Voraussichtliche Reisedaten

Montag, 10. Juni 2019

9. Juni 2019 | Zusammenfluss Panj und Vanch - Хоруг (Chorug) (TJ) | 197 km

grandioses Morgenpanorama


Heute morgen standen wir zeitig auf und ein grossartiges, sonnenbeschienenes Panorama begrüsste uns auf der Sandbank, die etwa 30 Meter hoch über dem Fluss lag. Wieder gab's den Schwarztee mit Milch(pulver) und viel Zucker, aber leider war das Brot, das wir am Vortag gekauft hatten schon teilweise angeschimmelt, so dass die Brote nur klein waren. Aber wir wollten eh nicht allzu lange «zmörgelen», sondern so bald als möglich losfahren, um heute bis Хоруг (Chorug) zu gelangen.

abgeklappte Kabine vor afghanischem Berg
Lorenz hatte gestern am Abend bemerkt, dass das Druckluftsystem des Muni etwas Luft verlor und wir wollten am Morgen nachsehen, woran das liegen könnte. Also klappte er die Kabine ab und wir fanden das Leck schnell: es war am Verteiler unter dem Umschalter für die Geländegänge und Differentialsperren, wo wir in der Werkstatt vor der Reise schon die gleiche Stelle vermeintlich zuverlässig abgedichtet hatten. Leider hielt die Abdichtung nicht und nun verlieren wir ein bisschen Luft an einem Ort, der nicht lebenswichtig ist. Ausserdem kann das System die entweichende Luft problemlos ersetzen...der Kompressor läuft sowieso die ganze Zeit und der dadurch entstandene Überdruck muss dauernd abgeblasen werden. So arbeitet er wenigstens nicht ganz umsonst...lol

kalte Morgendusche direkt aus dem Wassertank
Da wir mit den fast 600 Litern Wasser sehr viel Gewicht mit schleppen meinte Lorenz, er lasse einen Teil des Wassers ab um auf den kommenden Bergstrecken nicht unnötig Gewicht zu transportieren...und was ist schon schöner als eine kalte Dusche am frühen Morgen? Ich als bekennender Heissduscher habe aus sicherer Entfernung Fotos geschossen...lol







Als wir losfuhren, freuten wir uns auf die letzten 100 km Asphaltstrasse vor Хоруг (Chorug), die uns von einem anderen Reisenden angekündigt worden waren...wir hatten nur noch etwa 80 km Schotter-Schüttel-Schlagloch-Piste vor uns bis dahin.









Als erstes passierten wir gleich nach der Sandbank, auf der wir übernachtet hatten, einen der Kontrollposten, die hier an der Granze zu Afghanistan sehr häufig sind. Die Polizisten wollten unsere Pässe und die e-Visa auf meinem Mobiltelefon sehen und liessen uns weiter fahren. Neben den polizeilichen Kontrollposten hat es auch viel – sehr diskretes – Militär in dieser Gegend. In Dreierpatrouillen marschieren Soldaten in Vierfruchtpijamas und mit AK47-Kalaschnikows entlang der Strasse, helfen ab und zu mal einem Autofahrer mit einem Problem oder plaudern mit einem Bauern...und sie grüssen uns immer sehr freundlich und freudig wenn wir an ihnen vorbei fahren. Auch hat es entlang der Strasse immer wieder kleine militärische Posten, deren Mauern Schiessscharten Richtung Grenzfluss und auf die Strasse entlang desselben haben. Immer ist da irgendwo ein Soldat, der sich bei unserer Annäherung aus seinem Versteck begibt und uns grüst wenn wir zum Gruß gewinkt haben.

Feld mit Bewässerungsfurchen
Bewässerungsgraben im Vordergrund
Besonders hat mir in diesem Tal die Art und Weise, wie Gemüsegärten angelegt werden, gefallen. Um das Gemüse bewässern zu können werden die Beete und auch ganze Felder so angelegt, dass die Pflanzreihen erhöht sind und zwischen den Reihen Wasser in Furchen fliessen kann. Wird nun an einem Ende des Beets oder Ackers Wasser von den hier allgegenwärtigen kleinen Wasserläufen abgezweigt und am oberen Ende dosiert eingeleitet, so verteilt es sich automatisch in alle Reihen und überschüssiges Wasser läuft am entgegengesetzten, unteren Ende wieder ab. Dabei werden die Furchen so angelegt, dass sie perfekt dem Gelände folgen und das Gefälle so nutzen, dass alle Stellen des Beets oder des Ackers beim Bewässern auch wirklich Wasser erhalten. Leider habe ich den schönsten solchen Garten, den ich gesehen habe, nicht fotografiert…beim Fahren könnte ich wegen toller Foto-Sujets alle paar Meter anhalten oder Lorenz um einen Stopp bitten und denke dann oft, dass sich bestimmt noch eine gute Gelegenheit für eine tolle Aufnahme ergeben wird, was dann leider oft nicht der Fall ist.
gestauter Abe-e-Panj im breiten Tal
Wir fuhren durch ein paar sehr enge Stellen, an denen die Felswände schier auf uns herab zu stürzen drohten. Die Grösse und Masse dieser Felsgebilde ist unvergleichlich. Obwohl wir in der Schweiz grosse Berge haben und steile Wände bei uns keine Seltenheit sind, kommen mir die Alpen im Vergleich zu den Gebirgen hier wie Spielzeug-Berglein vor. Wir sind an den vergangenen drei Tagen nur durch ein einziges, langes Tal gefahren und es wäre noch über Tausend Kilometer länger!
Für Geologen muss diese Gegend ein Eldorado sein und ich wünschte mir, mehr von den Faltungen, dem Aufwerfen und all den geologischen Vorgängen zu wissen, um die grandiosen Erscheinungen im Fels, all die unterschiedlichen Gesteinsarten und die verschiedenen Schichtungen besser zu kennen und verstehen. Allein die vielen Farben, die uns in den verschiedenen Gesteinen entgegen leuchten sind unglaublich.
Seitenfluss des Abe-e-Panj

Der Fluss ist an den engen Stellen, wo oft grosse Brocken noch sichtbar im Flussbett liegen, besonders wild und die Wassermassen schiessen mit Getöse und hohe Wellen schlagend um diese Hindernisse, die wohl immer wieder von den Steilwänden herunterfallen. Eigentlich ist es ein Wunder, dass wir keinen einzigen Bergsturz miterlebt haben und auch keiner unseren Weg versperrte...ich muss sagen, dass ich ob dieser Tatsache gar nicht unglücklich bin...hihi.

breiteres Tal vor Chorug
Das Tal wurde mit der Zeit weiter, die Talsohle etwas breiter und die Hänge waren nicht mehr ganz so steil – nur die angekündigte «gute Strasse» liess auf sich warten. Da war dann zwar schon eine asphaltierte Strasse, aber in meiner Erinnerung ist das Prädikat «gut» für eine ganz andere Art von Strassen bestimmt...man wird hier in der Gegend offensichtlich sehr genügsam was die Qualität von Verkehrswegen angeht. Unser Fahrzeug ist zwar allradgetrieben und hat grosse Räder...aber auf holprigen Pisten und in Schlagloch-Feldern ist es gar nicht in seinem Element. Dafür ist die Federung zu hart, das Gewicht zu gross, die Spur zu breit und die Trägheit zu massiv. Während die meisten anderen Fahrzeuge sich über und durch die Hindernisse schlängeln können, kriechen wir von einem Loch zum nächsten und mühen uns in unseren gefederten Hüpf-Sitzen an Lenkrad, Schalthebel, Gas-, Brems- und Motorbremspedalen ab, während es rumpelt und bumpelt und der Aufbau in alle Richtungen geschaukelt wird. Der Preis für den Luxus, eine Wohnung mit auf die Reise zu nehmen, ist auf so holprigen Strassen besonders hoch.
dammartige Strasse - links ein Grundwasser-See

Mit dem breiter werdenden Tal kamen wir Хоруг (Chorug) näher, was sich vor allem darin zeigte, dass die Dörfer näher aneinander lagen, die Häuser grösser und moderner wurden, dass der Verkehr zunahm – er war immer noch sehr gering, gemessen am Aufkommen in der Schweiz – und dass die Autos moderner und die geländegängigen durch Limousinen ersetzt wurden.
Dorfladen unterwegs

Хоруг (Chorug) ist eine typische Etappen-Stadt: es hat viele Hotels, Hostels, B&Bs und Homestay-Angebote, daneben Tankstellen, Läden, Banken und den grössten Supermarkt, den wir bisher in Tadschikistan gesehen hatten. Hier decken sich alle, die entweder den Pamir-Highway oder den Wakhan-Korridor befahren, mit Lebensmitteln und anderen Dingen ein, übernachten noch einmal komfortabel vor den Strapazen der langen holprigen Fahrt und holen Informationen zur geplanten Strecke ein. Die Stadt selber ist ziemlich hässlich und funktional – ich hatte auch den Eindruck, dass die Stimmung dort nicht so freundlich und gelassen sei wie in den vielen Dörfern, die wir durchfahren hatten. Aber ich kann mich auch täuschen, haben wir doch praktisch nichts von der Stadt mitbekommen, sondern nur aus der Kabine heraus die Menschen am Strassenrand und die Läden gesehen.

Wir kauften Lebensmittel ein und fuhren aus der Stadt hinaus, weil deren Höhe mit 2000 m.ü.M. etwas zu gering ist um sich für die grossen Höhen im Pamir vorzubereiten und suchten einen Platz zum Schlafen auf rund 2400 m.ü.M. Den fanden wir etwa ein Dutzend Kilometer ausserhalb in einem kleinen Dorf, wo wir vor herabstürzenden Felsbrocken sicher waren. Der Platz gleich an der Strasse, in einem bewohnten Gebiet, ist alles andere als romantisch...aber er ist zweckmässig und sicher.
Felder auf afghanischer Seite

Nach der heutigen Etappe bin ich überzeugt, unsere Entscheidung, den Pamir-Highwy und nicht den Wakhan-Korridor zu fahren sei absolut richtig gewesen, denn das Schneckentempo, in dem wir die holprigen Strecken fahren müssen, hätte uns zu lange aufgehalten und mit der Zeit auch genervt. Ausserdem haben wir auf den vergangenen 750 km so viel vom Tal des Abe-e-Panj gesehen, dass ich nicht glaube, wir würden auf den über 350 nächsten Kilometern in diesem Tal massgeblich Besseres oder Spektakuläreres sehen. Es wäre vor allem eine Tortur und wir könnten danach damit prahlen, «den Wakhan gemacht» zu haben. Auch auf der «nur» halb so langen Strecke über den Pamir-Highway bis zur Vereinigung der beiden Strecken nach dem Tagarkaty-Pass auf fast 4200 m.ü.M. werden wir viele schöne, spannende und grossartige Landschaften sehen. Dafür wird hoffentlich unsere Strasse etwas besser und leichter befahrbar sein als die Piste entlang des Abe-e-Panj und der afghanischen Grenze.
Einfahrt in das Tal des Gunt auf den ersten Kilometern des Pamir-Highways

Bei der Einfahrt auf den Pamir-Highway erhielten wir mit einem grossartigen Panorama im Abendlicht bereits einen Vorgeschmack auf die hochalpine Bergwelt: ein rund 5700 Meter hoher Gipfel stand in der Abendsonne, während wir im bereits schattigen Tal die ersten Meter auf dieser sagenumwobenen Strecke fuhren.
Grenzbrücke und Militärlager

Leider ist das Mobilnetz bereits hier, etwas abseits der Stadt Хоруг (Chorug), so schlecht, dass es mir nicht gelingt, mit meinem Skyroam Solis® eine genügend leistungsfähige Verbindung aufzubauen und diesen Beitrag hoch zu laden. Ich werde es morgen im Verlauf des Tages noch einmal versuchen. Sehr wahrscheinlich wird uns diese Tatsache in den nächsten Tagen noch öfter begleiten, so dass mit grosser Wahrscheinlichkeit die Berichte nicht mehr so regelmässig im Blog erscheinen werden. Hoffentlich wird aber unser Tracker ab und zu eine Positionsmeldung durchgeben können, so dass auf der Karte unter https://fahreast.xoff.ch/index.php/reise.htmlunsere Position sichtbar sein wird.

aufgrund der schwachen GPS-Abdeckung nur zwei Positionspunkt auf fast 200 km

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