich verändert. Es kommt einem aber auf den bis zum Horizont reichenden Geraden der wie mit dem Lineal gezogenen Strassen so vor, als hörte die Ebene nie auf.


Der Wind fegt wie ein Sturm über dieses Land und wird nur durch die überall gepflanzten Baumreihen ein wenig gebremst, er peitscht das wachsende Korn, lässt Steppengras mit seinen silbrigen Halmen wie Wellen wogen und ermöglicht es den zu Tausenden vorkommenden Saatkrähen durch simples Ausbreiten ihrer Flügel vom Boden abzuheben ohne auch nur einen Flügelschlag zu unternehmen. Er schob unseren Muni oft zur Seite oder bremste uns wenn er von vorne blies und wehte auf quer zur asphaltierten Strecke verlaufenden Naturstrassen den Staub in weiten Fahnen davon. Auf den seichten Teichen des Hochlands im Grenzgebiet zur Republik Kalmükien bietet er den wenigen Kitesurfern wohl ganzjährlich ideale Trainingsbedingungen und entnervt wohl jeden Fahrradfahrer – bestimmt einer der Hauptgründe, warum es zwar viele kalmükische Schachspieler, aber keine Velorennfahrer gibt.

Panzer auf dem Hügel
Auf einer Erhebung im Gelände erblickten wir einen der bekannten russischen Panzer, der dort als Kriegsdenkmal dick mit Ölfarbe konserviert worden war und einige festfreudige Russen angezogen hatte. 










Festfreudige Sieger-Russen
Wir hielten an diesem ersten Anzeichen der Feierlichkeiten an um ein paar Fotos zu schiessen und machten Bekanntschaft mit einer Familie, die mit Fahnen, Schleifen, Uniformteilen und Vodka ausgerüstet auf dem windigen Hügel einen Halt auf ihrer festtäglichen Jubel-Autofahrt gemacht hatten. Ein paar Worte auf russisch und englisch, ein paar Fotos und mehrmalige Ablehnung des angebotenen Alkohols später erhielt Lorenz eine Soldatenmütze und weitere hupende Autos mit wehenden Fahnen fuhren heran. Wir verabschiedeten uns und liessen die Einheimischen ihre Feier fortsetzen.

Fantasievolle Fest-Dekoration 
Immer wieder fuhren wir an über und über mit Blumen geschmückten Friedhöfen vorbei – als ich endlich sagte, dass ich am nächsten für ein paar Fotos anhalten wolle, kam keiner mehr.












Etwas schwierig war es, ein geöffnetes Restaurant für ein einfaches Mittagessen zu finden – wir liessen uns in einem kleinen Laden zwei Pizzas und eine Art Guiche im Mikrowellenofen wärmen und genossen das einfach Mahl am kleinen Tisch gleich vor dem Regal mit den Seifen und Schreibwaren. 

Vom Wind abgerissene Gummi-Schürze
Draussen stand unser Muni, der bei dem harten Seitenwind fast seine Gummischürze am Heck verloren hätte: sie hing halb abgerissen von der Befestigung herunter und musst entfernt werden um nicht zu einer Gefahr für nachfolgende Fahrzeuge zu werden, sollte sie sich gänzlich lösen.









Willkommens-Tor zur Hauptstadt Elista
Wir erreichten Elista gegen Abend und gelangten ohne Probleme und trotz mehrfacher Lastwagenfahrverbote und grosser Polizeipräsenz mitten in die Kleinstadt, wo wir zentral parken konnten und zu Fuss innert weniger Minuten zum Festgelände gelangten.










Stupa im Stadtzentrum
Elista ist Hauptstadt der einzigen buddhistischen Region in Europa und seit der Regierungszeit eines schach-angefressenen Milliardärs, der standhaft behauptete, von Ausserirdischen entführt worden zu sein, auch Schach-Hauptstadt der Welt. Wir haben jedoch nichts vom Nationalsport Schach mitbekommen, wohl aber die typischen buddhistischen Stupas und andere sehr farbige Anzeichen dieser Religion gesehen.

Festgelände
Die Kalmükier reden ursprünglich mongolisch und sind auch physiognomisch eindeutig diesem Land zuzuordnen. Im Zug stalinistischer Vergeltung für ihre erzwungene Kolaboration mit Deutschen Einheiten im Krieg wurde ihre Kultur ausgelöscht und die Menschen in die entlegendsten Regionen der damaligen Sowietunion vertrieben und konnten erst nach Stalins Tod rehabilitiert werden und in ihr Gebiet zurückkehren.

Die 9. Mai-Feier auf einem Festgelände war ein Erlebnis! Auf einer Bühne trugen Kinder in Soldatenuniformen Gedichte vor, wurden Soldatenlieder gesungen und eine ausgedehnte Tanz-, Musik- und Gesangsdarbietung erfreute ein zahlreiches Publikum. So eine russische Feier zu erleben war für mich etwas ganz Besonderes, kannte ich doch viele der Melodien, hatte sie aber noch nie in ihrer «Original-Umgebung» erlebt. Die Inbrunst, das Engagement und die gemeinsam getragene Melancholie haben mich sehr beeindruckt.
unser Abendessen






Was für ein toller, eindrücklicher Tag in einem mir unglaublich sympathischen Land!



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